Eine andere Seite von Portugal: dichte Wälder und Einsamkeit im Hinterland der Atlantikküste

Routen für Genießer: Wunder, Wein und Wellen jenseits des Mittelmeers

Auch der andere Süden, jenseits des Mittelmeers, verführt mit kessen Kurven: in den weltberühmten Weinbergen am Douro, entlang des Atlantiks und am sogar an der Algarve.

Was ist das Glück? Bevor wir über den Flow-Zustand zu philosophieren beginnen, über Achtsamkeit, Dankbarkeit und Hingebung, behaupten wir einfach: Glück ist eine gegrillte Dorade im Restaurante Paraiso do Mar. Dort sitzt man mit unverstelltem Blick auf eine weitläufige, feinsandige Atlantikbucht, lauscht dem rhythmischen Lied der Wellen und schmeckt den Wind, wie er seine salzige Brise vom Meer hereinweht. Das einzige andere Geräusch außerhalb der Urlaubersaison ist das leichte Knirschen, wenn die Gabel das Krusterl der Dorade durchsticht.

Die Route

©Grafik

Das einzige andere Haus, das man von hier aus sieht, befindet sich an der gegenüberliegenden Spitze der Bucht: ein zweites Restaurant. Um dorthin zu gelangen, müsste man geschätzte 500 Meter Fußweg über den Sandstrand zurücklegen. Auf der Straße sind es hingegen 17 Kilometer: zurück auf die Hauptstraße, durch den Ort Aljezur und dann erneut Richtung Meer abbiegen. So ist das hier in Portugal: Man hat viel Zeit und Muße.
Zeit nimmt man besser auch mit, will man dieses Land der Seefahrer, Entdecker (und Weltfußballer) zumindest halbwegs erkunden. 600 Kilometer von der größten Stadt im Norden – Braga – bis zu ihrer Entsprechung im Süden – Faro – klingen zwar nicht beängstigend, doch die Gegensätze zwischen ihnen könnten nicht größer sein. Am Atlantikstrand sitzend kann man sich kaum vorstellen, noch vor zwei Tagen tief im Landesinneren zwischen Weinbergen gegondelt zu sein – und an der Algarve soll es nochmals ganz anders werden. Dazwischen liegen Highlights wie Porto, Lissabon, die weltberühmten Surferstrände nördlich der Hauptstadt und Bergwelten wie das Monchique-Gebirge im Süden. Wer sich diesen Kontrasten aussetzen und doch möglichst kompakt in einer guten Woche durch Portugal reisen will, der sollte die Tour in drei Abschnitte unterteilen. Und damit sind wir endlich angekommen.

Kunstvoll bemalte Fliesen – azulejos – wie hier an einer Hausmauer sind in Portugal allgegenwärtig

©Pinter Kurt

Die erste Etappe beginnt in Porto, der zweitgrößten Stadt des Landes. Wie so oft befindet sie sich im Wettstreit mit der Hauptstadt. Wer hat mehr Charme, Kultur, Lebensart? Wir würden für Porto voten. Die Lage an der Douro-Mündung, die eiserne Brücke im Eiffel-Stil und die Innenstadt mit den gekachelten Hausfassaden wirken nicht nur pittoresker, sondern auch beschaulicher als das immer hektische Lissabon.Für eine Stadterkundung lässt man die Motorräder am besten bei der Kathedrale stehen und spaziert den Hügel durch die Altstadt hinunter ans Flussufer, wo man auf jede Menge Cafés und Lokale trifft. Es geht touristisch zu, was nicht immer schlecht sein muss.

Die Brücke Luís I in Porto überspannt den Douro

©Pinter Kurt

Für einen Ausflug auf die andere Seite des Flusses startet man dann doch besser wieder die Mopette. In Vila Nova de Gaia warten die alten Lagerhäuser, in denen der berühmte Portwein reift. Fast jede große Marke ist hier vertreten und bietet auch Führungen und Verkostungen an. 
Für uns ergibt sich eher die Inspiration, den wirklichen Ursprüngen des Portweins nachzuforschen. Die Route ist denkbar einfach: Man muss nur dem Flusslauf ins Hinterland folgen. Auf den gut 100 Kilometern ins Landesinnere ändert sich die Landschaft mehrmals: Nach dem raueren Atlantik-Klima wird’s milder, bis sogar Orangenbäumchen am Wegesrand stehen. Und dann wandelt sich die Landschaft nochmals ins Karge, und die ersten Reben säumen die terrassierten Hügel. Ab Peso da Régua wird’s dann ernst mit dem Weinanbau, und man dringt in das Unesco-Weltkulturerbe des Alto Douro ein – eine Art Wachau im X-Large-Format.

Eine nette Möglichkeit für ein Päuschen bietet sich in Tabuaço, ein paar Kilometer südlich des Douro-Tals. Zum einen ist die Auffahrt ein Kurven- und Aussichtsspektakel, zum anderen kocht hier ein Österreicher: der Tiroler Thomas Egger. Und keine Sorge: Man muss nicht befürchten, hier Speckknödel zu bekommen. Egger ist mit einer Portugiesin verheiratet und huldigt der heimischen Küche. Außerdem baut er Wein an, presst Oliven zu hervorragendem Öl und handelt mit Korken, die er auch an österreichische Winzerkollegen verschickt.

Kulturlandschaft: An den Ufern des Douro finden sich Wein und Oliven auf pittoresken Terrassen 

©Pinter Kurt

Solchermaßen gestärkt geht die Rückreise nach Porto über ein weiteres Kurven-Mekka: Von Pinhão im Douro-Tal nach Norden bis Sabrosa, Geburtsstadt von Ferdinand Magellan, dem ersten Weltumsegler (wenn auch im Auftrag Spaniens).
Ach ja, das Meer. Zeit, wieder an die Ufer zurückzukehren. Die Weiterreise nach Lissabon ist dafür wunderbar geeignet: Immer hart am Ufer, durch Pinienwälder und entlang felsiger Klippen freuen sich das Auge und die Harley, die munter durch die Lande blubbert.Eine schöne Gelegenheit, wieder Kraft in Fischform zu tanken, bietet Nazaré mit pittoresker Oberstadt und weiter Promenade unten am Meer. Am nördlichen Stadtrand – am Praia do Norte – kann man bei richtigen Bedingungen eine Besonderheit beobachten: die höchste surfbare Welle der Welt. 2011 wurde hier mit 23 Metern der Guiness-Weltrekord aufgestellt, zeitweise erreicht die Welle aber sogar bis zu 35 Meter. Kein Wunder, dass sich hier vieles ums Surfen dreht, genauso wie ein paar Kilometer weiter südlich in Peniche.

Zum Motorradfahren wird’s allerdings erst noch weiter südlich richtig interessant: in den Bergen von Sintra, westlich von Lissabon. Die mit teilweise fast kitschig bemalten Palästen gespickten Wälder rund um die Kleinstadt gehören ebenfalls zum Unesco-Weltkulturerbe – und die Straßen, die das Gebiet zwischen Cabo da Roca (dem westlichsten Punkt Festland-Europas) und Estoril durchziehen, schmecken der Harley und ihrem Fahrer. Beste Möglichkeit, um in Lissabon anzukommen, ist die Fahrt entlang der Küste, vorbei an den weiten Sandstränden von Guincho über Cascais und zu der Stelle, wo das Meer in den Fluss Tejo übergeht.
Und dann Lissabon, was wieder eine eigene Geschichte wäre: mit seiner ganz speziellen Lokalszene, dem Fado, den Museen und den Cafés in der Altstadt und am Meer. Kulinarisches Must-See ist auf jeden Fall der 2014 renovierte Mercado da Ribeira (siehe Leben entlang der Route).

Schöne Aussicht auf Porto und den sandigen Praia do Cabedelo vom südlichen Ufer der Douro-Mündung

©Pinter Kurt

Einen anderen Tipp haben wir von einem freundlichen Motorradpolizisten bekommen: Bei der Weiterfahrt in den Süden nach ein paar Kilometern von der Autobahn Richtung Azeitão abbiegen – und dort den Hinweisschildern nach „Arrábida“ folgen. Das ist ein kleiner Höhenzug mit fantastischen Kurven, grandiosen Ausblicken und einer charmanten Steilküste im Süden.
Folgt man ihr, gelangt man nach Setúbal, dessen einziges Highlight der Fährhafen nach Tróia ist. Die kurze Schiffspassage ist eine schöne Abwechslung, auch wenn die Weiterfahrt auf der Halbinsel eher geradlinig erfolgt. Immerhin zählen die Strände auf Tróia zu den schönsten in ganz Portugal (wovon man auf der Straße allerdings nichts bemerkt).

Für uns geht’s weiter in den Süden, vorbei an Sines, dem Geburtsort eines weiteren Seefahrers: Vasco da Gama entdeckte als Erster den Seeweg nach Indien. Wir entdecken hingegen endlich die Algarve, mit all ihrem südlichen Charme, den Stränden und Felsen. Die Schönheit zieht natürlich auch die Massen an, es ist nicht leicht, hier einen ruhigen Flecken zu finden, inmitten der heftigen Verbauung.
Motorradfahrer wollen aber ohnehin lieber Kurven entdecken. Wir konsultieren die einheimischen Kollegen vom Algarve Chapter. Ihre freundliche Empfehlung ist die Strecke von Loulé (nordwestlich von Faro) über Salir Richtung Norden (Malhão) bis Almodóvar: kaum Verkehr, tolle Radien und weite Blicke bis ans Meer.

Schroffe Fels- formationen und wilde Wellen an der Atlantikküste: gut für Fischer und mutige Surfer 

©Pinter Kurt

Etwas frequentierter, aber noch verwinkelter ist das Monchique-Gebirge, das mit dem 902 Meter hohen Fóia den höchsten Gipfel des Südens besitzt. Die Anfahrt beginnt in Portimão, welche Route man dann wählt, ist fast egal: Kurven und Kehren gibt’s hier überall, genauso wie einen herrlichen Panoramablick, wenn der Gipfel nicht in Wolken oder Hochnebel gehüllt ist. 
Die vielleicht schönste Strecke führt aber entlang des südlichen Bergrückens nach Westen, über Marmelete nach Aljezur. Hier begleiten einen wieder Orangenbäume und mediterrane Gewürze, dazu findet man vereinzelte Korkeichen, Ginster, alte Steinhäuser, bis man schließlich den Atlantik vor sich ausgebreitet sieht und weiß: Unten liegt Aljezur. Und nördlich von Aljezur liegt die Praia da Amoreira.
Und dort wiederum wartet schon eine Dorade im Restaurante Paraíso do Mar. Was für ein Glück! 

Hotel- und Restauranttipps für eine gelungene Reise

Die Anreise ist, wenn man nicht über eine gebuchte Tour mit Motorradtransport ins Land kommt, lang und mühselig. Unser Tipp: Das Motorrad (neue BMW) kann man in Malaga über den Österreicher Johannes Suppan und seine Firma hispania tours mieten und von dort nach Portugal fahren. Johannes veranstaltet auch geführte Portugal-Touren.
hispania-tours.de

Die beste Reisezeit erstreckt sich von Mitte April bis Ende Oktober – und den Sommer sollte man wegen der Hitze und der Touristenströme auch meiden. Im Norden kann es auch im späteren Frühjahr oder im frühen Herbst ungemütlich werden: Der Atlantik schickt gerne Regenwolken.

Portugal ist touristisch bestens erschlossen. Man findet vom puren Luxus übers günstige Businesshotel bis hin zu Boutique-Hotels und kleinen Pensionen alles, was das Urlauberherz begehrt.
Zwei Tipps, beide nicht allzu billig: Das cool designte Altis  Belém Hotel am Ufer des Tejo in Lissabon mit tollem Spa und preisgekröntem Restaurant sowie die Vila Joya in Albufeira an der Algarve: Wahnsinnsterrasse am Meer und zwei Michelin-Sterne dank des Vorarlberger Starkochs Dieter Koschina (selbst auch passionierter Motorradfahrer).
altishotels.com
vilajoya.com

Noch ein paar kulinarische Kurztipps: 
In Lissabon oder Cascais unbedingt einen Eissalon von Santini besuchen. www.santini.pt
Im Dourotal Portwein in der Quinta do Tedo verkosten. 
quintadotedo.com
Und an der Praia da Amoreira in Aljezur einen Fisch mit fantastischer Aussicht im Restaurante Paraíso do Mar essen. 

Ein Must-See ist auch der Mercado da Ribeira in Lissabon. Kein Markt im klassischen Sinn, sondern lauter kleine Restaurants und Spezialitäten-Geschäfte (Schinken, Wein!) mit gemeinsamen Tischen in der Mitte.
timeoutmarket.com

Peter Schönlaub

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