Was den Nationalpark Neusiedler See so besonders macht: Ein Besuch
Zwischen den Ausläufern der Alpen und der kleinen ungarischen Tiefebene liegt der traumhaft schöne Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel.
Glück muss man haben! Am Tag vor meinem Lokalaugenschein im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel wurde der erste Kuhreiher in diesem Jahr gesichtet. Wer sich ein wenig für Federvieh interessiert, weiß, dass das eine kleine Sensation ist.
Bis vor einigen Jahren noch eine Ausnahmeerscheinung, landet der ein oder andere Einzelgänger des "Bubulcus ibis" ab und zu auch hier im Nationalpark. Flugs hat sich die Nachricht von der Sichtung in diversen Online-Foren von Vogelkundlern verbreitet. Tags darauf hat sich der eine oder andere Birdwatcher am Illmitzer Zicksee bereits in Position gebracht. Diese für den Nationalpark typische Sodalacke ist im heurigen Frühjahr auffallend gut mit Wasser gefüllt und wird bereits eifrig von allerlei Vögeln bevölkert. Kaum haben Lukas Vendler und Sebastian Perlinger, zwei Nationalparkranger, die mir das Naturparadies im Nordosten des Burgenlandes näherbringen, das Spektiv aufgestellt und scharf gestellt, erhebt sich der schöne weiße Vogel in einiger Entfernung in die Luft. Was für ein Moment.
Man folgt dem Kuhreiher mit dem beweglichen Fernrohr, so lange es geht. Ein Gefühl von Glückseligkeit stellt sich ein. Das wird im nächsten Moment noch größer, als man mit dem Spektiv weiter über die Wasseroberfläche schwenkt und ein Graugans-Pärchen mit zwei, drei ... nein, es sind sogar vier, frischen Kücken durch das Bild paddelt. Süß. "Schauen Sie, rechts davon stakst soeben ein Kampfläufer durch den Schlamm", sagt einer der Nationalparkranger, während er mit dem Feldstecher den seltsam schönen Schnepfenvogel im Blick behält. Und dann denkt man eigentlich nur noch: Wow, ganz großes Kino.
Dass man im nächsten Moment von drei Schmetterlingen, offenkundig Schwalbenschwänzen, umschwärmt wird und dann auch noch zu ebener Erde von der Spinnenragwurz, einer wunderschönen, zarten Orchidee, umgarnt wird, macht das Naturerlebnis noch reizvoller. Das ist es auch dank der Nationalparkranger. Sie sind es nämlich, die einem die Augen für all die Schönheiten ringsum öffnen und obendrein jede Menge interessante Fakten zu diesem grenzübergreifenden Nationalpark liefern.
Wussten Sie, dass ... dieser einer von sechs Nationalparks Österreichs ist? Dass er mit 97 Quadratkilometern zwar zu den kleineren gehört, dafür aber 1993, dem Jahr der Gründung (Eröffnung 1996), der erste grenzüberschreitende Nationalpark war. 100 Quadratkilometer liegen auf österreichischem, weitere 200 auf ungarischem Staatsgebiet.
Zum Basiswissen gehört auch: Der Neusiedler See ist der westlichste Steppensee Europas mit einem ausgedehnten Schilfgürtel, periodisch austrocknenden Sodalacken (dazu mehr links im Infokästchen), artenreichen Feuchtwiesen, typischen Hutweiden der Tiefebene. Dieses Mosaik aus Salz-, Sand- und Schwarzerdeböden beschert dem Seewinkel eine immense Pflanzen- und Tiervielfalt und macht ihn damit zu einem Hotspot der Biodiversität.
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"Aufgrund des europäisch-afrikanischen Vogelzuges ist das Gebiet auch eines der bedeutendsten Vogelparadiese Mitteleuropas", sagt Ranger Lukas Vendler und ergänzt: „Von Februar bis Mai rasten hier viele Vogelarten auf ihrem Weg in nördliche Brutgebiete, von August bis Oktober legen dieselben Vögel auf ihrem Weg zurück zu ihren Winterquartieren abermals hier einen Stopp ein.“
sehen, hören, staunen
Abgesehen davon fühlen sich viele weitere Arten hier ausgesprochen wohl, leben mitunter schon den Großteil des Jahres hier. Graugans, Lachmöwe, Graureiher, auch jede Menge Sperlingsvögel mögen das weite Land mit seinen Wiesen, Sodalacken und dem Schilfgürtel. Im Zuge der Tour mit einem Ranger hat man auch die besondere Möglichkeit zur Tierbeobachtung von einer Station aus mitten im Schilfgürtel. Der ist mit 180 Quadratkilometern – nach dem Donaudelta – die zweitgrößte, zusammenhängende Schilffläche Europas. Als wir dann die Holzfenster der Hütte hochklappen, geht prompt das Konzert der Lachmöwen los.
"Die haben sich immer mächtig viel zu erzählen", sagt Sebastian Perlinger und schmunzelt. Auch wenn das dichte Schilf auf den ersten Blick eher einen monotonen Eindruck macht, so ist es doch von Leben erfüllt. "Das Schilf ist für viele Tiere ein wichtiger Raum. Insekten, Spinnen, Amphibien sind hier ebenso zu finden wie zahlreiche Vogelarten. Hier brüten Silber- und Seidenreiher, Löffler und Zwergscharben. Tausende Schilfsingvögel bauen im Schilf ihre Nester", sagt Sebastian Perlinger und animiert dazu, mal genauer hinzuhören.
War das nicht soeben ein Teichrohrsänger? Dann mischt sich plötzlich ein Mariskensänger, auch Nachtigall des Schilfs genannt, ein und auch der Schilfrohrsänger weiß ein Lied zu singen. Je mehr die Ranger auf einzelne Vogelstimmen hinweisen, desto hellhöriger wird man. Schon nach kurzer Zeit kann man das so unterschiedliche Piepsen, Trällern, Gurren, Zwitschern, Quirilieren, Piepen, Tschilpen, Pfeifen erkennen, im besten Fall sogar zuordnen – zumindest so weit, dass man auch manchen Zwischenruf erkennt. Die letzte Sequenz war dann doch "nur" eine Unke.
Von der Beobachtungsstation im Schilf geht es weiter, und zwar hinaus in die weite Steppe. Hier begegnen uns dann größere Kaliber. „Damit die Flächen offen bleiben, also nicht zuwachsen, wird im Nationalpark gezielte Beweidung betrieben. Das erledigen ungarische Graurinder und Wasserbüffel, Przewalski-Pferde und die berühmten Weißen Esel“, sagt Lukas Vendler. Weltweit gibt es nur noch etwa 400 dieser Esel, die einst im Barock gezüchtet wurden, deshalb auch Barockesel genannt werden. Am sogenannten Sandeck im Nationalpark kann man eine kleine Herde von 18 Stück hautnah beobachten. Die grasen dort in seliger Gelassenheit. Ein weiteres Highlight in diesem Paradies, in dem es das ganze Jahr über noch so viel mehr zu entdecken gibt.
Erlebnis Nationalpark Zu GAST im Paradies
Nationalparke sind dazu da, um einzigartige Landschaften und Lebensräume für seltene, charakteristische und bedrohte Tier- und Pflanzenarten dauerhaft zu erhalten.
So abwechslungsreich die Natur rund um den Neusiedler See ist, so vielfältig ist auch das Programm des Nationalparks. Touren gibt es das ganze Jahr über. Auf einer gebuchten Tour durch den Seewinkel wird man von eigens ausgebildeten Rangern begleitet. Sie kennen nicht nur Flora und Fauna, sondern sind auch richtig gut darin, ihr Wissen auf unterhaltsame, kurzweilige Weise weiterzugeben. Einige Beispiele aus dem Tourenangebot: "Die Großtrappe", "Salzlacken: einzigartige Lebensräume", "Wildnis voller Leben: der Schilfgürtel des Neusiedler Sees", "Graurind, Wasserbüffel & Co – Weidetiere im Naturschutzeinsatz", "Steppe so weit das Auge reicht: Hutweideflächen im Seewinkel" oder "Einmal Hölle und zurück".
Das Jahresprogramm ist in einer separaten Broschüre erhältlich. Die Touren können auch online abgerufen und gebucht werden.
Zur Einstimmung auf einen Tag im Nationalpark empfiehlt sich ein Besuch im Nationalparkzentrum am nördlichen Ortsrand von Illmitz. Es ist der Treff- und Ausgangspunkt vieler geführter Touren. Herzstück des Zentrums ist eine attraktiv aufbereitete Naturausstellung. Sie gibt erste Einblicke in die Natur, die Besucher anschließend draußen in natura erwartet. Im Nationalparkzentrum gibt es auch Kartenmaterial zur weiteren Orientierung.
Wichtig bei einem Aufenthalt im Nationalpark: Die ebene, flache Landschaft des Parks ist leicht zugänglich und kann auch mit dem Fahrrad erkundet werden. In allen Teilbereichen des Parks gilt jedoch das Wegegebot, an das man sich unbedingt halten sollte. Dazu gibt es im gesamten Gebiet Symboltafeln, die darüber informieren, was erlaubt ist und was im Sinne des Naturschutzes unterlassen werden soll.
Weitere Informationen unter: www.nationalparkneusiedlersee.at
www.burgenland.info
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