Routen für Geniesser: Zu den flüssigen Schätzen Istriens
Von Amphoren, Römern, altösterreichischen Spuren – und grünem Gold in neuer Qualität.
Die Anreise ins Zielgebiet der bevorstehenden Route kann über verschiedene Strecken erfolgen. Aber egal, ob man via Spielfeld, den Karawankentunnel oder Triest fährt, spätestens in Slowenien empfiehlt es sich für den Genussreisenden, dem der Weg das Ziel ist, die Option „Autobahn meiden“ auf dem Navi anzuklicken. Sich den gewundenen Nebenstraßen anzuvertrauen hilft dabei, in jeder Hinsicht das Tempo rauszunehmen und vom Fahrer zum Reisenden zu werden. So kommt man schon mit einer der Idylle des Ortes angepassten Stimmung am ersten Stützpunkt der Route für Genießer zu den flüssigen Schätzen Istriens an.
Das „San Canzian Village & Hotel“, auf den Hügeln zwischen Buje und Mužolini Donji gelegen, mit Blick über Wälder, Weingärten und Olivenhaine bis zum nahen Meer, ist ein idealer Ort, um runterzukommen und allfällig noch vorhandene Reste von Alltags-Stress abzubauen. Die Gebäude einer ehemaligen Festung aus dem 14. Jahrhundert sind vor kurzem zu 25 Zimmern und kleinen Suiten umgebaut worden. Deren geschmackvolle Ausstattung verbindet die Anforderungen an ein modernes Luxushotel mit dem Charme der alten Steinhäuser Istriens. Dies alles eingebettet in einen mit sehr viel Liebe zum Detail angelegten Garten samt Pool und vielen Rückzugsräumen.
Ganz in der Nähe vom San Canzian kann man mit der Erkundung eines Schatzes Istriens beginnen, den schon die Römer zu nutzen wussten. Die Rede ist vom Olivenöl, das hier seit tausenden Jahren produziert wird, derzeit aber eine Renaissance unter neuen Vorzeichen erlebt. Die Hinwendung vieler erst in den Jahren nach dem Zerfall Jugoslawiens gestarteter Produzenten zu hochwertigen Ölen aus strikt biologischem Anbau schlägt sich mittlerweile in weltweiter Beachtung durch Kenner, Köche und Gourmets nieder.
Ein Musterbeispiel für diese neue Bewegung kann man nur rund 20 km entfernt vom San Canzian in Richtung Savudrija erleben, bei dem kleinen, sehr persönlich geführten Produzenten Oma Jola. Dort trifft man mit Michael Pavlović auf einen in München aufgewachsenen Kroaten, der die von seinen Eltern nach der Jahrtausendwende gegründete Bio-Olivenölproduktion heute leitet. Bei dessen Führung und Verkostung seiner Öle erfährt man nicht nur viel über die Grundlagen einer strikt der Qualität statt der Quantität verpflichteten Olivenölproduktion, sondern lernt auch, wie man gutes von schlechtem Öl unterscheidet. Und warum man für den Privatgebrauch keines in großen Flaschen kaufen sollte.
Als interessantes und ebenso gesundes wie wohlschmeckendes Nebenprodukt stellt Michael Pavlović übrigens Olivenblätter-Tee her. Diese rare Spezialität kann zwar auch in seinem Webshop erstanden werden. Ein Besuch bei Oma Jola samt Führung durch den Chef und Einkauf direkt ab Hof ist dem aber allemal vorzuziehen.
Bekommt man bei Oma Jola einen guten Eindruck davon, wie ein Familienbetrieb mit absolutem Qualitätsanspruch arbeitet, so kann man einen Steinwurf über die Olivenhaine entfernt beim Ölproduzenten Mate erleben, wie sich natives Bio-Olivenöl auch in größeren Dimensionen herstellen lässt. Kurz vor der Jahrtausendwende von dem damals 75-jährigen Mate Vekić mit der Pflanzung der ersten Olivenbäume gegründet, produziert Mate heute sieben verschiedene Bio-Olivenöle. Trotz der Größe des Betriebes kann man Führungen und Verkostungen mit fachmännischer Anleitung bei Mate auch ohne komplizierte Voranmeldung bekommen.
Den Blick auf natives Bio-Olivenöl durch die Besuche bei den beiden so unterschiedlichen, wenn auch dem identen Ziel verpflichteten Produzenten geschärft, wird es Zeit, dessen Meriten abseits des Verkostungsbechers zu ergründen.
Ein idealer Platz dafür ist das Fischrestaurant Badi etwas außerhalb des Trubels von Umag in Richtung Novigrad. In dem von außen unscheinbaren, aber kulinarisch hochdekorierten Restaurant (3 Hauben vom kroatischen Gault-Millaut) wird großer Wert auf eine hochwertige Auswahl an Olivenölen gelegt. Das zeigt sich nicht zuletzt durch eine Batterie von gleich vier geschmacklich verschiedenen Ölen, die zur Verkostung oder selbsttätigen Verfeinerung der Speisen zum Tisch gebracht werden.
Tipp: Wollen alle Beteiligten das exquisite Dinner bei Badi nicht nur mit Öl- sondern auch mit der entsprechenden Weinbegleitung entspannt genießen, kann man sich auch Zimmer direkt über dem Restaurant für die Übernachtung mieten.
Konzentriert sich der Chauffeur mehr auf die Qualitäten der Küche als auf den gereichten Wein, steht der kurzen Rückfahrt hinauf in die Ruhe des San Canzian aber nichts im Wege.
Nach einer ruhigen Nacht (wer die „Romantic Suite“ gebucht hat, sollte kein Problem mit Stiegen haben – auch um vom Badezimmer ins Bett zu kommen, ist eine zu bewältigen) und einem kleinen Frühstück in gediegenem Rahmen auf der Terrasse mit Blick auf Garten, grüne Hügel und das Meer am Horizont steht die weitere Erkundung der Umgebung an. So findet sich nur rund 15 Autominuten entfernt mit dem Spitzen-Weingut Kabola in der Nähe von Momjan einer der interessantesten Weinproduzenten Istriens.
Die Familie Markežić (Weinbauern seit 1891) hat hier nicht nur ein schmuckes Weingut auf einem Hügel mit Blick bis hinüber auf die Bucht von Piran geschaffen. Als Spezialität des Hauses produziert man biologischen Naturwein in Amphoren, die sich Marino Markežić in Georgien extra fertigen hat lassen. Ist der Jahrgang gut, kommen nur die besten, absolut unversehrten Trauben ohne Rispen in riesige, in der Erde eingegrabene Amphoren und werden dort der natürlichen Gärung überlassen. Erst danach werden sie gepresst und der Wein wird noch einmal für Monate in Eichenfässern gelagert, bis er drei Jahre nach der Ernte auf den Markt kommt.
Alleine schon diese Spezialität ist einen Besuch bei Kabola wert. Aber auch eine von lokalen Spezialitäten begleitete Verkostung an einem der Tische im Garten mit Blick auf die Weingärten zählt zu den genussvollsten Programmpunkten so einer Route durch Istrien.
Allerdings ist dabei etwas Zurückhaltung geboten, sofern man vorhat, danach die Konoba Buščina im gleichnamigen Ort anzulaufen. Vor allem, wenn man bei Signora Fabiana eine Peka vorbestellt hat. Für diese kroatische Spezialität sollte man nämlich ausreichend Hunger mitbringen. Je nach Saison wird dabei in einer speziellen Eisenpfanne mit domartigem Deckel stundenlang bei offenem Feuer geschmort, was gerade angesagt ist. Zum Beispiel Capretto (Zicklein) mit Kräutern und Erdäpfeln. Wozu einer der kräftigen Rotweine von Kabola hervorragend passt.
Für Auto- und Technikinteressierte lohnt sich danach ein Abstecher nach Motovun, auch wenn dieser auf einem Hügel über der Ebene thronende Ort in der Hochsaison ein Magnet für Touristenmassen ist. Wie auch das in der Nähe gelegene pittoreske Hum, wo man es geschafft hat, sich als „kleinste Stadt der Welt“ international zu vermarkten.
Motovun bzw. Montona, wie es auf Italienisch heißt, ist nicht nur der Geburtsort der italo-amerikanischen Rennfahrer-Ikone Mario Andretti, dessen italienischstämmige Familie aus Istrien via die Schweiz in die USA emigrierte (wovon sogar eine kleine Gedenktafel auf seinem Geburtshaus zeugt).
Aus (alt-)österreichischer Sicht ist Motovun interessant, weil hier Josef Ressel im Jahr 1835, seines Zeichens k. k. Forstbeamter, seinen Dienst als Oberförster angetreten hat. Sechs Jahre nachdem im Hafen von Triest das weltweit erste, von einer Schraube angetriebene Schiff seine Jungfernfahrt unternommen hatte. Ressel, der Erfinder des revolutionären Antriebes, verlor aber in Folge durch seine nicht sehr glückliche Hand als Vermarkter seiner Erfindung nicht nur die Rechte daran, sondern hatte auch mit einer englischen Kopie zu kämpfen. Als die offiziellen Stellen in Wien schließlich auf Betreiben eines mit Schaufelraddampfern operierenden Konkurrenz-Unternehmers weitere Versuchsfahrten mit Ressels Prototypen-Schiff Civetta untersagten (das später den Weg auf den Fünfhundert-Schilling-Schein finden sollte), zog sich der enttäuschte Erfinder zurück in die Berge nach Motovun.
Andere Spuren Altösterreichs warten rund 75 Kilometer südlich vom San Canzian, gegenüber vom Hafen des Küstenortes Fažana. Für die Fahrt dorthin empfiehlt sich vor allem dann die Autobahn ab Umag, wenn man eine der ersten Fähren erwischen will, die am Morgen in Richtung der vorgelagerten Brioni-Inseln ablegen. Das bringt eine satte Zeitersparnis gegenüber der Landstraße, und für frühmorgendlichen Zeitgewinn kann man einmal eine Ausnahme machen.
Das hat auch den Vorteil, dass man noch einen der Parkplätze direkt an der Uferpromenade bekommt. Gezahlt wird dafür im Vorhinein an der Parkuhr (auch mit Kreditkarte). Sich an dem Fahrplan der Fährschiffe orientierend, sollte man für den Besuch auf Brioni zwischen drei und fünf Stunden einplanen.
Die Überfahrt dauert nur eine Viertelstunde. Vom Anlegeplatz im kleinen Hafen der Hauptinsel begibt man sich am besten zuerst in das ehemalige Bootshaus, ein markanter Art-déco-Bau der Jahrhundertwende. Damit vermeidet man das Anstellen bei den Verleihpunkten der Fahrräder oder Golf-Carts, mit denen man die Insel erkunden kann. Bis sich die Warteschlange der mit dem gleichen Fährschiff angekommenen Tagesgäste auflöst, kann man sich in der kleinen, aber sehr informativ und interaktiv gestalteten Ausstellung einen guten Überblick über die Geschichte der Brioni-Inseln verschaffen.
Und diese wurde ganz entscheidend vom Altösterreicher Paul Kupelwieser und seiner Familie geprägt. Der ehemalige Manager der Witkowitzer Eisenwerke kaufte 1893 die Brioni-Inseln einem Schweizer Steinbruchbesitzer ab und setzte seine Pläne, daraus ein kleines Paradies für die gehobene Gesellschaft der K.-u.-k.-Monarchie zu schaffen, mit viel Geschick und Hartnäckigkeit um. Sein Einfluss auf das heutige Aussehen der inzwischen vom kroatischen Staat zu einem Nationalpark erklärten Inseln war wesentlich nachhaltiger als der einer allgemein bekannteren Epoche. Nämlich jener, als der jugoslawische Staatschef Tito Brioni als repräsentative Privatinsel nutzte, auf der er vorzugsweise unter den Scheinwerfern der Weltpresse seine Staatsgäste empfing.
Auf den von Kupelwieser angelegten breiten Spazierwegen, entlang derer die von ihm gesetzten Bäume bis heute Schatten spenden, kann man bei einer Umrundung erahnen, welcher Luxus ein Aufenthalt auf Brioni für die hochwohlgeborenen Genussreisenden der vorletzten Jahrhundertwende gewesen sein muss.
Den heutigen, weniger hochwohlgeborenen Genießer zieht es aber nach einer ausführlichen Erkundung der Hauptinsel mit entsprechend ehrfurchtsvoller Würdigung des vor 1.600 Jahren von den Römern gepflanzten Olivenbaumes (der heute immer noch Früchte trägt) wieder zurück aufs Festland, um mehr über Olivenöl in der Anwendung zu erfahren. Und dieses Wissen mit passendem kulinarischen Genuss zu verbinden, den ein Besuch bei den Brüdern Chiavalon zu bieten hat. Sandi und Tedi haben sich der Produktion hochwertigen Olivenöls aus biologischem Anbau verschrieben. Ihr vor Kurzem neu errichteter Betrieb samt Verkostungsmöglichkeit und Shop, direkt an der Bundesstraße rund 20 km nach Rovinj vor der Einfahrt nach Vodnjan gelegen, zeigt, dass sie dabei erfolgreich sind.
Nach einer Tour durch den Betrieb samt professioneller Verkostung unter der Leitung von Tedi Chiavalon ist man als bisher eher unwissender Konsument einen großen Schritt weiter auf dem Weg zum bewussten Genießer von ausschließlich gutem Olivenöl. Auch hier lernt man wie schon bei Oma Jola und Mate auf die wichtigsten Merkmale von unverfälschtem Olivenöl zu achten. Durch die kompetente Aufklärung Tedi Chiavalons der Möglichkeit beraubt, jemals wieder billiges Olivenöl aus dem Supermarkt verwenden zu können, zieht der freudvoll geläuterte Genießer weiter nach Rovinj.
Dort, im etwas außerhalb des Ortes direkt an einer kleinen Bucht gelegenen Hotel Monte Mulini, gibt man den Autoschlüssel kurzfristig gerne ab, um nach so vielen Erfahrungen im spannenden Hinterland Istriens dem Meer ganz nahe zu kommen.
Nach einem Spaziergang entlang der direkt vor dem etwas erhöht gelegenen Hotelgarten vorbeiführenden Promenade (auf der man in rund 20 Minuten zu Fuß bis in die Altstadt von Rovinj kommt) bietet sich ein Dinner im Restaurant des Hotels als adäquater Ausklang eines intensiven Tages an. Das Essen im „Wine Vault“ entspricht dem 5-Sterne-Niveau des Monte Mulini und wird von den guten Geistern des Hauses höchst motiviert serviert.
Am nächsten Tag lohnen die rund 40 Minuten Fahrzeit nach Pula, um weitere Spuren römischer und altösterreichischer Geschichte zu erkunden, die Istrien bis heute prägen. So ist etwa die von den Römern zur gleichen Zeit wie das Kolosseum in Rom erbaute Arena einen Besuch wert. Nicht zuletzt, weil man im Keller wieder auf Amphoren trifft, die man auf Brioni in der antiken und beim Weingut Kabola in der heutigen Anwendungsform schon gesehen hat. Hier wird einem eindrucksvoll vor Augen geführt, wie lange schon die Geschichte Istriens von Oliven und Wein geprägt ist. Der Berg von unterschiedlich geformten Amphoren, die man aus dem Kanal zwischen Fažana und Brioni geborgen hat, zeigt, wie wichtig die beiden Genussmittel den Römern gewesen sind. Diese hatten bei Fažana eine Amphoren-Produktion hochgezogen, um das Olivenöl von hier in alle Teile des Reiches transportieren zu können.
Neben den baulichen Spuren der Römer von der Arena bis zu gut erhaltenen Stadttoren und Triumphbögen prägen auch altösterreichische Spuren das Stadtbild. Der einstige Haupthafen der K.-u.-k.-Kriegsmarine wurde von der Monarchie entsprechend ausgebaut, was heute noch an allen Ecken von Pula zu sehen ist. Von dem als Schutzeinrichtung gegrabenen Tunnel unter der Stadt, der als „Via Zero“ heute weiterhin benutzbar ist, bis zu dem die Stadt überragenden Kastell, von dem sich der beste Blick auf den historisch so bedeutenden Hafen bietet – der bei K.-u.-k.-Nostalgikern immer noch das Bild der dort sinkenden Viribus Unitis heraufbeschwört.
Nach einem Bummel durch die Fußgängerzone der Altstadt samt dem Besuch der eindrucksvollen Markthalle ist es Zeit für den Rückzug in ruhigere Gefilde. Samt der Option auf die Umsetzung der auf dem Markt bewunderten Produkte in kulinarisch ansprechende Gerichte. Eine exzellente Möglichkeit zur Kombination dieser Aspekte bietet sich etwas versteckt auf halber Strecke zurück nach Rovinj in der Nähe von Bale. Dort findet man sich plötzlich auf einem einspurigen Schotterweg mitten in der Wildnis wieder, ehe man zum Relais & Chateaux Hotel Meneghetti einbiegt. Diese luxuriöse Hotelanlage mit kleinen Steinhäusern samt privaten Vorgärten (manche mit Pool) und allem heute in dieser Liga erwartbaren Nebengeräuschen (vom Spa bis zum Gourmet-Restaurant) liegt eingebettet zwischen dem hauseigenen Weingarten und dem Olivenhain als Rückzugsgebiet vom hektischen Getriebe der Welt. Man muss aber dort nicht wohnen, um sich eine kurze, kulinarisch erhebende Auszeit gönnen zu können. Im Sommer wird auf der schattigen Terrasse über dem Pool serviert, im Winter oder bei schlechtem Wetter im gediegen eingerichteten Restaurant im Haupthaus – und das gegen Voranmeldung eben nicht nur für Hausgäste.
Nachdem er die Ruhe-Oase des Meneghetti wieder verlassen hat, steht dem Genießer jedenfalls kaum der Sinn nach dem touristischen Trubel der brodelnden Lokalszene in der Altstadt von Rovinj. Ein entspannter Abschluss der Route zu den flüssigen Schätzen Istriens könnte dann etwa im Restaurant Mediterraneo des Monte Molini zelebriert werden. Mit Blick auf das Meer – und der Sicherheit, für den Weg zurück ins Zimmer kein anderes Verkehrsmittel mehr zu benötigen als den Hotelaufzug.
Von Horst Bauer
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