Mit der Eisenbahn durch Norwegen

Norwegen in Miniatur: Von der Küste bis ins Gebirge

Die Seele des Nordens lässt sich hervorragend auf einer der schönsten Eisenbahnstrecken Europas erleben.

Gemütlich rattert die kleine Bahn vor sich hin. Innen Holz und gepolsterte rote Sitze, draußen die eisige Berglandschaft Norwegens. Das Fenster im Abteil ist offen, und die kalte frische Luft lässt die Müdigkeit verfliegen. Es ziehen die typischen roten Holzhäuser vorbei, verziert wie Zuckerguss mit einer weißen Puderschicht von Schnee. Ein Fluss windet sich in sanften Bögen durch das verschneite Tal, und zahlreiche Wasserfälle bereichern die Landschaft.

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Verschneites Tal

©Christiane Flechtner

Doch von Anfang an: Ganz Norwegen auf einmal zu bereisen, ist schwierig. Denn das fünftgrößte Land Europas, das für seine Berge, Gletscher und tief eingeschnittenen Küstenfjorde bekannt ist, erstreckt sich von Nord nach Süd ganze 1.750 Kilometer und bis zu 430 Kilometer in Ost-West-Richtung. Umso schöner, dass es auch Norwegen im Miniaturformat gibt.

Die Tour „Norway in a Nutshell“ – übersetzt „Norwegen in einer Nussschale“ – nimmt Norwegenfans an nur einem verlängerten Wochenende mit auf eine ganz besondere Reise durch die schönsten Landschaften des Königreichs.

Die historische Flåmbahn

©Christiane Flechtner

Eine Reise in die Vergangenheit

Start ist in Bergen, der Stadt am Atlantik mit ihren sieben Bergen drum herum. Hier besteigen wir am Morgen die Bergenbahn und fahren ins Landesinnere bis zur verschneiten Bergstation Myrdal, die 867 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Dort tauschen wir den modernen gegen den historischen Zug: der Flåmbahn. Es ist eine Reise in die Vergangenheit – schließlich wurde die Eisenbahnstrecke zwischen 1923 und 1940 gebaut. Heute gilt sie als eine der beeindruckendsten Hochgebirgsstrecken der Welt. Sie repräsentiert die steilste Bahnstrecke auf 1435 Millimeter Normalspur-Schienen in ganz Nordeuropa und ihre Steigung beträgt beachtliche 55 Prozent. So führt die 20 Kilometer lange Strecke durch 20 Tunnel von Myrdal bis hinunter in die Ortschaft Flåm am Aurlandsfjord auf Meeresspiegelniveau. Hinter jeder Kurve tut sich eine neue grandiose Berglandschaft auf. Diese Landschaft ist schon ein echter Geheimtipp und steht nicht umsonst unter dem Schutz der UNESCO. Noch schöner wird es, wenn der Zug für ein paar Minuten am Kjosfossen Halt macht. Hier donnern die tosenden Wassermassen des Wasserfalls rund 225 Meter in die Tiefe. Er ist noch halb gefroren, und an seinen Seiten ist das kühle Nass zu bizarren Strukturen erstarrt. Dann ist das Ziel, die 350 Einwohner starke Ortschaft Flåm, erreicht.

Der Kjosfossen Wasserfall

©Christiane Flechtner

Der Nachmittag ist kalt und stürmisch, als wir mit dem Speed-Boot – in dicke Ganzkörperanzüge und Kapuzen gehüllt– nach einer rasanten Fahrt über den Aurlandsfjord den kleinen Hafen von Undredal erreichen. Wie ein Miniaturstädtchen in einer Modelleisenbahn-Landschaft wirken die kleinen Häuser, die mit ihren gelben, blauen und roten Farbtupfern einen fröhlichen Kontrast zur eisigen Felslandschaft bilden, die sich hinter ihnen bis in den grauen Himmel bedrohlich auftürmt.

Der berühmte Undredal-Ziegenkäse

Verschlafen liegt das kleine Städtchen am Ufer dieser einzigartigen Fjordlandschaft, die nur mit Superlativen beschrieben werden kann. Hier befinden sich einige der längsten, tiefsten, schmalsten, steilsten und schönsten Fjorde, und sie gehören zu den spektakulärsten und dramatischsten Landschaften der Welt. Allerdings sind wir aus einem kulinarischen Grund hier: Ein Besuch bei der Produktionsstätte des berühmten Undredal-Ziegenkäses steht an.

Norwegen in Miniatur

©Grafik

Man fühlt sich, als sei man am Ende der Welt angekommen, denn es ist auch keine Menschenseele weit und breit zu sehen. Kein Wunder – gibt es doch in Undredal nur 69 Einwohner, aber dafür rund 300 Ziegen. Als wahre Klettermeister erklimmen sie die steilsten Hänge und fressen nur das beste Grün dieser Gegend. Von ihnen kommt auch die hochwertige Milch für die Produktion des preisgekrönten Ziegenkäses. Einer der 69 Einwohner ist Geir-André Gilbu. Er und seine Frau verkaufen den Käse im Butikken Undredal – dem einzigen Geschäft des Orts – und können einiges über die regionale Delikatesse erzählen. „Vier Farmer haben sich hier auf Ziegenhaltung und die Produktion von Ziegenkäse spezialisiert – sie alle arbeiten im Team zusammen und ziehen an einem Strang“, sagt der 41-Jährige.

Der Brunost ist eine echte Spezialiät in Norwegen.

Käseverkäufer Geir-André

Produziert wird nicht nur weißer Käse wie der leicht salzige, in Dreiecke geschnittene Geitost, sondern auch der als Brunost bezeichnete karamellisierte braune Käse, dessen hauchdünn vom Hobel geschnittene Scheibchen regelrecht am Gaumen kleben bleiben und eine feine Süße im Mund verbreiten. „Der Brunost ist eine echte Spezialiät in Norwegen“, erklärt Geir-André. „Die Molke der Ziegenmilch wird für sechs bis sieben Stunden gekocht, und ihr natürlicher Milchzucker karamellisiert dann langsam. Auf diese Weise entstehen die braune Farbe und der einzigartige Geschmack.

Das Käsegeschäft Butikken

©Christiane Flechtner

Der spezielle Käse vom Ende der Welt kommt an – nicht nur bei den Nachbarn, sondern auf der ganzen Welt. So gewann der Undredal-Ziegenkäse sogar den World Cheese Award 2018/19. Natürlich wird der einzigartige Ziegenkäse gekostet – in Kombination mit dem harten, dünnen Schüttelbrot. Dann ist es plötzlich ganz still an den Tischen. Jeder lässt sich den besonderen Geschmack auf der Zunge zergehen, während er durch das Fenster auf die Fels- und Fjordlandschaft schaut. „Man merkt einfach, dass hier jahrhundertealte Tradition drinsteckt“, sagt er. Schließlich sei in den vergangenen Jahrhunderten in dieser Gegend immer Viehzucht und Landwirtschaft betrieben worden. „Diese Tradition lebt zum Glück bis heute weiter – und bietet diesen einzigartigen Geschmack in einer einzigartigen Landschaft“, fügt er hinzu.
Dann ist die Zeit gekommen, und es geht – dick eingepackt in wärmende Overalls – auf dem Speed-Boot zurück in die Stadt Flåm. Mit im Gepäck: Eine Reihe von Käsespezialitäten aus Geir-Andrés „Butikken“.

Phantastische norwegische Winterwelt

Am Abend fahren wir noch mit dem Bus in die rund eine Stunde entfernte Stadt Voss, die nicht nur mit einer eigenen Brauerei trumpfen kann, sondern auch mit tollen Wanderwegen.Der nächste Morgen in Voss ist eisig: Die Kälte beißt sich ins Gesicht, der starke Wind katapultiert die kleinen eisigen Schneekörner wie winzige Wurfgeschosse gegen die schon roten Wangen. Die Landschaft verschwindet in den verschiedenen Tönen von Weiß. Es ist nicht auszumachen, wo der Berg endet und der Himmel beginnt. Die Schneeschuhe vor der weißen Naturkulisse festgeschnallt, geht es Schritt für Schritt voran. Hier die Spur eines Hasen, doch der Wind verwischt sie mit einer Bö durch feinen Pulverschnee, als hätte es sie nie gegeben.

Aufbruch zur Schneewandertour

©Christiane Flechtner

Øystein Ormåsen nimmt uns mit auf eine Wanderung auf den Berg Hanguren oberhalb von Voss in eine phantastische norwegische Winterwelt. Kein Geräusch außer dem Heulen des Windes und unseren Schritten im Schnee. Der Weg ist das Ziel. Eins sein mit der Natur – weit weg von der nächsten Stadt. Zeit spielt keine Rolle mehr. Die Sinne sind geschärft, das Denken schaltet jedoch ab. Den Moment genießen, in sich einsaugen... Dann, wenn die Füße müde werden und die Finger klamm, ist schon die kleine Hütte in Sicht.

Pause und Aufwärmen

©Christiane Flechtner

Der Wanderführer stapelt die Holzstücke wie ein Kunstwerk zusammen, und schon wenig später tanzen die Flammen in unserer Mitte, geben eine wohlige Wärme ab. Der heiße Kakao schmeckt und der Zeiger der inneren Uhr steht auf „genießen“. Wer hätte das gedacht, dass ein Wintertag trotz starkem Wind und Schneefall so unbeschreiblich schön sein kann?

Bergen

©Getty Images/iStockphoto/VYCHEGZHANINA/iStockphoto.com

Zurück nach Bergen geht es am nächsten Tag wieder mit der Bergenbahn wieder zurück ins malerische Städtchen Bergen. Und da wir noch nicht genug vom Bahnfahren und schönen Aussichten haben, nutzen wir den Rest des Tages, um mit der Fløibanen vom Stadtzentrum direkt auf den bekanntesten der sieben Stadtberge, den 415 Meter hohen Fløyfjellet, zu fahren.

Aussichtsplattform “Fløyen“

©Christiane Flechtner

Von seiner Aussichtsplattform “Fløyen“ genießen wir einen traumhaften Blick auf die Stadt und den inneren Byfjord. Schön war’s – Norwegen im Miniaturformat war wirklich eine Reise wert.

Info

Rundreisen
Fjordtours bietet diverse „In a nutshell“-Touren quer durch Norwegen an. Infos und Preise auf: norwaynutshell.com

Aktivität
Schneeschuhwandern in Voss: fjordtours.com

300 Ziegen
– aber nur 69 Einwohner gibt es im Ort Undredal. Die Ziegen geben die hochwertige Milch für die Produktion des preisgekrönten Käses

Allgemeine Auskunft
visitnorway.de

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