Toulouse im Rennen: Eine Stadt in Feierlaune
Die Tour de France führt auch durch Toulouse. Ein willkommenes Spektakel. Und Aufmerksamkeit für die südfranzösische Stadt.
Überblick
Es wird ein fröhlicher Abend werden, vielleicht auch eine lange Nacht. Die Menschen werden in der Altstadt unterwegs sein und über die Place du Capitole mit ihren mächtigen Ausmaßen schlendern, an der sich das prächtige lang gestreckte Rathaus erhebt. Sie werden vermutlich in der Bar Connexion live in der rue Gabriel Péri sitzen oder in einem Lokal in Saint-Pierre, wo normalerweise der Teufel los ist, wenn es ein Rugby-Spiel im heimischen Stadion gegeben hat.
Ja, das Toulouser Herz schlägt eigentlich für Rugby – aber vor allem für gute Stimmung, Musik, Tanz, zusammensitzen, reden, feiern eben. Da kommt auch die Tour de France, die am 17. Juli für Spektakel sorgen wird, ganz recht. Schließlich ist es elf Jahre her, dass das große Rennen ums Gelbe Trikot die südfranzösische Stadt und ihre 472.000 Einwohner beehrte.
Die Toulousains können froh sein, dass ihre Stadt so unaufgeregt einzigartig daherkommt. Das passt zu einer jungen boomenden Ville.
Guingettes - sommerliche Pop-ups in Toulouse
Es gibt seit zwei Jahren sommerliche Pop-up-Restauranten und temporäre Pop-up-Bars, "Guinguettes", die überall in der Stadt sind. Einige wechseln jedes Jahr ihren Standort. Die bekanntesten Guinguettes befinden sich entlang der Garonne. Top-Tipps: Le Canaille Club, La Centrale und gerade neu: Flonflon.
Man freut sich, es wird gut sein, wieder mal im Fokus zu stehen – diesmal nicht mit der Pleite rund um den Airbus A380 oder einer Gelbwesten-Demo. Seit 2016 wird Toulouse aufpoliert und restauriert, die Stadt will Unesco-Weltkulturerbe werden. Das Zentrum ist schon fast frei von Baustellen. 2020 soll alles fertig sein. Endlich. Das lockt hoffentlich viele Besucher an. Toulouse ist nämlich gastfreundlich und Fremde gewohnt, beschäftigt doch Airbus France, der wichtigste Arbeitgeber der Region – und im Kopf-an-Kopf-Rennen mit Boeing größter Flugzeughersteller weltweit – viele Ingenieure und Mechaniker aus dem Ausland. Zudem gibt es mehr als 100.000 Studenten in der Stadt, was immer ein Garant für Weltoffenheit ist.
Toulouse ist weniger Touristenstadt als das gediegenere, teurere Bordeaux. Hier wird gearbeitet und gelebt. Die Auslastung der Hotels ist unter der Woche höher als am Wochenende. Deshalb sind die Preise an diesen Tage günstiger, auch wenn die Hoteliers bereits eine kleine Trendwende feststellen können.
Toulouse mausert sich zum Geheimtipp. Denn es lohnt sich, durch die Gassen der rosa Stadt zu ziehen. Am besten zu unterschiedlichen Tageszeiten, um die allgegenwärtige Besonderheit besser wahrnehmen zu können: die zart pink bis strahlend rot und orange leuchtenden Fassaden. Je nach Sonnenstand eine immer wieder neue überraschende Perspektive.
Dieses Farbenspiel hat Toulouse dem Bau mit Terrakotta-Ziegeln zu verdanken, worauf die Stadt im Laufe der Zeit nicht immer stolz war. Die roten Steine schienen zu provinziell, nicht chic genug, wurden bis zur Unkenntlichkeit überarbeitet. Schielte man doch wie überall in den französischen Städten nach Paris. Dabei zeugen heute noch fünfzig Renaissancebauten mit Türmchen von prunkvollen Tagen. Immerhin kam man mit dem Handel der Färberwaid, einer Pflanze namens Pastel, die Stoffe durch ein komplexes Verfahren blau färbte, zu Reichtum und Macht. Das war im 16. Jahrhundert. Beliebtester Prachtbau aus dieser Zeit ist das Hôtel d’Assezat mit seinem wunderschönen Innenhof. Im Gebäude selbst befindet sich ein Museum mit Meisterwerken.
Die Toulousains können froh sein, dass ihre Stadt so unaufgeregt einzigartig daherkommt. Das passt zu einer jungen boomenden Ville, die durch Geschichte und Lage von einem bunten Mix aus spanischem Lebensgefühl und französischer Lässigkeit profitiert. Natürlich mit Sehenswürdigkeiten gespickt, wie der Pont Neuf oder der beeindruckenden Pilgerkirche Saint-Sernin. Das Schöne an Toulouse ist ja, dass fast alles zwischen dem Canal du Midi und der Garonne zu Fuß entdeckt werden kann. Man wird nicht verloren gehen, aber ganz eigene Lieblingsplätze für sich entdecken. Und vielleicht feststellen: Hier ist es wirklich anders als sonst wo in Frankreich.
Und dennoch: Eineinhalb Stunden bis zum Mittelmeer und nur gut zwei Stunden entfernt von den Surferhotspots an der Atlantikküste gelegen, ist die Hauptstadt der Region Languedoc-Roussillon/Midi-Pyrénées bislang eher ein Ort, dem selbst so mancher Franzose nur kurz auf der Durchreise hallo sagt. Zu Unrecht unterschätzt?
3 Skurrile Fakten über Toulouse
... auch die Comic-Helden Asterix und Obelix nach „Tolosa“
(römisch für Toulouse) kamen, um sich mit der traditionellen Toulouser Wurst einzudecken? (Nachzulesen im Band „Tour de France“, S. 36)
Saint-Exupéry als Pilot Luftpost von Toulouse nach Dakar brachte? Der Autor von „Der kleine Prinz“ war besessen vom Fliegen.
... in Toulouse mechanische Giganten zu sehen sind? Etwa die 14 Meter hohe Spinne „Ariane“. Am 17. Juli, wenn die Tour de France Einzug hält, werden die Ungeheuer rausgelassen. halledelamachinee.fr
Das Urteil über die Stadt war nicht immer positiv. So schrieb etwa der deutsche Journalist Kurt Tucholsky: „Die Leute wissen nicht recht, was sie mit ihrem freien Nachmittag anfangen sollen“, und attestierte Toulouse, dass es um drei Karat hässlicher sei als Lyon. Das ist nicht nett und mehr als neunzig Jahre her.
Würde jemand wie Tucholsky jetzt in die Stadt kommen, um sie kennenzulernen, wäre er angetan. So wie Asterix und Obelix. Die ließen sich im Asterixheft „Tour de France’’ – wie passend zur bevorstehenden Etappenziel-Feier – freiwillig von den Römern gefangen nehmen, um an die gute Toulouser Wurst zu kommen. „Es ist hübsch, dieses Tolosa’’, schwärmt Obelix. Und die Wurst? Ein Genuss!
La saucisse de Toulouse ist eine Spezialität. Diese Wurst gibt es nicht als Zehnerpack oder paarweise wie Frankfurter zu kaufen, man ordert sie am Stück und nach Gewicht, und das natürlich an einem der Stände der heimischen Märkte. Etwa am Marché Victor Hugo, wo man sieht, wie sie, eingeringelt einer Riesenschlange gleich, feilgeboten wird. Man isst sie gegrillt und als Confit, also gegart und eingemacht. Und sie ist Zutat für das berühmte traditionelle Gericht Cassoulet – eine Komposition aus weißen Bohnen, Speck und gepökeltem Schweinefleisch. Das klingt deftig, ist es auch. Wer will, kann sich ein Glas mit fertigem Cassoulet kaufen, im Sommer aber wohl eher nicht.
Die Toulousains lieben gutes Essen, der Markt ist voll damit, ein Schlaraffenland mit allem, was die regionale Küche Südfrankreichs zu bieten hat: berühmte Käsesorten wie den Blauschimmelkäse Roquefort, schwarze Trüffel aus Quercy oder die berüchtigte Stopfleber Foie gras. Dazu gibt’s natürlich Wein, etwa den Vin de Cahors. Man kann sagen: Wer nicht im Bauch von Toulouse war, war nicht in Toulouse. Seit 2018 hat der Marché Victor Hugo sogar abends offen. Dann gibt es Musik und gute Laune. Nicht nur wenn die Ankunft der Tour de France gefeiert wird.
Tour de Toulouse
Vier Tage, vier Routen. Die freizeit führt stilvoll durch das lange Wochenende.
Donnerstag
1. Place du Capitole
Unbedingt ins Rathaus schauen, der Eintritt ist frei.
at.france.fr/de/okzitanien-sudfrankreich
2. Jakobinerkloster
Magischer Ort mit einzigartigem Gewölbe in Form einer Palme.
www.jacobins.toulouse.fr
3. Spazieren in Saint-Aubin
Der „kleine Montmartre von Toulouse“. Einheimische lieben den Bezirk und sein Flair.
4. L’heure du singe
Und dann in eine Coctail-Bar. Diese hier ist ein Insider-Tipp.
www.heuredusinge.com
Freitag
5. La Maison du vélo
Eine Radtour durch die City. Und sich im authentischen Restaurant erfrischen.
www.maisonduvelotoulouse.com
6. Shopping Made by Toulouse
Mitbringsel: Handgemachtes aus Toulouse in originellen Concept Stores.
Place de la Bourse
7. Glaces Moustache
Menschen beobachten und Eis essen. Am Lieblingsplatz Saint-Pierre.
www.facebook.com/glacesmoustachetoulouse
8. Tappas-Bar
Farbenfrohes Ambiente im historischen Viertel Carmes. Und Tapas-Bars.
www.facebook.com/LeCarbetDOc
Samstag
9. Cité l’Espace
Abenteuer Raumfahrt erleben – nicht nur zum Jubiläum der Mondlandung.
www.cité-espace.com, at.france.fr
10. Marché Victor Hugo
Geheimtipp: Mittagessen eine Etage über dem Markt. Menüs ab 14,90 €.
www.marche-victor-hugo.fr/
11. Rugby-Stadion
Führung im Stade Ernest–Wallon. Die Toulouser lieben Rugby. Toll!
www.stadetoulousain.fr/ernest-wallon-stadium
12. Le rouge et le noir
Ab in die Bar zu Ehren des Rugby-Teams Stade Toulousain.
3 Rue du Pont Saint-Pierre
13. Musée Toulouse-Lautrec
Ausflug nach Albi: Ins Museum Toulouse-Lautrec.
musee-toulouse-lautrec.com
14. Marché Couvert d’Albi
Hunger! Am besten hier, authentischer und köstlicher geht’s nicht.
14 rue Émile Grand, Albi
15. Kathedrale von Albi
Hier muss Gott wohnen. Nicht fotografieren, schauen. Amen.
at.france.fr/okzitanien-sudfrankreich
16. N°5 Wine bar
Zurück nach Toulouse. Zum Abschluss in die „weltbeste“ Weinbar.
www.n5winebar.com
17. La Cour des Consuls
Hotel mit Spa, auf Grundlage der Pflanze „Pastel“, Färberwaid.
www.lacourdesconsuls.com
18. Hotel Grand Balcon
Schlafen wie Saint-Exupéry – im Zimmer 32.
grandbalconhotel.com
19. Mama Shelter
Mit gerade neu eröffneter Rooftop-Terrasse. Legendärer Ausblick!
www.mamashelter.com
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