Spanische TV-Serien boomen - und machen Lust auf Urlaub

Mehr als Ballermann und Um-die-Wette-Bräunen: Preisgekrönte Serien, die auf Netflix & Co laufen, zeigen uns ein atemberaubend vielseitiges Land abseits der altbekannten Touristen-Hochburgen.

Wenn Fernsehen das neue Kino ist, wie es so schön heißt, dann wurde Spanien in den vergangenen Jahren zu Europas Hollywood. Kaum ein anderes Land versorgt Streamingfans weltweit jedes Jahr mit ähnlich vielen Hitserien. Das Erfolgsrezept?

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Ein schier unerschöpflicher Pool an frischen und routinierten Schauspielern, die auch richtig gut sind, wenn man auf die teils etwas hölzerne deutsche Synchronisation verzichtet und sie sich im Original ansieht. Dazu ein ebenso reichhaltiges Potenzial an Kreativität, was die Storys anbelangt, egal ob Crime, Beziehung oder Mystery – die erfolgreichen Showrunner von der iberischen Halbinsel schöpfen hier aus dem Vollen. Und dann ist da natürlich das Land selbst.

Ein Land, von dem wir mitteleuropäischen Sonnenurlauber meistens nur die Strände kennen, das aber so viel mehr zu bieten hat. Was es mittlerweile erfolgreich der gesamten Fernsehwelt präsentiert.

Der „Mehrwert“ fürs Publikum: Während wir uns von den Geschichten unterhalten lassen, wandern wir mit ihren Protagonisten auf den Prachtstraßen Madrids, besuchen pittoreske Landsitze und verschlafene Dörfer, bestaunen die wilde Schönheit der Atlantikküste und der Gebirge im Norden, und genießen dann wieder südliches Mittelmeer-Flair fern aller Katalog-Klischees.

Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch

  • Wo die Hit-Serien "Elite", "Las Cumbres", "Rein privat", "Deine letzte Stunde", "Mädchen im Schnee" gedreht wurden
  • Wie man Urlaub in der fantastischen alten Villa aus "Haus des Geldes" machen kann
  • Wo man abseits der Costa del Sol richtig gut Bade-Urlaub machen kann

Es begann im Herzen Spaniens

Den Beginn der spanischen Erfolgsstory markieren mit den „Telefonistinnen“ und „Haus des Geldes“ zwei Serien, die uns in die sonst touristisch wenig beachtete Hauptstadt des Landes führen. Beide Serien erschienen erstmals 2017, während die Telefonistinnen ein wunderbar nostalgisches Bild der Stadt aus den 1920ern auf den Bildschirm zaubern, führt die preisgekrönte Krimiserie „Haus des Geldes“ ins moderne Madrid.

Wobei die nach Berlin zweitgrößte Stadt der EU zu jeder Zeit sehenswert ist. Gerade auch für österreichische Zuseher, und das nicht nur, weil Madrid mit 670 Metern Seehöhe knapp 100 Meter höher liegt als Innsbruck – und von durchaus dramatischen Bergen umringt ist. Ein Spaziergang ins alte Zentrum der spanischen Hauptstadt führt uns ins Madrid de los Austrias, also dem Madrid Österreichs oder eigentlich dem der Habsburger, die über einige Generationen von hier aus ein Weltreich regiert haben.

Haus des Geldes (2017–2021, 5 Staffeln)

Mit Álvaro Morte, Itziar Ituño, Úrsula Corberó, Miguel Herrán, Belén Cuesta u. a.

Ein genialer Bankräuber namens „Professor“ bricht mit einem Team von Spezialisten in die  Notenbank in Madrid ein und dreht den Coup des Jahrhunderts. Wir sehen die spanische Hauptstadt in all ihrer Pracht – aber auch die herrliche Hügellandschaft der Umgebung.

Die Story über den genialen Bankräuber, der sich „Professor“ nennt und im Stil von „Ocean’s 11“ eine ganze Gruppe von Spezialisten um sich versammelt, um den größten Gangster-Coup der Weltgeschichte durchzuziehen, führt uns aber schnell auch in malerisches Umfeld. Die wunderschöne Finca El Gasco, wo die sympathischen Gauner ihren Coup planen etwa, liegt in nordwestlicher Richtung in Torrelodones, mitten in einem Naturschutzgebiet am Fluss Guadarrama, und wird gerne von Hochzeitsgesellschaften – und mittlerweile auch Serienfans – gemietet.

Zu mieten: die wunderbare finca El Gasco aus Haus des Geldes

©finca el gasco

Die Gebirgslandschaft im Norden Madrids scheint es den spanischen Serienmachern wirklich angetan zu haben – denn ein weiteres  Erfolgsprojekt spielt zur Gänze dort: „Èlite“. Als Kulisse für die meisten Szenen dient  San Lorenzo de El Escorial, ein idyllisches Städtchen in der Sierra de Guadarrama. Direkt im Ort leben die Kids aus der Arbeiterklasse, an den sonnigen Hängen außerhalb sind die Villen der Bonzen – in der fiktiven Eliteschule Las Encinas treffen sie aufeinander. Intrigen, Eifersüchteleien und handfeste Verbrechen inklusive. 

In San Lorenzo ist man schon auf über 1.000 Metern Seehöhe, die Sommer sind strahlend und die Winter streng, und die gut 18.000 Einwohner hatten schon vor der Serie ein touristisches Ass im Ärmel, das vor allem bei Einheimischen sehr beliebt ist: Die Real Sitio de San Lorenzo de El Escorial, eine Palast- und Klosteranlage, die der Habsburger Philipp II. im 16. Jahrhundert erbauen ließ und die als größter Renaissance-Bau der Welt gilt.

Èlite (Seit 2018, bisher 6 Staffeln)

Mit Arón Piper, Claudia Salas, Itzan Escamilla, Miguel Bernardeau, María Pedraza, Miguel Herrán u. a.

In Spaniens elitärster Schule sorgen drei Neuankömmlinge aus der Arbeiterschicht für einige Unruhe. Einige der reichen Familien bergen dunkle Geheimnisse ... Gedreht in San Lorenzo de El Escorial nördlich Madrids. Hier findet sich auch eine der größten Palastanlagen Spaniens.

Schule macht Schule

Faszinierend ist, wie es den Drehbuchautoren – und  den Darstellern – gelingt, eine Story über mehr oder weniger verwöhnte Schüler einem wirklich großen Publikum schmackhaft zu machen. Denn es sind natürlich nicht nur Teenager, die als Zuschauer die Serie in ihre mittlerweile sechste Staffel trugen. Und wenn man den Cliffhanger der vorerst letzten Folge bedenkt, dürfte noch kein Ende in Sicht sein. Wobei man das bei Netflix ja nicht mehr wirklich mit Sicherheit sagen kann.

Und weil es so schön und erfolgreich war und ist, legten die Macher von „Èlite“ mit einer weiteren Schulserie nach. Wobei sie bei ihrem letzten Streich „Deine letzte Stunde“ den Fokus etwas mehr auf die Lehrer legten. Und sich eine für Spanier richtig exotische Gegend aussuchten ...

„Deine letzte Stunde“ spielt in Galicien, dem nordwestlichsten Zipfel des Landes. Durch den mediengerecht von Hape Kerkeling besuchten Pilgerort Santiago di Compostela und Finisterre, dem im Bestseller „Nachtzug nach Lissabon“ beschriebenen „Ende der Welt“, hat es zwar durchaus Berühmtheit erlangt, das wilde Hinterland ist allerdings weiterhin bei Einheimischen wie Touristen kaum bekannt. Und genau dorthin verschlägt es in dieser Serie eine junge Lehrerin.

Unbekanntes Spanien

Mit ihr lernen wir das 5.000-Einwohner-Städtchen Celanova kennen, unglaublich hübsch am Río Arnoia gelegen, auch die beeindruckende alte Schule, in der – natürlich – schreckliche Dinge passieren, liegt tatsächlich hier. Und so unheimlich das Örtchen für die psychisch labile Lehrerin wird, so traumhaft schön ist es in Wirklichkeit. Ebenso die heißen Quellen in der Nähe, wo sich dramatische Szenen abspielen, sie liegen nur ein wenig weiter südlich beim Dorf Bande, an der Grenze zu Portugal.

Dreh bei den heißen Quellen in der Nähe Celanovas

©JAIME OLMEDO/Netflix

Deine letzte Stunde (2020, Miniserie, 8 Folgen)

Mit Inma Cuesta, Bárbara Lennie, Arón Piper u. a.

Die junge Lehrerin Raquel versucht mit ihrem zwielichtigen Mann einen Neustart, wird aber immer tiefer in die Geheimnisse ihrer verstorbenen Vorgängerin an der Schule verstrickt. Als Kulisse dient das Städtchen Celanova am Fluss Arnoia in Galicien, dem nordwestlichsten Zipfel Spaniens. Hier liegt auch die dramatisch schöne Schlucht des Flusses Sil.

Und dann ist dort natürlich auch die tiefe Schlucht des Flusses Sil, der Cañón do Sil, dessen dramatischen Hänge zumindest Wanderern und Weinliebhabern ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Schon Julius Caesar war vom Roten aus der Gegend begeistert, heute kommt der „Ribeira“ aus dieser Gegend.

Und wie in der Serie vor dieser beinahe magischen Kulisse Vergangenheit und Gegenwart auch visuell ineinanderfließen, ist ganz großes Kino. Daran kann auch der unnötige Plot-Twist am Ende nichts ändern.

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Mehr als Gehry & Guggenheim

Nur ein Stückchen weiter nach Nordosten, und wir sind am Schauplatz einer ganz aktuellen Serie, auch was das Thema anbelangt: In „Rein privat“ brilliert die aus „Haus des Geldes“ bekannte baskische Schauspielerin Itziar Ituño als Bürgermeisterin Bilbaos, die sich einer unangenehmen Einmischung in ihr Privatleben gegenübersieht. Der in Zeiten sogenannter „Rache-Videos“ beleidigter Ex-Männer auch andere Frauen ausgesetzt sind. Zum Teil mit fatalen Folgen.

Bilbao präsentiert sich dabei als brodelnde Metropole, deren Mut zu neuer Architektur nicht mit Frank Gehrys Guggenheim Museum geendet hat. Kaum wo fügen sich Moderne und alter Glanz so harmonisch aneinander wie hier – das perfekte Umfeld für eine spannende Story um politische Interessen, Recht und Rache.

Der Traumstrand Playa Laga, an dem in der Serie ein mehr als tragisches Ereignis stattfindet, liegt ganz in der Nähe in Ibarrangelu und ist bei Surfern und Sonnenanbetern aus der Hauptstadt gleichermaßen beliebt.

Rein privat (2022, Miniserie, 8 Folgen)

Mit Itziar Ituño, Verónica Echegui, Patricia López Arnaiz u. a.

Drei Frauen werden Opfer von fiesen Cybermobbing-Attacken, in einem Fall mit tödlichem Ende. Die preisgekrönte Serie führt uns in die Architektur-Metropole Bilbao – und an einige herrliche Atlantik-Strände Nordspaniens und sogar an die des nahen Frankreichs.

Und wer sich auf den Spuren der Mystery-Serie „Las cumbres“ noch weiter nach Osten begibt, nach Navarra, stößt nahe der Kleinstadt Estella auf das uralte Kloster Santa María la Real de Irache, das als Kulisse für ein Internat dient, das etliche düstere Geheimnisse birgt.

Passend dazu der Königspalast in Estella, der als einer der ältesten romanischen Profanbauten Spaniens gilt – und natürlich die teils beinahe gespenstisch schöne Landschaft an den Ausläufern der Pyrenäen. Wobei sich auch ein Ausflug ins südliche Navarra lohnt, wo die bizarren Felsformationen der Halbwüste Bardenas Reales zu finden sind.

Las Cumbres (2021–2023, 3 Staffeln^)

Asia Ortega, Mina El Hammani, Claudia Riera, Albert Salazar u. a.

Ein mittelalterliches Kloster in Navarra, düstere Geheimnisse in einem militärisch streng geführten Internat – eine weitere der beliebten spanischen „Schulserien“. Hauptdarstellerin Asia Ortega ist mit „Sky High“ bereits im nächsten TV-Hit zu sehen.

Der Sonne entgegen?

Es gibt natürlich auch etliche spanische Serien, die uns gewohntere Urlaubsbilder ins Haus liefern. Palmen und sonnige Strände, Blütenpracht und blauen Himmel. Das berührende „Die Mädchen aus der letzten Reihe“ etwa bringt eine Gruppe von Freundinnen in den tiefsten Süden der Halbinsel, ins bei uns auch nicht allzu bekannte Cádiz an der Atlantikküste.

Das Mädchen im Schnee (2023, Miniserie, 8 Folgen)

Mit Milena Smit, José Coronado, Aixa Villagrán u. a.

Eine ungewöhnliche Kältewelle herrscht im sonst sonnigen Málaga, als  ein junges Mädchen plötzlich verschwindet. Auf der Suche nach ihr folgen wir der Journalistin Miren durch die historischen Gassen der Stadt, die von Touristen nie gesehenen Vororte – und zu den fantastischen Stränden der Umgebung.

Aber zumindest im Fernsehen sind  auch in eigentlich sonnigen Gefilden die Protagonisten nicht vor einem Gänsehaut-Tief sicher. Im Thriller „Mädchen im Schnee“ wird es in Malaga untypisch kühl – und im ungewohnten Schneetreiben kommt es zu einer folgenschweren Entführung. Die Geburtsstadt Pablo Picassos mit ihrer mächtigen maurischen Burg Alcazaba und den malerischen Gassen im Stadtzentrum spielt durchaus eine Hauptrolle in der Serie.

Und lässt vergessen, dass sie für die vielen sonnenhungrigen Costa-del-Sol-Urlauber nur ein Zielflughafen auf dem Weg zur Hotelanlage ist ...

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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