Survival-Training: Wie überlebe ich in der Wildnis?
Wie geht Feuermachen? Wie baue ich einen Unterschlupf? Was darf ich im Wald essen und was nicht? Unterwegs mit einem Survival-Profi.
Er ist ein Mann, ganz wie man sich einen Abenteurer vorstellt. Schulterlange Haare, bleckend weiße Zähne, ein Gesicht wie Winnetou. Um den Hals: zwei Ketten, eine davon mit dem selbstgeschnitzten Totem eines Freundes. Am Ledergürtel baumelt ein Messer mit einem Griff aus Hirschhorn im schwarzen Holster. Als Albert Steiner uns sieht und aus seinem knallroten Mazda-Geländewagen mit den sechs Kanus am Anhänger aussteigt, setzt er ein breites Grinsen auf, als würde er denken: ah, neue Bürohengste!
Menschen, die viel vorm Computer sitzen eben. Menschen mit Wohlstandsbäuchlein und prophezeitem Bandscheibenvorfall. Menschen, die sich abseits ihres Alltags endlich wieder spüren wollen. Beim Survival-Trainer Steiner sind sie da genau richtig. Auf seinen Expeditionen erfüllt er Abenteuerträume und lehrt Überleben, wenn man nur das Nötigste bei sich trägt, ob zu Wasser im Kanu oder zu Fuß durch die unberührte Natur.
Trend zum Abenteuer
Malediven, das war gestern. Heute buchen Fondsmanager, Anwältinnen oder Politiker seine Trips. Hobby-Survivalisten im Militärlook sind ebenso für ein Wochenende dabei, wie viele Frauen, die tougher sind als die gestylten Fitness-Influencerinnen auf Instagram. Ihnen gemeinsam ist, sie alle suchen den neuen Luxus namens Askese. Die Verbundenheit mit der Natur. Echo statt Ego.
„Manche wollen nur eine Nacht im Wald verbringen. Das ist ihnen das Wichtigste“, erzählt Steiner. Zelte erlaubt er nicht. Dazu zeigt er: Wie mache ich Feuer? Wie baue ich einen Unterschlupf? Was darf ich essen? Das alles wollen wir auch lernen. Um fortan getrost in der Wildnis überleben zu können. Doch Steiner winkt schmunzelnd ab. „Oberste Maxime sollte immer sein, die nächste urbane Zivilisation zu erreichen. Um wirklich mehrere Wochen ohne Ausrüstung in freier Wildbahn bestehen zu können, muss man lange Jahre geschult sein.“ Dennoch: Ein paar gute Tipps werden uns helfen.
Und immerhin: Wir haben ein Kanu. Startpunkt ist Korneuburg. Nicht der exotischste Beginn für ein Abenteuer. Doch was dem Jagdkommando des Bundesheers für seine Übungen reicht, reicht uns schon lange. Vorne im Kanu sitze ich, hinten Steiner als Steuermann. Soll es nach links gehen, paddelt man rechts – und umgekehrt. Um sich auf der Stelle zu drehen, paddelt einer vorwärts, der andere rückwärts. Doch wohin soll es überhaupt gehen – nach Norden? Gen Süden? Und wo ist eigentlich was? Kennt doch ein gestandener Wiener wie ich im Stadtdickicht im Prinzip einzig zwei Stoßrichtungen – stadteinwärts, Richtung Ring, oder stadtauswärts.
Der Wald macht vegetarisch
Survival-Profi Steiner erklärt, wie man sich am Himmel orientiert: Nachts etwa hilft einem der Polarstern aus der Patsche – er weist stets nach Norden. Bei Bäumen wiederum zeigt die Seite mit Bewuchs oder Moos gen Norden. Am besten ist aber, die eigene Uhr zu Hilfe zu ziehen: Dazu einfach den Stundenzeiger Richtung Sonne ausrichten. Der Mittelpunkt zwischen dieser nach oben verlängerten Linie und der 12-Uhr-Position zeigt dann an: Hier lang geht’s nach Süden!
Apropos 12 Uhr: So langsam knurrt uns der Magen. Im Alltag geht’s jetzt in die Kantine. Doch was kann ich in der Natur essen? Fangen wir einen Fisch, erlegen wir Kleingetier? „Einen Fisch mit einem Speer aufzuspießen, ist unrealistisch“, desillusioniert uns Steiner. Der Schatten, den wir werfen, verrät uns.
Dazu kommt: Durch die Brechung des Lichts am Wasser sehen wir den Fisch versetzt. Trotzdem mein Jagdglück zu versuchen, könnte zwar lustig, aber auch langweilig sein – und erfolglos. Von Wildschweinen, so Steiner, sollte man sich lieber fernhalten, weil zu gefährlich. Und Fallen aufstellen? Möglich, aber auch hier stehen die Chancen schlecht: Bis ein Kaninchen oder Eichhörnchen sich in die Falle verirrt, vergeht Zeit, die wir nicht haben. Schnecken zuzubereiten wiederum ist eine eigene Kunst: Sie müssen im kochenden Wasser gegart, schädliche Innereien davor entfernt werden.
Im Wald ist also eines vor allem eines angesagt: Vegetarier zu werden – und sich an Wurzeln und Pflanzen zu laben. Auch Himbeeren oder Brombeeren etwa sind genießbar. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten.
„Besser nur Beeren essen, die in Hüfthöhe wachsen“, weiß Steiner. „Bodennahe Beeren bergen die Gefahr, dass sie mit Fuchsurin versetzt sind, was für uns Menschen lebensgefährlich ist.“ Dafür können die hellen Triebe von Nadelbäumen bedenkenlos gegessen werden, blank geschälte Löwenzahn-Wurzeln oder Veilchen. Die als Unkraut verschrienen Brennnesseln wiederum liefern wichtige Vitamine und schmecken in einem Becher überm Feuer geröstet oder als Tee. „Satt macht das nicht. Aber wenigstens hilft es gegen Magenknurren.“
Feuer machen
Doch wie machen wir jetzt ein Feuer, an dem wir Essen zubereiten oder verunreinigtes Wasser abkochen können? Im Idealfall haben wir dafür wie Albert Steiner stets einen Feuerstahl plus Zundergriff in der Hosentasche. Dazu benötigen wir trockenes Holz und Gras. Weil beides im feuchten Wald, noch dazu nahe eines Flusses, schwer zu finden ist, rät Steiner „es schon früh zu sammeln und in der Jacke oder im Rucksack zu trocknen“.
Aus dem Gras baut man dann ein kleines Nest, das man mit der Spitze des Feuerstahls niederdrückt. Nun gilt es, mit dem Schaber oder der breiten Seite seines Messers schnell, heftig und im richtigen Winkel über den Stahl zu reiben. Sind dadurch die ersten Funken erzeugt und hat das Nest Glut gefangen, hebt man es leicht an, damit Luft dazu kann oder bläst leicht hinein. Sobald das Feuer größer geworden ist, kann man kleine Äste dazuschichten, bis ein kleines Lagerfeuer entsteht. Zumindest theoretisch: In Österreich ist ein Entfachen eines solchen im Wald verboten.
Wie baue ich einen Unterschlupf?
Was uns nun noch fehlt, ist ein Unterschlupf für die Nacht. Als dieser kann das umgedrehte Kanu dienen, indem wir die Paddel auf den Seiten verankern und es darauf stützen. Oder wir bauen uns eine eigene Behausung. Dazu suchen wir eine Baumgabel, in die wir einen langen Ast legen. Nun schichten wir von links und rechts quer darüber kleinere Äste auf diesen Hauptast, sodass eine Art Gerippe entsteht. Darauf legen wir mehrere Schichten dünne Ästchen (diesmal mit Blättern), Schilf, lange Brennnesseln oder abgelöste Baumrinden. „Der Shelter sollte so klein wie möglich sein, damit wir den Innenraum mit unserer Körperwärme füllen“, so Steiner. So kann Wildnis. Das nächste Abenteuer, es ist immer irgendwo da draußen. Für alle Bürohengste sowieso.
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