Warum stoppen manche abrupt auf der Rolltreppe?

Rechts stehen, links gehen: Rolltreppe fahren ist gar nicht schwer. Oder doch? Denn blöd, wenn links wer abrupt stoppt.

Was täten wir ohne unsere Leserinnen und Leser? Nicht viel, mögt ihr scherzhaft einwenden. Und ihr liegt nicht falsch. Denn sie geben uns wertvolle Tipps und Ezzes und sie wenden sich an uns, wenn sie der Schuh drückt. Auf der Rolltreppe etwa. So fragte uns jüngst eine Leserin, warum Menschen auf einer Rolltreppe „justament auf dem letzten Meter vor dem Ausstieg“ stehen bleiben. „Wenn es dafür eine logische Erklärung gibt, wäre ich sehr dankbar“, fügt sie hinzu.

Eine logische Erklärung nicht wirklich, auch keine wissenschaftliche. Aber eine praktische. Nicht nur dem eigenen Erfahrungsschatz zufolge sind Briten und Spanier sehr disziplinierte Rolltreppenfahrer. Rechts stehen, links gehen: Dieses Prinzip funktioniert im Londoner wie auch im weit verzweigten Madrider U-Bahn-Netz tadellos.

Da Madrid sich seit einigen Jahren eines ständig expandierenden Metro-Netzes erfreut, kennt man in der Hauptstadt Spaniens folgendes Phänomen: Immer wieder kommen Rolltreppengeher ins Straucheln, weil sich beim Ausstieg jemand erst orientieren will – und unerwartet stoppt. Atención! So ein Verhalten ist Sand im Getriebe der seit 130 Jahren bekannten „Personenbeförderungsmittel zur Überwindung einer Höhendistanz“. 

Bei der sukzessiven Erweiterung des Wiener U-Bahn-Netzes - U5 ab 2026 - droht diese Sitte sich bald auch hier bemerkbar zu machen. Wenn sie nicht längst von jenen praktiziert wird, die durch Smartphone-Seitenblicke dem Rolltreppenverkehr einen Stop-and-go-Rhythmus aufzwingen. 

Apropos Phänomen: Vom „Broken-Escalator-Phänomen“ spricht man, wenn man auf einer stehen gebliebenen Rolltreppe aus dem Tritt gerät. Verantwortlich dafür ist eine Dissonanz zwischen unserem Unbewussten und Bewusstsein. Obgleich wir wahrnehmen, dass die Fahrtreppe defekt ist, steuert das Unterbewusstsein unsere Bewegungen so, als ob sie sich bewegen würde. Unser Bewusstsein kann nicht schnell genug die Informationen des Unbewussten „überschreiben“.

Das führt zu einem Moment des Schwindels. Und der Erkenntnis, dass man doch besser die normale Treppe hätte nehmen sollen. 

Frage der Freizeit

Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Bernhard Praschl

Über Bernhard Praschl

Bernhard Praschl, geboren 1961 in Linz. Als Stahlstadtkind aufgewachsen zwischen Stadtwerkstatt und Brucknerhaus. 1978 erster Manager der Linzer Punk-Legende Willi Warma. 1979 Studium der Politikwissenschaft und Publizistik an der Uni Wien. Zivildienst im WUK; 1986 Institut für Höhere Studien, Wien. 1989-1992 in der Die Presse, seit 1992 Redakteur im KURIER, 1994 Statist in Richard Linklaters "Before Sunrise", seit 1995 in der FREIZEIT. 2013 "Das kleine ABC des Geldes. Ein Lesebuch für Arm und Reich" (Czernin Verlag). Nach frühen Interrailreisen durch Europa (Portugal bis Irland) und Autofahrten entlang der California State Route und dem Overseas Highway nach Key West jetzt wieder Bahnfahrer - und E-Biker.

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