Eine Reise durch Sizilien: Mehr als ein Tanz auf dem Vulkan

Kleine Insel, große Welt. Ob großes Theater in Taormina oder Aufstieg auf den Ätna. Vorhang auf!

Epischer als hier lässt sich die imposante Leinwandfülle Siziliens vielleicht an keinem anderen Ort der Insel wahrnehmen: eine Bühne in der Bühne legt sich dem Betrachter dar – die eine von Menschenhand getischlert, die andere dahinter von der Natur als Schauspiel eingerichtet. 

Vorne also: die Theaterbretter des Antico Teatro, die tatsächliche Bühne des antiken Theaters von Taormina. Wagt der Blick sich aber darüber hinaus, weitet er sich auf eine malerische Kulisse aus: Von der sachten Anhöhe des Monte Tauro, auf dem das griechisch-antike Theater im Zentrum der Stadt gebaut ist, schaut man über die zerfallene rote Ziegelsteinmauer hinweg auf die ausgedehnte Küste des Ionischen Meeres und ihre Anhöhen im Land. In der Ferne thront wie ein schützender Wächter über allem majestätisch der Ätna – der berühmteste Vulkan Europas und längst das Sinnbild für Sizilien.

Ist das Theater ein griechisches oder ein römisches? Beides stimmt. 

Im dritten Jahrhundert v. Chr. errichteten es die Griechen, ein Jahrhundert später bauten die Römer es nach ihren Vorstellungen zurecht. 120 Meter lang ist es und 20 Meter hoch, in einem Halbkreis wurden die nach oben ansteigenden Sitzreihen in den Fels gemeißelt. An der obersten Stelle misst der Radius der Tribüne 147 Meter. 5.400 Zuschauer fanden Platz und beklatschten etwa Gladiatorenkämpfe. 

Heute finden hier noch Konzerte statt. Ob Andrea Bocelli, David Garrett oder Sting, sie alle geigten an diesem magischen Plätzchen auf. Das „ungeheuerste Natur- und Kunstwerk“ nannte Goethe das Theater in seiner „Italienischen Reise“ begeistert. Und wir erinnern uns, Woody Allen drehte an der Spielstätte, als er für den Anfang von „Geliebte Aphrodite“ den allwissenden griechischen Chor auftreten ließ.

Eine Bühne wie keine andere: das antike Theater in Taormina mit Blick auf das Ionische Meer und den Ätna

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Greta Garbo liebte Taormina

Die Reichen, Begabten und Gekrönten haben Taormina immer schon geliebt. „Die Perle Siziliens“ nennt man es. König Kaiser Wilhelm II. genoss das milde Winterklima, für Kaiserin Sisi wurde sogar der Bahnhof ausgebaut, die Rothschilds waren hier, Brahms und Wagner, Thomas Mann und Truman Capote. Das Taormina Film Fest zieht die Hollywood-Elite an wie ein Magnet. Einst Greta Garbo, Marlon Brando, Audrey Hepburn, Sophia Loren, Ingrid Bergman, Jack Nicholson. Später Tom Cruise und Sandra Bullock, Robert De Niro und Nicole Kidman oder Michael Douglas. Ihnen allen war das Teatro Antico eine Traumkulisse für ihre Premieren. Heuer zu Gast war Sharon Stone, sie erhielt den Preis für ihr Lebenswerk. Für das Revival von Taormina als Reiseziel ist auch Hollywood mitverantwortlich: Im Ort und im Luxushotel „San Domenico Palace“ wurde die Superreichen-Serie „The White Lotus“ gedreht.

Taormina wird nicht umsonst „Die Perle Siziliens“ genannt. Schon Kaiserin Sisi liebte es hier

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Kulinarisch genießen

Das mag manchen noch mehr Lust auf Taormina gemacht haben. Das Örtchen am Hang ist touristisch bestens besucht, Menschen strömen durch die Hauptstraße Corso Umberto und shoppen genussvoll in den Geschäften zwischen den Stadttoren Porta Catania und Porta Messina. Doch das macht nichts: Zu später Stunde das bunte Treiben zu beobachten, die verliebten Pärchen und hupenden Cinquecentos ist schon sehr viel Italien-Glück. Bei zweiterem Stadttor gibt es übrigens auch das beste Eis der Stadt zu schlecken, in der Gelateria Caffetteria Don Diego. 

Auch gut: La Granita, eines der Nationalgerichte Siziliens, das man hier zum Frühstück bestellt und neben den Italienern verzehrt, bevor sie zur Arbeit gehen. Es ist eine Art halbgefrorenes Eis-Sorbet, das mit Zitrone, Mandeln oder Kaffee zubereitet werden kann und mit einer Brioche aus dem Glas gelöffelt wird. Zu raten ist, die Geschmacksrichtung Pistazie zu probieren, immerhin sollen am Fuße des Ätnas die besten Pistazien der Welt gedeihen. Und wenn wir schon bei Nationalgerichten sind: Auch die Arancini darf man sich auf Sizilien keinesfalls entgehen lassen, knubbelige Reisbällchen, zum Beispiel mit Käse und Ragù gefüllt und frittiert. Molto bene!

Eisig: La Granita heißt das Sorbet in unterschiedlichen Geschmäckern, das die Sizilianer gern zum Frühstück essen  

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Solcherart gestärkt begibt man sich naturalmente an den Strand. Und an den geht es in Taormina mit der Seilbahn. Einmal einsteigen, bitte! Und schon darf man wählen: Soll es die berühmte Isola Bella sein, eine kleine Insel, durch einen sachten Sandstreifen vom Festland getrennt? Oder doch eher der Lida Mazzaro, die Bucht gleich nebenan, die mehr Sand und weniger Kies bietet, weniger überfüllt ist und mit dem La Pigna einen erstklassigen Beachklub vorweisen kann? Auch wen nach einigen Tagen maritimer Entspannung wieder Gusto auf etwas Abenteuer überbekommt, dem kann geholfen werden. Einfach die Flip-Flops mit festen Wanderschuhen tauschen und nichts wie rauf auf den Hausvulkan – immerhin möchte man den ikonischen Ätna nicht nur aus der Ferne bewundern.

Tanz auf dem Vulkan 

Eines vorweg: Bis vor Kurzem konnte der Ätna noch bestiegen werden, derzeit allerdings nicht. Nachdem er bereits im April hübsch anzusehende Rauchkringel in den Himmel aufsteigen ließ, spie der 3.369 Meter hohe Vulkan kürzlich Feuer, Glut und Asche. Das macht er immer wieder, größere Schäden sind nicht entstanden. Und an seiner Beliebtheit bei Reisenden werden die jüngsten Eruptionen nichts ändern. Selbst Lavaströme kann man auf einer Bergtour mitunter beobachten – entscheidend dabei sei nur, erklärt Bergführer Emiliano, auf welcher Seite man die schwarze Mondlandschaft aus erkalteter Lava und Asche-Dünen erkundet: Idealerweise steht man also nicht gegen die Windrichtung.

Die Ätna – richtig gehört, dieser sizilianische Vulkan meint im Italienischen eine „sie“, während der Stromboli beispielsweise maskulin ist – ist eindrucksvoll. Eine Kraterlandschaft, die sich aufgrund diverser kleinerer oder größerer Ausbrüche immer wieder verändert. Ebenso die Höhe des Berges.

Den ersten Teil bewältigt man per Gondel. Immer wieder wurde die Seilbahn durch Explosionen zerstört, entmutigen ließen sich die Sizilianer dennoch nicht davon. Oben auf dreitausend Meter weht dann ein kalter Sturm, dafür wird einem beim Abstieg schnell warm: Mit großen, schnellen Schritten „surft“ man rasant die Aschefelder des Vulkans hinab – ein actionreiches Hochgefühl, als würde man durch Tiefschnee rennen. Und der Lohn für die vorangegangene Mühsal des Aufstiegs. 

Einen Besuch wert: La Piscaria, der historische Fischmarkt von Catania

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Am besten startet man seine Tour von Catania aus, das bodenständig ist, aber mancherorts doch recht heruntergekommen. Doch zum einen ist der Ätna nah, zum anderen Syrakus. Wem der Parco Paterno del Toscano, ein drei Hektar großer botanischer Garten in Catania, mit seinen in Lavaströme eingebetteten Palmen, Agaven, Yuccas und Farnen an idyllischer Oase nicht ausreicht, für den lohnt sich ein Besuch in dem Küstenstädtchen. Die Altstadt der kleinen Insel Ortygia birst vor Historie und ihrer griechischen Vergangenheit; Platon lebte und wirkte in Syrakus ebenso wie Archimedes. Für Cicero war sie die „schönste aller Städte“, sie galt als mächtige und kulturell wichtige Metropole. Die Festung Castello Maniace lohnt es sich ebenso anzusehen wie den Apollontempel am Eingang zur Altstadt. 

Historisch bedeutsam und eine Augenweide: Insel Ortygia, Zentrum von Syrakus

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"No Mafia"

Was jetzt eigentlich nur noch fehlt, ist – richtig: Palermo. Die Hauptstadt. Wer von ihr spricht, denkt ganz automatisch auch an: die Mafia. Doch die Cosa-Nostra-Metropole ist heute dank des Opfer eines Attentats gewordenen Mafia-Jägers Giovanni Falcone und dem ehemaligen Bürgermeister Leoluca Orlando eine der sichersten Städte Italiens. „No Mafia“ steht an eine Häuserwand gemalt. Und so genießt man die kulturellen Schauwerte dieses einst von vielen Völkern besiedelten Ortes. Die mächtige Kathedrale aus Sandstein etwa oder das Teatro Massimo, das größte Opernhaus Italiens. Macht einen Ausflug nach Cefalù (siehe Artikelfoto, oben), in dieses charmante Städtchen mit dem schönen Strand. Flaniert durch die Straßen, lässt sich treiben durch die Gassenfluchten, bestellt sich eine Pizza und eine Flasche Nero d'Avola. Und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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