Nationalheld und Comic-Phänomen: Asterix ist wieder da
„Asterix und der Greif“ setzt die 62-jährige Erfolgsgeschichte fort. Erfunden wurde der Gallier einst in zwei Stunden.
"Asterix und der Greif"
Text: Jean-Yves Ferri, Zeichnungen: Didier Conrad.
48 Seiten
Verlag: Egmont Comic Collection
12 Euro
Das Buch gibt's hier
Die Antwort auf die Frage fällt ihm leicht, fast so leicht, wie es für Obelix ist, einen römischen Legionär per Kinnhaken – Paff! – aus den Sandalen und wolkennah in luftige Höhen hoch zu dreschen. „Ich würde diese Superkräfte dazu einsetzen, all die Werbung für das neue Album im Vollbesitz meiner Kräfte durchzustehen und ohne je müde zu werden.“
Ein Schmunzeln wird sichtbar, als Jean-Yves Ferri es sagt, als Antwort darauf, wie er persönlich wohl einen Zaubertrank à la Asterix einzusetzen wüsste. Der charismatische Asterix-Szenarist mit der blank polierten Glatze, den blauen Rundbrillen und dem grauen Bart ist sich seiner Verantwortung bewusst. Er muss der Welt Rede und Antwort stehen. Den Auftakt machte eine Pressekonferenz mit großem Tamtam vor 100 internationalen Journalisten in Paris. Das Medieninteresse war enorm, die Handlung wurde bis zuletzt gehütet wie ein französisches Staatsgeheimnis, jetzt ist der neue Band endlich da: „Asterix und der Greif“ heißt er, mit einer weltweiten Erstauflage von fünf Millionen Exemplaren, übersetzt in 17 Sprachen – und mit neun ausgewiesenen Prügeleien.
Asterix im Angesicht der Deadline
Die Reihe ist ein Phänomen. Mehr als 385 Millionen verkaufte Alben weist sie auf, seit René Goscinny und Albert Uderzo die Comic-Helden 1959 erfanden. Goscinny starb 1977 mit nur 51 Jahren an einem Herzinfarkt, Uderzo 2020 mit 92. Der Geniestreich, ein unbeugsames Dorf an Galliern zu erfinden, das unerbittlichen Widerstand gegen die Übermacht der römischen Besatzer leistet, gelang ihnen unter kreativem Höchstdruck. Für die erste Ausgabe der Zeitschrift Pilote sollten sie sich einen Comic mit starkem Bezug auf die französische Kultur ausdenken. Die Köpfe rauchten, ein Wort gab das andere, nach zwei Stunden stand das Konzept. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien? Nein! Der Zaubertrank des Dorfdruiden Miraculix, der den Dorfbewohnern übermenschliche Kräfte verleiht, ermöglicht den Widerstand.
Seitdem amüsieren die liebevollen, vitalen Charaktere mit ihren kauzigen Eigenheiten die Leser. In Frankreich ist Asterix sogar nichts weniger als ein Nationalheld. Der Kleine gegen den Großen, zwei ungleiche Gegner, deren Kräfteverhältnis sich umdreht, das gefällt. Jean-Yves Ferri als Autor und Didier Conrad spinnen die Abenteuer weiter. Sechs Millionen E-Mails tauschten die beiden aus während der gemeinsamen Arbeit am neuen Album. Ferri wohnt auf einem Bauernhof in den Pyrenäen. Conrad in Austin, Texas. Ihrem drängenden Kreativgeist sind trotz ausuferndem Schriftverkehr durchaus Grenzen gesetzt. Traditionen wollen gepflegt sein. Und der Charakter des Asterix ist ohnehin unantastbar.
Darum geht's im neuen Abenteuer
In „Asterix und der Greif“ führt die Gallier ihre neueste Expedition in ein höchst unwirtliches Gebiet: eisige Steppen, schneebedeckte Wälder, dazwischen ragen furchterregende Göttertotems mit spitzen Ohren und klaffenden Zähnen aus den Hügeln. Hier, im Osten Europas, treffen sie auf das Volk der Sarmaten, ein ehemals tatsächlich existierendes Nomadenvolk, das erstmals im 5. Jahrhundert vor Christus erwähnt wurde. Ferri siedelte sie in einem fiktiven Gebiet zwischen Russland, der Mongolei und Kasachstan an. Was Asterix und Freunde hierher geführt hat? Inmitten dieses mythischen Umfelds sind sie auf der Suche nach dem Greif, einem magischen Fabelwesen, das den Körper eines Löwen und die Klauen, Flügel und Schnabel eines Adlers besitzt. Hinter ihm sind die Römer auf Befehl von Cäsar her – da seien natürlich Asterix und Obelix vor, die den Sarmaten zu Hilfe eilen.
Die Fortsetzung des Kult-Phänomens ist damit noch lange nicht zu Ende: Die neue Zeichentrick-Serie „Idefix und die Unbeugsamen“ startet im November auf Super RTL. Und kommendes Jahr startet die Realverfilmung „Asterix und Obelix: Das Reich der Mitte“ in den Kinos. Angesichts dieses Mammutprogramms hilft wohl nur Zaubertrank.
Kommentare