Pro & Contra

Buben blau, Mädchen rosa: War vor dem Pink-Wahn alles besser?

Pink ist mehr als eine Farbe: es ist eine Idee. Die kann man mögen - oder auch nicht. Ein Pro & Contra in Sachen Geschmack und Geschlechterrollen.

Immer locker bleiben, sagen die einen. Pink per se ist ja nicht böse - und wer sich darauf einlässt, lernt vielleicht ja sogar, es zu genießen. Es geht um viel mehr!, schäumen die anderen, weil Pink eben nicht nur eine Farbe ist, sondern für eine komplette Ideologie steht.

Und so kreuzen in dieser Angelegenheit jetzt zwei Redakteure die Klingen. Pink oder nicht, das ist die Frage. Entscheidet selbst, auf wessen Seite ihr steht:

Pro

Von Bernhard Praschl

Mit Farben ist das so eine Sache. Besonders bei Männern. Die einen gehen ein Leben lang in schwarzen oder blauen Gewändern durchs Leben - vom Babystrampler bis weit über den Businessanzug hinaus. Die anderen treiben es bunt - und sehen sich schon im Visier von Vorurteilen. Gelb passt vielleicht zu Biene Maja, aber zu Dir? Grün ist etwas für Lodenfreaks. Und Orange überhaupt ganz komisch. 

In Kombination wird es besonders arg. Es soll Männer geben, die angesichts von Regenbogenfarben Rot sehen. So gesehen, ist das "kleine Rot" doch ein schöner Kompromiss. Richtig: die Farbe Rosa ist gemeint.

Ausgerechnet Rosa? Ja. Das textile Erkennungszeichen von Barbie war nämlich nicht immer auf ein Puppenimage reduziert.

Vor 100 Jahren, so ein Blick in die Geschichtsbücher, war Rosa besonders bei Buben beliebt, Blau hingegen war etwas für Mädchen. In einem Frauenmagazin in den USA hieß es 1918: "Die allgemein akzeptierte Regel ist Rosa für Jungen und Blau für Mädchen. Der Grund dafür ist, dass Rosa als eine entschlossenere und kräftigere Farbe besser zu Jungen passt, während Blau, weil es delikater und anmutiger ist, bei Mädchen hübscher aussieht."

Im Sommer vor 50 Jahren sorgte mein Bruder für einen verstörenden Moment bei einer Geburtstagsparty in der Nachbarschaft. Er riss angesichts der ersten Mädchenpuppe seines Lebens Barbie das rosa Kleid vom Leib. Seither sehe ich Rosa wahlweise als Farbton der Freude oder Provokation. Jedenfalls als Couleur, die längst über die angebliche Lieblingsfarbe kleiner Mädchen hinausgewachsen ist.

Leider gibt es trotzdem keinen Fotobeweis von jenem denkwürdigen Tag, an dem ich total energiegeladen mit einem von mir eigenhändig Pink gefärbten weißen Arbeitsoverall in das angesagteste Lokal von Linz marschierte, das Elektro Schmied.

Contra

Von Andreas Bovelino

Schon klar, Margot Robbie und Ryan Gosling sind nicht nur tolle Schauspieler, sondern, was man so aus der Entfernung einschätzen kann, auch witzig und smart, vor allem Gosling beweist in seinen Filmen immer wieder große Lust an ironischer Überhöhung, Mut zur Brechung.

Die beiden hatten sicher einen Mordsspaß am Set für die pinke Wunderwelt von Barbie und Ken. Die Realität sieht allerdings so aus: Seit etwa zwei Jahrzehnten sind Spielzeugläden streng zweigeteilt. Hier Flitter und Rüschchen und Zaubersternchen und Traumhäuser für Anziehpüppchen - dort ferngesteuerte Autos und Drohnen und Schnellfeuerwaffen für jede Munitionsgattung.

Und diese geschlechterdefinierte neue Form der Apartheid hat eine Farbe: Pink. In diesem Licht ist es auch völlig egal, wenn Schlaumeier immer wieder erklären, dass Rosa bis in die 1920er-Jahre die Farbe der Jungen, und Blau die der Mädchen war. Weil das Wissen um die Geschichte nichts an der infernalen Gegenwart ändert. Die soziokulturelle Entwicklung hat die alten Werte so gründlich überlagert, dass es egal ist, was früher war. Es ändert ja auch nichts an der Sache an sich, dass die Geschlechtertrennung irgendwann einmal eine andere Farbe hatte.

Apropos Geschichte. Wer in den 1970ern sozialisiert wurde, erlebte andere Spielzeugwelten in den Geschäften. Stofftiere, Puppen, Colts und Cowboyhüte in freundlicher Nachbarschaft, wobei eben nicht alle Puppen kleine Prinzessinnen mit Fantasy-Wallemähne waren und auf den diversen Matador-Sets, die meine Schwestern und ich als angehende Bauingenieure bekamen, konsequent Mädchen beim Konstruieren abgebildet waren. Noch während der Grunge-Ära der 1990er bestanden junge Frauen darauf, eben KEINE Prinzessinnen zu sein, während Courtney Love ein ironisch überhöhtes Baby-Doll-Image kultivierte, das durch die Aggressivität ihrer Musik gebrochen wurde.

Dann kamen die 2000er und Prinzessin Lillifee löste Ronja Räubertochter als Identifikationsfigur ab. Und die pinke Hölle hielt Einzug in die Welt der Kinder. Im Jahr 2008 wurde in London die "Pink stinks!"-Initiative ins Leben gerufen. Weil die genderspezifischen pinken Spielzeuge und Prinzessinnenkleidchen für die kleinen Lillifees später ihre beruflichen Chancen als Erwachsene limitieren.

Ein Jahr später war die britische Presse euphorisch, erste Erfolge zeichneten sich ab, hieß es... Justizministerin Bridget Prentice betonte die Wichtigkeit der Kampagne, weil der pinke Wahnsinn in den Spielzeug- und Kinderbekleidungsgeschäften "Mädchen suggeriere, das hübsch zu sein die wichtigste Eigenschaft einer Frau ist. Und dass nur hübsche, frauentypische Jobs für sie in Frage kämen". Die Euphorie ist längst vergessen, genau wie die Initiative selbst.

Pink hat gesiegt - und es ist kein Ende in Sicht. Im Gegenteil, wir freuen uns heute schon alle auf den Barbie-Film mit Margot Robbie und Ryan Gosling. Der wird auch sicher super. Wie gesagt, die beiden hatten garantiert einen Mordsspaß beim Dreh. Sie wurden 1990 bzw. 1980 geboren - keiner der beiden ist also in der pinken Hölle aufgewachsen.

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