Toulouse im Rennen: Eine Stadt in Feierlaune

Die Tour de France führt auch durch Toulouse. Ein willkommenes Spektakel. Und Aufmerksamkeit für die südfranzösische Stadt.

Überblick

Einwohner

ca. 470.000

Beste Reisezeit

April bis Oktober

Es wird ein fröhlicher Abend werden, vielleicht auch eine lange Nacht. Die Menschen werden in der Altstadt unterwegs sein und über die Place du Capitole mit ihren  mächtigen Ausmaßen schlendern, an der sich das prächtige lang gestreckte Rathaus erhebt. Sie werden vermutlich in der Bar Connexion live in der rue Gabriel Péri sitzen  oder in einem Lokal in Saint-Pierre, wo normalerweise der Teufel los ist, wenn es ein Rugby-Spiel im heimischen Stadion gegeben hat.

Im Tentrum der Macht. Hauptplatz in Toulouse mit Rathaus. Sehenswert von innen!

©Jour de nuit /Matthieu Krieger

Ja, das Toulouser Herz schlägt eigentlich für Rugby – aber vor allem  für gute Stimmung,  Musik, Tanz, zusammensitzen, reden, feiern eben. Da kommt auch die Tour de France, die am 17. Juli   für  Spektakel sorgen wird, ganz recht. Schließlich ist es elf Jahre her, dass das große Rennen ums Gelbe Trikot die südfranzösische Stadt und ihre  472.000 Einwohner beehrte.
 

Schlüsselmomente und Persönlichkeiten der Stadt, verewigt am Plafond der „Galerue’’ am Place du Capitole

©CRT m.-p./P. Thébault

Die Toulousains können froh sein, dass  ihre Stadt  so unaufgeregt einzigartig daherkommt. Das passt  zu einer jungen boomenden Ville.

Guingettes - sommerliche Pop-ups in Toulouse

Es gibt seit zwei Jahren sommerliche Pop-up-Restauranten und temporäre Pop-up-Bars, "Guinguettes", die überall in der Stadt sind. Einige wechseln jedes Jahr ihren Standort. Die bekanntesten Guinguettes befinden sich entlang der Garonne. Top-Tipps: Le Canaille Club, La Centrale und gerade neu: Flonflon.

 

Man freut sich, es wird gut sein, wieder mal  im Fokus zu stehen – diesmal nicht mit der Pleite rund um den Airbus A380 oder einer Gelbwesten-Demo. Seit 2016 wird Toulouse aufpoliert und restauriert, die Stadt will Unesco-Weltkulturerbe werden.  Das Zentrum ist schon fast frei von Baustellen. 2020 soll alles fertig sein. Endlich. Das lockt hoffentlich viele Besucher an. Toulouse ist nämlich gastfreundlich und Fremde gewohnt, beschäftigt doch Airbus France, der wichtigste Arbeitgeber der Region  – und im Kopf-an-Kopf-Rennen mit Boeing größter Flugzeughersteller  weltweit – viele Ingenieure und Mechaniker aus dem Ausland.  Zudem gibt es mehr als 100.000 Studenten in der Stadt, was immer ein Garant für Weltoffenheit  ist.
 

Graffiti-Kunst in Toulouse: Seit April wird beim „Streetart Festival Rose Béton 2019’ jeden Monat ein neues Fresko veröffentlicht

©mauritius images / Mark Dunn / Alamy/Mark Dunn/Alamy/Mauritius Images

Toulouse ist weniger Touristenstadt als das gediegenere, teurere Bordeaux. Hier wird gearbeitet und gelebt. Die Auslastung der Hotels ist unter der Woche   höher als am Wochenende. Deshalb sind die Preise an diesen Tage  günstiger, auch wenn die Hoteliers bereits eine kleine Trendwende feststellen können.
Toulouse mausert sich zum Geheimtipp. Denn es lohnt sich, durch die Gassen der rosa Stadt zu ziehen. Am besten zu unterschiedlichen Tageszeiten, um die allgegenwärtige Besonderheit besser wahrnehmen zu können: die zart pink bis strahlend rot und orange leuchtenden Fassaden. Je nach Sonnenstand eine immer wieder neue überraschende Perspektive.

©mauritius images/imageBROKER/Mauritius Images

Dieses Farbenspiel hat Toulouse dem Bau mit Terrakotta-Ziegeln zu verdanken, worauf  die  Stadt im Laufe der Zeit nicht immer  stolz war. Die roten Steine schienen zu provinziell,  nicht  chic genug, wurden bis zur Unkenntlichkeit überarbeitet. Schielte man doch wie überall in den französischen Städten  nach Paris. Dabei zeugen heute noch fünfzig Renaissancebauten mit Türmchen von prunkvollen Tagen. Immerhin kam man mit dem Handel der Färberwaid, einer Pflanze namens Pastel, die Stoffe durch ein komplexes Verfahren   blau färbte, zu Reichtum und Macht. Das war im 16. Jahrhundert. Beliebtester  Prachtbau aus dieser Zeit ist das Hôtel d’Assezat mit seinem wunderschönen Innenhof. Im Gebäude selbst befindet sich ein Museum mit Meisterwerken.
 

Symbol für einstigen Reichtum: das l'Hôtel d' Assézat

©ville de toulouse/Patrice Nin

Die Toulousains können froh sein, dass  ihre Stadt  so unaufgeregt einzigartig daherkommt. Das passt  zu einer jungen boomenden Ville, die durch  Geschichte und Lage  von einem bunten  Mix aus spanischem Lebensgefühl und französischer Lässigkeit profitiert. Natürlich mit Sehenswürdigkeiten gespickt, wie der Pont Neuf oder der beeindruckenden Pilgerkirche Saint-Sernin. Das Schöne an Toulouse ist ja, dass fast alles zwischen dem Canal du Midi und der Garonne zu Fuß  entdeckt werden kann. Man wird nicht verloren gehen, aber  ganz eigene Lieblingsplätze für sich entdecken.  Und vielleicht feststellen: Hier ist es wirklich  anders als sonst wo in Frankreich.
 Und dennoch: Eineinhalb Stunden bis zum Mittelmeer und nur  gut zwei Stunden entfernt  von den Surferhotspots an der  Atlantikküste gelegen, ist die  Hauptstadt der  Region Languedoc-Roussillon/Midi-Pyrénées bislang eher ein Ort, dem selbst so mancher Franzose nur kurz auf der  Durchreise hallo sagt.   Zu Unrecht unterschätzt?
 

Warten auf die Tour de France?

©Antoine Collas/Toinou1375

3 Skurrile Fakten über Toulouse

Wussten Sie, dass ...

... auch die Comic-Helden Asterix und Obelix nach „Tolosa“
 (römisch für Toulouse) kamen, um sich mit der traditionellen Toulouser Wurst einzudecken? (Nachzulesen im Band „Tour de France“, S. 36)

Saint-Exupéry als Pilot Luftpost von Toulouse nach Dakar brachte? Der Autor von „Der kleine Prinz“ war besessen vom Fliegen. 

... in Toulouse mechanische Giganten zu sehen sind? Etwa die 14 Meter hohe Spinne „Ariane“.  Am 17. Juli, wenn die Tour de France Einzug hält,  werden die Ungeheuer rausgelassen. halledelamachinee.fr

Das  Urteil über die Stadt war nicht immer positiv. So schrieb etwa der deutsche Journalist Kurt Tucholsky:   „Die Leute wissen nicht recht, was sie mit ihrem freien Nachmittag anfangen sollen“,  und attestierte Toulouse, dass es um drei Karat hässlicher sei als Lyon. Das ist nicht nett und mehr als neunzig Jahre her.   
Würde jemand wie Tucholsky jetzt  in die Stadt kommen, um sie kennenzulernen, wäre er  angetan.  So wie Asterix und Obelix. Die ließen sich im Asterixheft „Tour de France’’ – wie passend zur bevorstehenden Etappenziel-Feier – freiwillig von den Römern gefangen nehmen, um an die gute Toulouser Wurst zu kommen. „Es ist hübsch, dieses Tolosa’’, schwärmt Obelix. Und die Wurst? Ein Genuss!
 

Ein Genuss! Am Marché Victor Hugo

©AGENCE PGO

La saucisse de Toulouse ist eine Spezialität. Diese Wurst gibt es nicht als Zehnerpack oder paarweise wie Frankfurter zu kaufen, man  ordert sie am Stück und nach Gewicht, und das natürlich  an einem der Stände der heimischen Märkte.  Etwa am Marché Victor Hugo, wo man sieht, wie sie, eingeringelt einer Riesenschlange gleich, feilgeboten wird. Man isst sie gegrillt und als Confit, also gegart und eingemacht. Und sie ist Zutat für das berühmte traditionelle Gericht Cassoulet – eine Komposition aus weißen Bohnen, Speck und gepökeltem Schweinefleisch. Das klingt deftig,  ist es auch. Wer will, kann sich  ein Glas mit fertigem Cassoulet kaufen, im Sommer  aber wohl eher nicht.
 

Die berühmte Toulouse Wurst. Wissen Sie's? [email protected]

©APA/AFP/REMY GABALDA/APA/AFP

Die Toulousains lieben  gutes Essen, der  Markt ist voll damit, ein Schlaraffenland mit allem, was die regionale Küche Südfrankreichs zu bieten hat: berühmte Käsesorten wie den Blauschimmelkäse Roquefort, schwarze Trüffel aus Quercy oder die berüchtigte Stopfleber Foie gras. Dazu  gibt’s natürlich Wein, etwa den Vin de Cahors. Man kann sagen: Wer nicht  im  Bauch von Toulouse war, war  nicht in Toulouse. Seit 2018 hat der Marché Victor Hugo sogar abends offen. Dann gibt es Musik und gute Laune. Nicht nur wenn die Ankunft der Tour de France gefeiert wird.

Tour de Toulouse

Vier Tage, vier Routen. Die freizeit führt stilvoll durch das lange Wochenende.

©Katjana Lacatena/carolineseidler.com

Donnerstag

1. Place du Capitole
Unbedingt ins   Rathaus schauen, der Eintritt ist frei.
at.france.fr/de/okzitanien-sudfrankreich

2. Jakobinerkloster
Magischer Ort mit einzigartigem Gewölbe in Form einer Palme.
www.jacobins.toulouse.fr

©chloé sabatier - office de tourisme de toulouse

3. Spazieren in Saint-Aubin
Der „kleine Montmartre von Toulouse“. Einheimische lieben den Bezirk und sein Flair.  
 
4. L’heure du singe
Und  dann  in eine Coctail-Bar. Diese hier ist ein Insider-Tipp.
www.heuredusinge.com

Freitag

5. La Maison du vélo
Eine Radtour durch die City.  Und sich im  authentischen Restaurant erfrischen.
www.maisonduvelotoulouse.com

6. Shopping Made by Toulouse
Mitbringsel: Handgemachtes aus Toulouse in originellen Concept Stores.  
Place de la Bourse
 
7. Glaces Moustache
Menschen beobachten und Eis essen. Am Lieblingsplatz Saint-Pierre.
www.facebook.com/glacesmoustachetoulouse

8. Tappas-Bar  
Farbenfrohes Ambiente im historischen Viertel Carmes.  Und Tapas-Bars.  
www.facebook.com/LeCarbetDOc

 

 

 

Mondlandung erleben - in der  Cité de l'espace

©© Cité de l'espace/Cité de l'espace/Manuel Huynh

Samstag

9. Cité l’Espace
Abenteuer Raumfahrt erleben  – nicht nur  zum Jubiläum der Mondlandung.
www.cité-espace.com, at.france.fr

Der Marche Victor Hugo hat seit 2018 auch nachts offen

©AGENCE PGO

10. Marché Victor Hugo
Geheimtipp: Mittagessen eine Etage über dem Markt.  Menüs ab 14,90 €.
www.marche-victor-hugo.fr/
 
11. Rugby-Stadion
Führung im Stade Ernest–Wallon. Die Toulouser lieben Rugby. Toll!
www.stadetoulousain.fr/ernest-wallon-stadium
 
12. Le rouge et le noir
Ab in die   Bar zu Ehren des Rugby-Teams Stade Toulousain.  
3 Rue du Pont Saint-Pierre

13. Musée Toulouse-Lautrec
Ausflug nach Albi:  Ins Museum  Toulouse-Lautrec.
musee-toulouse-lautrec.com
 
14. Marché Couvert d’Albi
Hunger! Am besten hier, authentischer und köstlicher geht’s nicht.
14 rue Émile Grand,  Albi
 
15. Kathedrale von Albi
Hier muss Gott wohnen. Nicht fotografieren, schauen. Amen.
at.france.fr/okzitanien-sudfrankreich
   
 

©Thomas Cabrol

16. N°5 Wine bar
 Zurück nach Toulouse. Zum Abschluss in die „weltbeste“ Weinbar.
 www.n5winebar.com

17. La Cour des Consuls
Hotel mit Spa, auf Grundlage der Pflanze „Pastel“, Färberwaid.
www.lacourdesconsuls.com

18. Hotel Grand Balcon
Schlafen wie  Saint-Exupéry – im Zimmer 32.
grandbalconhotel.com

19.  Mama Shelter
Mit gerade neu eröffneter Rooftop-Terrasse. Legendärer Ausblick!
www.mamashelter.com

 

Annemarie Josef

Über Annemarie Josef

stv Chefredakteurin KURIER freizeit. Lebt und arbeitet seit 1996 in Wien. Gewinnerin des Hauptpreises/Print bei "Top Journalist Award Zlatna Penkala (Goldene Feder)" in Kroatien. Studium der Neueren Deutschen Literatur in München. Mein Motto: Das Leben bietet jede Woche neue Überraschungen.

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