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Wie man Kurzsichtigkeit bei Kindern erkennt und früh einbremst

Jedes dritte Kind in Österreich ist kurzsichtig. Die Volkskrankheit kann – früh erkannt – gebremst werden.

Nicht immer sind sich die Augenärzte und die Optiker derart einig wie beim Thema Myopie. „Rund ein Drittel der Kinder in Österreich ist bereits kurzsichtig“, sagt der Wiener Facharzt für Augenheilkunde Christian Simader. „Es gibt Prognosen, dass bis zum Jahr 2050 die Hälfte der Weltbevölkerung nicht mehr scharf in die Ferne schauen kann“, ergänzt ihn Markus Gschweidl, der Österreichs Augenoptiker und Optiker bzw. Optometristen als Bundesinnungsmeister in der Wirtschaftskammer vertritt.

100 Prozent einig sind sich Simader und Gschweidl auch in ihrer Diagnose: Je früher die Kurzsichtigkeit bei Kindern diagnostiziert wird, umso effizienter kann die Beeinträchtigung im Auge gebremst werden. Für Eltern haben die Experten folgende praktische Tipps parat:

Erste Anzeichen: Wenn ein Kind das an der Tafel Aufgeschriebene nicht lesen kann, wenn es öfters die Augen kneifen muss, Bälle nicht fangen kann oder über die eigenen Füße stolpert und deshalb die Lust am Lernen und auch am Spielen schnell verliert, dann sei es ratsam, gemeinsam Arzt und/oder Optometristen aufzusuchen.

Achtsamkeit: Der Augenarzt gibt zu bedenken: „Wird die Fehlsichtigkeit nicht behandelt, besteht das Risiko, dass sie binnen kurzer Zeit stark zunimmt und im Erwachsenenalter zu einem pathologischen Problem wird.“ Ist ein Elternteil oder sind gar beide Eltern kurzsichtig, sollte noch mehr Augenmerk auf das Thema Myopie gelegt werden.

Therapie: Facharzt Simader und Optometrist Gschweidl nennen drei in der Wirkung ähnliche Optionen, die laut Studien eindeutig wirken, auch wenn es für alle drei bis dato keine exakt bewiesene wissenschaftliche Erklärung gibt. Zuerst Atropin-Augentropfen; dann spezielle Kontaktlinsen für Myopie (sie können die Kurzsichtigkeit im Zentrum des Auges korrigieren). Seit eineinhalb Jahren gibt es nun auch in Österreich eigene Brillen, deren Gläser ähnlich wirken wie die Kontaktlinsen.

Kosten: Die Kosten für die derzeit noch wenig bekannte Myopie-Kinderbrille, klagen Simader und Gschweidl, werden von Gesundheits- bzw. Krankenkassen nicht übernommen, bis auf Weiteres jedenfalls nicht. Sie belaufen sich auf rund 750 Euro (600 Euro die Gläser, 150 Euro der Brillenrahmen) und sie müssen von den Eltern bezahlt werden. Anders ist es bei den Kontaktlinsen: Da übernimmt die Kasse die Kosten, abhängig von der Type bis zu 100 Prozent. Bei deutlicher Zunahme der Kurzsichtigkeit werden die Kosten für die Tropfen von der Kasse übernommen. Sonst zahlen die Eltern 48 Euro pro Monat, so der Arzt. „Über die Zeit sind sie etwas teurer als die Brille.“

Wenig förderlich: Allgemein geben die beiden Fachleute zu bedenken, dass der aktuelle Lebensstil nur bedingt für die Gesundheit förderlich ist. Wenn etwa die Kinder stundenlang zu nahe auf Bildschirme starren – Stichwort Mobiltelefone und zuletzt auch Homeschooling –, belastet das ihre Augen.

Hilfreich: Was die Sportmediziner bereits am Ende der 1960er-Jahre gefordert haben, wird nun auch von den Augen-Fachleuten ins Treffen geführt: Kinder sollten mindestens zwei Stunden pro Tag im Freien spielen und/oder sporteln. Das ist im Übrigen nicht nur ein Hinweis, der sich an die Eltern richtet, sondern auch an Pädagogen und Bildungspolitiker. Stichwort tägliche Turnstunde. Zum Schauen in die Ferne animieren kann man seine Kinder übrigens auch leicht bei einer gemeinsamen Zug- oder Autofahrt.

Mehr zum Thema: Übersichtlich aufbereitet wurden alle Erkenntnisse zur Myopie und Tipps auf der Internetseite augen.at/myopie

Am Ende plaudert der Wiener Augenarzt Christian Simader aus dem eigenen Nähkästchen: Simader misst bei sich selbst derzeit sechs Dioptrien und trägt eine Brille. „Die würde ich auch tragen, hätte man in meiner Kindheit gegengesteuert. Aber dann wäre ich heute nicht bei sechs, sondern irgendwo zwischen minus 2,5 und vier Dioptrien.“

Stichwort Myopie

Begriffserklärung
Die aus dem Altgriechischen abgeleitete Fachbezeichnung Myopie kommt auf den ersten Blick gar nicht gefährlich daher. Sie bezeichnet Kurzsichtigkeit.

Diagnose
Das scharfe Sehen in der Ferne ist bei Myopie eingeschränkt. Entfernte Gegenstände werden nur verschwommen wahrgenommen. Gegenstände in der Nähe werden hingehen klar und deutlich gesehen. In den vergangenen Jahren ist der Anteil kurzsichtiger Kinder weltweit deutlich angestiegen.  

Uwe Mauch

Über Uwe Mauch

Uwe Mauch, geboren 1966 in Wien, seit 1995 Redakteur beim KURIER, Autor lebensnaher Porträts und Reportagen sowie zahlreicher Bücher, unter anderem: "Unsere Nachbarn", "Wien und der Fußball", "Lokalmatadore", "In 80 Arbeitstagen um die Welt", "Stiege 8/Tür 7. Homestorys aus dem Wiener Gemeindebau", "Die Armen von Wien" (2016) sowie eines "Wien"- und eines "Zagreb"-Stadtführers.

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