Schöne alte Welt: Was man in Kambodscha gesehen haben sollte

Drei Tage – das ist die durchschnittliche Zeit, die Touristen für Kambodscha einrechnen. Das mag für die Tempelanlagen von Angkor reichen, aber nicht für Phnom Penh, die Inseln und die coolste Nachbarschaft Asiens.

Von Nicola Afchar-Negad

Der Fahrer ist weiß livriert, das Getränk in der Mittelkonsole gekühlt, der Mercedes ein Relikt der 1960er-Jahre: Wer so vom Flughafen in Siem Reap abgeholt wurde, wird in den ersten Minuten vielleicht ein wenig brauchen, um auch gedanklich anzukommen, insbesondere, wenn er vielleicht kurz zuvor noch den Stopover in Bangkok mitgenommen hat. Kambodscha ist das Kontrastprogramm. Nicht, dass die Menschen hier unfreundlicher wären als in Thailand, dem Südostasien-Tor vieler Mitteleuropäer, aber sie wirken authentischer. Und nicht, dass die Landschaft hier weniger üppig und exotischer wäre, aber sie ist auch ein wenig rauer.

Wer durch die getönten Scheiben der Limousine die ersten Blicke nach draußen wirft, wird schnell verstehen: Hier ist man in einer anderen Welt gelandet. In einem Südostasien, das noch ursprünglicher ist, wenn auch nicht mehr überall. Die Architektur (insbesondere in der Hauptstadt Phnom Pen) erinnert an die Zeiten französischer Kolonialherrschaft, das Baguette in der Bäckerei ebenso. Es gibt Parallelen zum benachbarten Vietnam und dem ebenso touristisch eher überschaubaren Laos – viel mehr als zum entfernten Cousin Thailand.

Kambodscha kann auch cool

Ta Prohm: Die Natur holt sich dieses Stückchen Erde zurück – der Besuch ist fast abenteuerlich

©Getty Images/iStockphoto/Travel Wild/iStockphoto

Kambodscha hat eine harte Zeit hinter sich, die Schreckensherrschaft der Roten Khmer hat das Land für immer verändert, das spürt man auch als Tourist und das sorgt durchaus immer wieder für ein kurzes Innehalten auf der Reise vom Norden zum Süden, selbst wenn man touristische Orte wie die „Killing Fields“ auslässt. Es gibt aber auch den neuen Cambodian Cool mit namhaftem Strandresort und hippem Stadtviertel. Das Land in seiner Sandwich-Position zwischen Thailand, Laos und Vietnam hat sich gemacht, es hat sich emanzipiert.

Das „Song Saa Private Island Resort“ galt bei Eröffnung 2012 als Wegbereiter der Luxushotellerie in dieser Region

©Song Saa Private Island

Angkor what?

Angkor ist nicht mehr der alleinige Grund für die Anreise, zumindest nicht für alle. Wenn Hotels und Resorts wie das „Six Senses“; „Hyatt Regency“ und „Amansara“ im Reisebusiness mitspielen, dann weiß man: Hier tut sich etwas. Manch einer mag das kritisch sehen – für die Bevölkerung des Landes ist es eine bedeutende Einnahmequelle, insbesondere nach den harten Pandemie-Jahren. Die Zahlen: Alleine in den ersten sieben Monaten des Jahres 2022 besuchten 740.000 Menschen das Land – ein Plus von 560 % zum Vergleichszeitraum 2021. Angkor what? Bleiben wir zuerst in Siem Reap, der heimlichen Hauptstadt des Landes. Die Tempelanlage von Angkor ist natürlich das Maß aller Dinge und wird es auch bleiben. Nicht ohne Grund ist Kambodscha das einzige Land mit einem Bauwerk auf der Flagge. Unglaubliche 400 km² umfasst das Areal, gesprenkelt mit unzähligen Tempeln (letzte Statistiken nennen über tausend), von denen Angkor Wat nur der bekannteste ist. Um es noch einmal deutlich zu sagen: einer von über tausend bekannten.

Das Hotel „Six Senses Krabey Island“ liegt einige Stunden entfernt von  Phnom Penh 

©KIATTIPONG PANCHEE

Dicht gefolgt auf Platz zwei der Beliebtheitsskala: der Dschungeltempel Ta Prohm, dem Angelina Jolie als Lara Croft zu Weltruhm verholfen hat. Tatsächlich kann man hier auch als Nicht-Filmstar in Action-Manier von den Mauern springen, nur wenige Ecken sind abgesperrt. Man lässt sich treiben, kann ohne viele Einschränkungen in eine über tausend Jahre bestehende Kultur eintauchen, sich von überdimensionalen Sandstein-Relief-Gesichtern verfolgt fühlen und versuchen, die kecken Makaken-Äffchen abzuschütteln. Angkor ist ein Abenteuer, bis heute. Hier und da sieht man kleine Plaketten, die von Partnerschaften und Sponsoring erzählen und dem Versuch das UNESCO-Weltkulturerbe auch weitere tausend Jahre zu erhalten.

Die Tipps für den Besuch des archäologischen Parks gleichen sich immerzu: So früh wie möglich kommen, im Morgenlicht sei besonders Angkor Wat mit dem vor ihm liegenden Gewässer, in dem sich die Anlage spiegelt, geradezu magisch. Das stimmt fraglos – aber das wissen mittlerweile auch alle. Wer auf dieses Standard-Fotomotiv verzichten kann, tut gut daran, mit dem Rikscha-Fahrer – oder auf dem Leih-Fahrrad – seinen eigenen Weg zu finden.

Im Amansara wird regional gekocht

©Amansara Cambodia/Aman Group S.a.r.l.

Das Luxusresort „Amansara“ etwa bietet seinen Gästen spezielle „Experiences“ mit exklusiven Zugängen zum Areal der Tempelanlage. Und eine Anfahrt im perfekt temperierten Mercedes versteht sich.

Sehenswert: Land und Stadt

General Manager MJ Birch, der seit August vergangenen Jahres für das Haus tätig ist, weiß, dass Angkor in seiner Bedeutung für den Tourismus eine uneinnehmbare Festung ist, aber auch, dass Siem Reap – und Kambodscha an sich – noch weit mehr zu bieten hat. „Wo soll man da beginnen?“, lacht er. „Untertags lohnt es sich, aufs Land zu fahren und die Farmen zu besuchen. Abends erwacht die Stadt zum Leben mit unzähligen BBQs, Street Food, Nachtmärkten und Restaurants für wirklich jeden Geschmack.“

Bootstour bei Sonnenuntergang: Das Amansara in Siem Reap bietet „Experiences“ an

©Amansara Cambodia/Aman Group S.a.r.l.

Der Stadtteil Wat Bo hat es kürzlich sogar zu internationalem Ruhm gebracht. Aufgrund seines hippen Mix aus Bars, Galerien und auch sozialökonomischen Start-ups (und den einen oder anderen Lichterketten am Flussufer) wurde das Wat Bo Village, das man in nur 15 Minuten abgehen kann, vom „Time Out“-Magazin zur drittcoolsten Nachbarschaft der Welt gekürt – Nummer eins in Asien. Zum kambodschanischen Strand hat es Hoteldirektor Birch selbst noch nicht geschafft. Das „Song Saa Private Island“ stehe aber auf seiner Liste, sagt er.

Tatsächlich ist die Küste des Landes – im Vergleich zum benachbarten Thailand – überschaubar, aber: Auch hier gibt es sie, die Postkarten-Motive. Notieren Sie sich den Namen Koh Rong Samloem. Dort, unweit der Grenze zu Vietnam, geht es gemächlich zu, das überstrapazierte Wort „paradiesisch“ kann man ausnahmsweise gelten lassen. Tagsüber passiert hier nicht viel, bevor spätnachmittags emsig Tische und Sessel aus Plastik in den Sand bugsiert und BBQs angeworfen werden.

Frisch: Am Markt von Phnom Penh 

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Auf dem Meer schunkeln nach Anbruch der Dunkelheit die Laternen der Fischerboote, und die in Südostasien obligatorischen bunten Lichterketten dürfen bei diesem Setting auch nicht fehlen. Der „Lazy Beach“ gilt bei vielen als schönster des Landes. Der „Lonely Beach“ auf Koh Rong klingt allerdings nicht minder Bucket-List-verdächtig. Ausgesprochen einsam soll es laut „Six Senses“ auf der Insel Krabey Island sein. Die Hotelmacher versprechen „Robinson Crusoe Feeling“ – Anfang Dezember war die Wiedereröffnung nach einer pandemiebedingten Neuorientierung.

Stadt der Kontraste: in Phnom Penh ist man eindeutig in Südostasien, aber die französische Kolonialzeit ist allgegenwärtig

©Getty Images/Yinwei Liu/Getty Images

Das „Six Senses“ ist ein Private Island-Resort, genau wie das von Birch favorisierte „Song Saa“. Dass diese Art Luxushotellerie nicht überkandidelt daherkommen muss, weiß man mittlerweile. Auch im „Amansara“ hält man Traditionen hoch und General Manager Birch schwärmt von der Verbindung, die man mit den Einheimischen hat. „Viele Luxushotels engagieren sich in den Communitys“, betont er. Und schließt mit den schönen Worten: „Die kambodschanische Lebensart ist geprägt von Frieden, Respekt und Nachhaltigkeit.“

Davon sollte man sich selbst überzeugen – und Kambodscha nicht mehr nur als reines Add-on-Land in Betracht ziehen.

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