Ans Ende der Welt nach Pitcairn zu Nachfahren der Bounty-Meuterei

Aufständischen Seefahrer versteckten sich auf einem Felsenhaufen im Südpazifik. Heute nehmen Reisende eine tagelange Reise auf sich um die Insel zu sehen.

Überblick

Distanzen

5000 km von Neuseeland und rund 5400 km von Südamerika

Touristeninformation

visitpitcairn.pn

Bewohnerinnen und Bewohner

Ca. 50

und Daniel Voglhuber

Eine „Insel die nicht am Ende der Welt lag, sondern das Ende der Welt war“. Christoph Ransmayr: Atlas eines ängstlichen Mannes

Pitcairn war nicht so leicht zu finden. Früher, ohne moderne Navigation, ohne GPS. Und auch heute gibt es kaum eine Insel, die weiter entfernt scheint, die schwieriger zu erreichen ist, als Pitcairn. Sie liegt isoliert im Südpazifik. Ein vulkanischer Steinhaufen, könnte man sagen. Es gibt erst seit 2006 Fernsehen und erst seit kurzem brauchbares Internet, Flughafen gibt es keinen und auch keinen Strand.

Reisende erreichen Pitcairn entweder an Bord eines Kreuzfahrtschiffs oder mit dem Versorgungsschiff MV Silver Supporter. „Aber auch wer diese nur viereinhalb Quadratkilometer große Insel nach einer langen Seereise endlich erreichte, war noch längst nicht angekommen, sondern musste warten, manchmal stundenlang, manchmal tagelang auf ein gnädiges Meer, das ihm eine Landung erlaubte“, schreibt der österreichische Autor und Reisende Christoph Ransmayr in der „Atlas eines ängstlichen Mannes“.

Wo ist das Paradies?

Hier gibt es keinen weißen Sand, keine leicht zu beschnorchelnden Korallenriffe, kein seichtes, türkisblaues Wasser. Warum aber wollen die Menschen hierher, warum träumen sie hier, auf dem felsigen Pitcairn anzulanden, das so gar nicht nach einer Südseeinsel aussieht, wie man sich die eben vorstellt? Das fragen sich manchmal auch die Bewohner des britischen Überseegebiets etwas verwundert. Sie sind die Nachfahren der Meuterer auf der Bounty.

Hier wurde das Schiff auf Grund und in Brand gesetzt: Die Seeleute waren gestrandet. Diese Geschichte ist wahrscheinlich einer der Reisegründe. Die Nachnamen der heutigen Bewohner – Christian, Adams, Warren, Young oder Brown – sind die der damaligen Meuterer.

Am Ende der Welt zu sein, ist ein weiterer Grund für eine Reise. Mehr als 5.000 Kilometer sind es nach Südamerika und nach Neuseeland. Das bedeutet auch, der Nachthimmel ist himmlisch. Denn Pitcairn ist einer der dunkelsten Flecken auf der Erde. Die drei Generatoren auf der Insel werden um 22 Uhr abgedreht. Lichtverschmutzung gibt es nicht. Die Inseln Henderson, Oeno und Ducie, die zu Pitcairn gehören, sind unbewohnt.

Das Abgelegene der Region war es auch, das die flüchtigen Seefahrer im 18. Jahrhundert auf die Insel brachte. Die Meuterei auf der Bounty war Stoff für berühmte Filme. In die Rolle des gerechten Rädelsführers Fletcher Christian schlüpften Clark Gable, Marlon Brando, Mel Gibson.

Doch nicht alles, was hier zu sehen ist, fußt auf historischen Tatsachen. Der Kommandant der Bounty William Bligh soll sich ganz anders als in den Filmen dargestellt väterlich um seine Besatzung gekümmert haben, wenn auch Wutanfälle auf der Tagesordnung standen. Er soll ein Choleriker gewesen sein.

Auf dem Handelsschiff Bounty spielten sich  Dramen ab. Die Geschichte wurde mehrmals verfilmt. Marlon Brando spielte Fletcher Christian 

©imago stock&people

Sein Auftrag war es, Brotfrüchte aus Tahiti in die Karibik zu bringen. Der Aufenthalt in Tahiti dauerte Monate. Das Verhältnis Blighs zu Fletcher verschlechterte sich bei der Rückreise zusehends. Wegen verschwundener Kokosnüsse kam es zur Eskalation. Fletcher soll sich nach einer durchzechten Nacht am 28. April 1789 zur Meuterei entschlossen haben. Bligh wurde im Schlaf überrascht und in ein Boot gesetzt. War am Ende einfach nur eine besoffene G’schicht für diese gar so berühmte Episode verantwortlich?

Suche nach den Meuterern

Was auf jeden Fall wirklich überliefert ist: mit Bligh kamen 22 Männer. Es wollten noch mehr, nur die hatten keinen Platz mehr. Bligh steuerte das winzige Schiff nach Timor, 6.000 Kilometer ohne Seekarten, mit wenig Proviant an Bord. Eine nautische Meisterleistung. Nach seiner Rückkehr begann die Suche nach der Bounty.

©Grafik

Inzwischen hatten die Männer um Fletcher eine Odyssee hinter sich. Nur neun kamen auf Pitcairn an. Sie hatten zwölf Frauen und sechs Männer aus Tahiti zur Mitreise gezwungen. Das Glück fanden sie nicht. Elf Jahre später blieb als einziger erwachsener Mann der ehemalige Matrose John Adams übrig, zusammen mit zehn Polynesierinnen und 23 Kindern. Die anderen starben im Streit um Frauen und – schon wieder eine besoffene Geschichte – Schnaps.

Die Insel kam 2004 in die Schlagzeilen. Als sieben der zwölf hier lebenden Männer wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs von Frauen und Kindern angeklagt waren. Sechs wurden schuldig gesprochen. Danach schien es zweifelhaft, ob die Insel besiedelt bleiben wird. Doch sie blieb es.

Boote können vor Pitcairn nicht immer ins Wasser. Die See ist rau und mitunter sehr gefährlich 

©Getty Images/Michael Dunning/Getty Images

Vor wenigen Jahren suchte man aktiv nach Einwohnern. Geworben wurde mit Steuerfreiheit. Gearbeitet werde Dienstag, Donnerstag und Sonntagvormittag. Ausgenommen seien Tage, an denen eines der rund zehn Kreuzfahrtschiffe, die die abgelegene Insel im Jahr anlaufen, wird von Seglern berichtet. Wer es an Land schafft, kann auf dem Eiland übernachten. So gerade ein Zimmer frei ist. Die Unterkünfte sind spärlich und in den Häusern der Einheimischen angesiedelt. Früh buchen empfiehlt sich. Die Einrichtung in den Häusern ist spartanisch, ein Tag/Nach-Aufenthalt kostet zwischen 120 und 200 US-Dollar. Die offizielle Tourismus-Homepage der Insel verspricht, Gästen zu erfahren, wie die Menschen vor Ort leben, sie teilen „ihre Häuser, ihre Kultur, ihre Sprache (es ist ein antiquiertes Englisch gemischt mit Tahitianisch, Anm.) und ihren Lifestyle.“

Unberührte Korallenriffe

Gäste mit Boot, Taucherbrille, Flossen, Mut und Navigationsfähigkeiten sollten außerdem die Hauptinsel verlassen und zu den Riffen von Ducie Island fahren. Dort sieht es wirklich nach Südseeparadies aus. Meeresbiologen, die das Mühsal der Anreise auf sich nehmen, sind stets aus dem Häuschen. So schöne, unberührte Korallenriffe und so viel Unterwasserleben hätten sie noch nirgendwo erlebt.

Die Reste der Bounty liegen noch immer vor Pitcairn am Meeresgrund.

©SZ Photo / SZ-Photo / picturedesk.com

Weniger oft betaucht, weil gefährlicher, ist die Bounty Bay Pitcairns. Noch immer liegt die Bounty auf dem Meeresgrund. Mit der Segeljacht kann man hier ankern, wo das Schiff unterging. Jedes Jahr wird ein Bounty-Modell zum Gedenken am 23. Jänner in Brand gesteckt.

Infos: visitpitcairn.pn

Wusstest ihr, dass...

...  dass Pitcairn als britische Kronkolonie 1838 das erste nachhaltige Frauenwahlrecht der Welt bekam? 

... dass Elon Musks Starlink die Insel seit November 2022 mit Highspeed-Internet versorgt?

... dass der Hauptort Adamstown nach dem letzten überlebenden Bounty-Meuterer John Adams benannt ist?

... dass es illegal ist, auf Pitcairn in der Öffentlichkeit Alkohol zu trinken? 

... dass die Pitcairninseln das letzte verbliebene britische Überseegebiet im Pazifischen Ozean ist?

... dass es ein kleines Lebensmittelgeschäft gibt, das dreimal wöchentlich zwei Stunden geöffnet hat?

... dass es den 17 Zentimeter großen Vogel namens Pitcairnohrsänger wirklich nur auf dieser Insel gibt?

Katharina Salzer

Über Katharina Salzer

Katharina Salzer begann 1999 im KURIER und war viele Jahre für die Chronik in Niederösterreich unterwegs. Sie war stellvertretende Chronik-Ressortleiterin, bis sie 2019 in das Sonntags-Ressort wechselte.

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