Antwerpen

Reisetipps für Antwerpen: Die kleinste Großstadt der Welt

Antwerpen, wir kommen! Warum die Stadt mit dem zweitgrößten Hafen Europas die erste Wahl für eine entspannt-lässige Reise ist: die freizeit gibt einen kleinen Schubser.

Antwerpen ist wie die coole Schülerin von damals, die aus der Parallelklasse. Sie war zwar vielleicht nicht die Ballkönigin, auch nicht auf jeder Party eingeladen, aber: Sie hat Eindruck hinterlassen, weil sie unangestrengt cool war. Die zweitgrößte Stadt Belgiens ist diesem Mädchen ähnlich. "Capital of cool" titeln internationale Medien, und im ersten Moment ist man vielleicht verwundert. Antwerpen? Ernsthaft? Das liegt daran, dass die kleine Schwester von Brüssel zwar ganz schön keck ist, aber hinter vorgehaltener Hand.

Hier mehr lesen: 7 spannende Reiseziele in Europa für die ganze Familie

Nur die Wenigsten wissen, was sich da oben im Norden in der Hafenstadt abspielt. Am ehesten noch diejenigen, die sich ein bisschen mehr für Mode interessieren. Zumindest so weit, dass ihnen der Begriff "Antwerpen 6" schon mal untergekommen ist. Die Truppe – unter anderem mit Dries van Noten, Ann Demeulemeester und Walter Van Beirendonck – katapultierte Antwerpen, beziehungsweise die belgische Mode, in den 1980er-Jahren ganz nach oben. Alle sechs waren Absolventen der "Königliche Akademie der Schönen Künste von Antwerpen", die bis heute ungewöhnlich viele Talente auf die Laufstege hievt.

Fortschrittlich, extravagant, aber vor allem unverfroren kompromisslos – das eint die belgischen Design-Dynamos. Bottega Veneta, Alaïa, Saint Laurent, Prada und Diesel – sie alle haben belgische Entscheidungsträger. Und das ist doch ein beachtlicher Fakt, wenn man bedenkt, dass das Land von Pommes und Pralinen gerade mal 11,6 Millionen Einwohner hat. Bei Antwerpen sprechen wir sogar nur von 500.000.

das MAS im Hafen ist Pflichtprogramm – die Dachterrasse frei zugänglich.

©Getty Images/JByard/istockphoto

Muscheln und Bier 

Auch die Dichte an charmanten kleinen Geschäften ist ungewöhnlich hoch in dieser Größenliga. Am besten man fängt am Grote Markt an, das ist die Altstadt. Ein pittoresker Platz, umgeben von Renaissance-Architektur, gesäumt von Souvenirläden und den typischen Lokalen der "Kann man, muss man aber nicht"-Kategorie, wobei gerade abends, wenn die Sonne die filigranen Fassaden und so manche Gold-Statue auf den Dächern ins rechte Licht rückt, Muscheln und belgisches Bier schon besonders gut schmecken.

Zum Shoppen empfiehlt sich ansonsten die Kloosterstraat (Conceptstores, Antiquitäten, Interieur), die Meir (High-Street-Fashion) und das Dreiergespann Nationalestraat, Lombardenvest und Steenhouwersvest (belgische Designer). Gut zu wissen: An jedem ersten Sonntag im Monat dürfen die Geschäfte in Antwerpen das "Wir haben offen"-Schild an die Tür hängen!

Der neu gestaltete Garten des Rubenshuis wird diesen Sommer eröffnet.

©Ans Brys

Natürlich geht es im flämischen Metropölchen auch beziehungsweise vor allem um Diamanten – und das schon seit dem 16. Jahrhundert. Selbst Netflix hat mit "Rough Diamonds" (2023) dem "Diamantkwartier"– beziehungsweise dem Geschehen in jüdisch-orthodoxen Grätzel – ein Denkmal gesetzt. "Bei Diamanten geht es nicht nur ums Geschäft, es liegt uns im Blut", erklärt eine der Serienfiguren schon im Trailer, und wer sich ein bisschen mit Geschichte und Gegenwart beschäftigt, wird schnell merken, dass das "Wer, Was und Wie" dieser Branche etwas undurchsichtig ist. 

Nicht ganz zufällig, versteht sich. Es gibt aber auch die anderen Vertreter im Handel, wie "HB Antwerp", die für Transparenz stehen. Oder die Macher der Schmuck-Marke "Elliot & Ostrich", die in ihrem Showroom "The Nest" Kollektionen vorlegen, die mit ethisch unbedenklichen Diamanten glänzen.

Bis heute gilt Antwerpen als Diamantenhauptstadt der Welt – der nach wie vor zweitgrößte Hafen Europas hat es ermöglicht. Etwa 80 Prozent der weltweit gewonnenen Rohdiamanten passieren Antwerpen, drei der großen Diamantbörsen befinden sich in diesem gerade mal drei Straßen großen Viertel. Die Expertise, die man hier über Jahrhunderte erlangt hat, ist einzigartig, der Antwerp Cut steht für Qualität.

Moules Frites, die belgischen Muscheln

©Getty Images/iStockphoto/tirc83/iStockphoto

Nah am Wasser gebaut 

Der Hafen, er macht den Unterschied. Das Kommen und Gehen, die große weite Welt, alles scheint in Reichweite. In Antwerpen ist der Hafen nicht irgendwo, abgelegen und abgegrenzt, nein, er gehört zur Stadt – schon allein, weil hier einfach fast alles fußläufig ist; oder zumindest mit der Straßenbahn kaum der Rede wert. 

Mit der Eröffnung des Museum aan de Stroom (MAS) fing das einst verschriene Industrieviertel dann sogar an hip zu werden. Man trinkt seinen Kaffee in Lagerhallen-Pop-ups, liegt auf Beanies in der Summerbar "Bocadero", zieht in Lofts ein und bewunderte von der gratis zugänglichen Dachterrasse des MAS die Stadt von oben. 

Bürgermeister Bart De Wever formulierte es vor Jahren treffend: "Wir versuchen, eine Stadt, die mit dem Rücken zum Wasser lebte, in eine Stadt zu verwandeln, die mit dem Gesicht zum Wasser lebt." Und De Wever hat noch Großes vor mit dem Eilandje, wie das Viertel heißt: Eines Tages soll man hier auch schwimmen oder Kajak fahren können. 

Aber: gemach, gemach – noch kann man sich hier, 88 Kilometer vor der Mündung in die Nordsee, nur optisch am Wasser erfreuen. Wer ein bisschen mehr von der Natur haben möchte, macht sich auf den Weg in den Botanical Garden, in dessen Zentrum – auch das sehr eigensinnig – sich das recht neue 5-Stern-Superior Hotel "Botanic Sanctuary" befindet. Man residiert in einem Kloster aus dem 13. Jahrhundert und diniert auf Michelin-Niveau. Oder aber: Man entscheidet sich für den Barockgarten des Rubenshuis, der diesen Sommer neu erblüht.

Das Hafenhuis 

©mauritius images / Alamy Stock Photos / Zoonar/eyemagic/Alamy Stock Photos / Zoonar/eyemagic/mauritius images

Über 14.000 Pflanzen wurden gesetzt, nach historischem Vorbild – und gemäß einem modernen Farbschema, vorgegeben von Fashion-Ikone Dries Van Noten. Das Rubenshaus selbst befindet sich zwar noch ein paar Jahre im Umbau, aber der flämische Maler ist allgegenwärtig – beispielsweise im 123 Meter hohen gotischen Raum der Liebfrauenkirche.

©IMAGO/Pond5 Images/IMAGO/xNikitaMaykovx

Ein königliches Vergnügen 

Der Modeschaffende Dries Van Noten, bekannt für seine Muster und Motive, entwirft den barocken Blumengarten des Rubenshauses – das passt, mal wieder. Die Antwerpener verstehen es, ihre Stärken auszuspielen, vermutlich kommt ihnen hier das Kompakte auch zugute. Da gibt es kein großes Verzetteln, es ist klar, worum es geht – und man ergänzt sich. Das ist auch für Touristen ein Vorteil, denn der große Stress-Faktor, möglichst viel in 48 oder 72 Stunden zu sehen, fällt weg. 

Es geht sich alles aus, versprochen. Selbst wenn man zum Antwerp Designer Sale von 13. bis 19. Mai anreist. Zweimal im Jahr gibt es für Anhänger der belgischen Avantgardisten die Chance, zuzuschlagen. In Lagerhallen und Hinterräume lassen sich Prototypen, Archivstücke oder Modelle vergangener Kollektion finden. Hier staffiert man sich nicht mit Basics aus, sondern mit Charakter-Stücken, die nie wieder aussortiert werden. Bis zu 90 Prozent Rabatt sind drinnen und so ein Dries-Van-Noten-Teil ist fix ein besseres Souvenir als ein Kühlschrank-Magnet. Es gibt immer einen Frühjahrs- und Herbsttermin, fündig wird man garantiert.

Mach Platz, Paris! Viele sind überrascht, wie gut man in Antwerpen shoppen kann 

©wim haderman

Davor, danach oder zwischendrin gönnt man sich ganz klischeehaft Pommes (wobei man Fritten sagen sollte), aber nicht einfach banal mit Ketchup-Pflatscher obendrauf. Das "Frites Atelier" zeigt, wofür hier alle gerne anstehen. Pommes, garniert mit frisch geriebenem Parmesan, dazu Basilikum, in Form von abgezupften Blättern und einer Mayonnaise. Serviert in einer königsblauen Schale mit Goldlettern darauf. Das hat Stil. Dasselbe gilt für "The Chocolate Line“, untergebracht in einem von Napoleon renovierten Palais. Kaffir-Lime oder Sake-Praline, Modelle in Totenkopf-Form – und das in kaiserlichem Ambiente. Auch wenn heute ein König über das kleine EU-Gründungsland regiert, kann man das doch als imperiales Vergnügen durchgehen lassen.

Tipps

Shoppen

Essentiel Antwerp

Ein bisschen ausgefallen, aber sehr tragbar – dafür steht die Marke
Filiale z. B. in der Huidevettersstraat 57-59
essentiel-antwerp.com

Morobé

Neuer Flagship-Store der belgischen Schuh-Marke, 

Arenbergstraat 2, morobe.com

Chocolatier Goossens 

Echte Diamanten sind zu teuer? Dann werden es vielleicht die aus Schokolade! 

Isabellalei 6, goossens-chocolatier.com

Essen & Trinken

Cobra

Neu seit April: Vom Surrealist Spritz bis zum Toast Caviar: Jeder Menüpunkt ein Statement. Leopoldsplaats 3, cobra-antwerp.com

A Fresh Tart 

Cardamon-Buns, direkt am Hafen – geöffnet nur Freitag bis Sonntag.
Bordeauxstraat 7, afreshtart.be

Victor

High-End-Bistro von Chefkoch Victor Avonds, sehr sophisticated. Sint-Paulusplaats 25, restaurantvictor.be

Hotels

Botanic Sanctuary Antwerp

5 Sterne Superior, untergebracht im Mittelalter-Kloster, inmitten des botanischen Gartens. Besser geht’s nicht. 

botanicantwerp.be

Yust Antwerpen 
Charmant und gemütlich, bis Ende Juni ist auch ein IKEA-Retro-Zimmer buchbar. Gut 1 km vom Bahnhof entfernt. 

yust.com

Pascale Masselis

Miet-Apartments des Juwelendesigners Pascale Masselis in der Altstadt. 

pascalemasselis.be

Anreise

Entweder man fliegt nach Brüssel (Austrian Airlines, Brussel Airlines, Ryan Air) und fährt von dort mit Bus oder Zug (30 bis 45 Minuten) nach Antwerpen oder man nimmt gleich den Zug von Wien aus, dauert 10 bis 12 Stunden. Ein Ankommen im Bahnhof Antwerpen-Centraal ist jedenfalls der beste Anfang für den City-Trip. Manch einer vergleicht ihn sogar mit der New Yorker Grand Central Station.

Kommentare