Ein Model in den Sechzigerjahren mit langen Haaren und unzähligen Ketten und Ringen

Warum derzeit Schmuck gefragt ist, der an vergangene Zeiten erinnert

Filigrane Kettchen werden gegen auffällige Colliers getauscht. Ein Schmuck-Experte erklärt den Grund für die Retro-Welle.

"Diamonds Are Forever" sang Shirley Bassey 1971 für den gleichnamigen James-Bond-Film. Tatsächlich hat die Sängerin ein ausgeprägtes Faible für Schmuck. 80 Stücke ihrer riesigen Sammlung ließ die Musiklegende vor einigen Wochen versteigern.

2,2 Millionen Euro erzielten die Klunker, oft um mehr als das Doppelte des Schätzwertes. "Das Sammeln von Schmuck ist für mich wie das Sammeln von Erinnerungen", erklärte Bassey vor der Auktion.

Die Erinnerung an vergangene Zeiten wollen auch viele Schmuck-Affecionados aufleben lassen.

Nicht nur in der Mode gibt man sich derzeit der Nostalgie hin und setzt für neue Kollektionen auf Vorlagen aus vergangenen Jahrzehnten, auch im Juwelier-Bereich erlebt Schmuck wie von anno dazumal ein großes Revival.

Feine, grazile Kettchen und zarte Ringe, die in den letzten Jahren für Furore sorgten, sind Schnee von gestern. Jetzt wird opulenten Stücken Platz gemacht. 

Das Motto "Mehr ist mehr" wird wieder großgeschrieben. Auffällige Statement Pieces werden nun sogar zusammengetragen. 

Anleihen nimmt man sich gerne aus den glamourösen Siebzigern und Achtzigern als Gina Lollobrigida, Sophia Loren oder Liz Taylor gerne mit ihren Brillanten um die Wette strahlten.

1960: Sophia Loren mit Bulgari Juwelen

©Bulgari

1980: Gina Lollobrigida mit einer Serpenti Tubogas Uhr 

©BULgari

2024: Verena Altenberger mit einer Halskette der neuen Tubogas Kollektion

©PatDomingo/Bulgari

Ganz dick aufgetragen

Aber auch die Neunziger sind mit massiven Ringen und skulpturalen Designs zurück. In jedem Fall wird dick aufgetragen und auch von Farbe nicht zurückgeschreckt. 

Selbst scheinbar ausgediente Schmuckstücke wie Siegelringe erleben eine Renaissance. Und Armreifen, die in den letzten Jahren im Schmuckkästchen verbringen musste, werden hervorgeholt. Der Handschmuck ist wieder populär.

Kette mit skulpuralem Design und Perlen von Pandora, 189 Euro

©Hersteller, Pandora

Chunky Ohrringe von Attrē mit rückverfolgbaren Diamenten, 6.700 €

©Attre, Hersteller

Creolen aus Leder und Gold-Vermeil von Bottega Veneta um 900 Euro

©BottegaVeneta/Hersteller

Neue Kollektion von Jil Sander

©Jil Sander

„Avino“-Ring mit schwarzem Onyx aus Gold-Vermeil von Bruna the Label, 165 Euro

©BrunatheLabel/Hersteller

Ohrringe von Gucci, 350 Euro

©gucci

Tubogas neu interpretiert

Viele High Jewelry-Marken durchforsten ihre Archive, um ikonische Designs zeitgemäß neu aufzulegen. So wie Bulgari mit ihrer neugestalteten Tubogas-Kollektion. Die Linie, ursprünglich in den 1940er-Jahren entwickelt, erlebte ihre Blütezeit in den Siebzigerjahren und kehrt nun mit moderner Interpretation zurück.

Auf der Jagd nach besonderen Stücken

Beim italienischen Edeljuwelier geht man in Sachen alte Kollektionen so weit, dass ein Heritage Director die alten Schätze sammelt. Gislain Aucremanne ist Experte für Schmuckgeschichte und Kulturerbe-Verantwortlicher bei Bulgari. 

Sein Job: rund um den Globus nach besonderen Stücken der Marke Ausschau halten und sie zurückkaufen.

"Ich gehe auf Auktionen oder wir sind in Kontakt mit Privatpersonen. Wie mit einer Frau, die das Erbstück ihrer Oma lieber uns verkauft hat, als jemand Unbekanntem, dem es vielleicht nur um eine Investition geht." Im Museum in Rom, das dieser Tage neu eröffnet wurde, sind die Raritäten dann für alle zugänglich – kostenlos.

Der Schmuck-Jäger gerät vor allem bei Colliers aus den Siebzigern ins Schwärmen: "Sie waren durch das Zusammenspiel mit Edelsteinen die Basis für vieles."

Neue Tubogas Kollektion: Collier aus 18 Karat Roségold mit blauem Tansanit

©bulgari

Neue Tubogas Kollektion: Armreifen in Goldgelb mit Diamanten

©Bulgari

Verklärte alte Zeit

Warum die Sehnsucht nach Retro-Design gerade jetzt aufflammt? "In einer Zeit von großer Unsicherheit ist es immer angenehm, zurückzuschauen. Man verklärt die Vergangenheit dann aber gerne und macht sie zu einer Projektion."

Für Aucremanne ist die aktuelle Nostalgie-Welle nicht weiter verwunderlich. Er zieht Parallelen zur Ölkrise der Siebziger, die die Postmoderne prägte – es war die Zeit, in der der Glaube an stetigen Fortschritt schwand und die Geschichte nicht mehr als linearer Prozess gesehen wurde. Waren die Sechzigerjahre noch von positivem Zukunftsdenken geprägt, schätzte man die Vergangenheit nun in Form von kulturellen Referenzen.

Ein Phänomen, das sich heute scheinbar wiederholt.

Heritage Director Bulgari, Gislain Aucremanne 

©Ritratt, Bulgari

Gislain Aucremanne ist Franzose, hat Kunstgeschichte studiert und sich auf Schmuckhistorie spezialisiert. 

Nach seiner Ausbildung an der École du Louvre hat Aucremanne mit unterschiedlichen Museen zusammengearbeitet, bevor er 2023 Heritage Director von Bulgari wurde.

Er kuratiert Ausstellungen (derzeit in Dubai und Miami) und die wechselnden Sammlungen im neuen Museum in Rom.

Christina Michlits

Über Christina Michlits

Hat Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert. Nach Kennenlernen des Redaktionsalltags bei Profil und IQ Style, ging es unter anderem zu Volume und dem BKF. Seit 2010 bei KURIER für die Ressorts Lebensart und Freizeit tätig. Schwerpunkte: Mode, Design und Lifestyle-Trends.

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