Warum derzeit Schmuck gefragt ist, der an vergangene Zeiten erinnert
Filigrane Kettchen werden gegen auffällige Colliers getauscht. Ein Schmuck-Experte erklärt den Grund für die Retro-Welle.
"Diamonds Are Forever" sang Shirley Bassey 1971 für den gleichnamigen James-Bond-Film. Tatsächlich hat die Sängerin ein ausgeprägtes Faible für Schmuck. 80 Stücke ihrer riesigen Sammlung ließ die Musiklegende vor einigen Wochen versteigern.
2,2 Millionen Euro erzielten die Klunker, oft um mehr als das Doppelte des Schätzwertes. "Das Sammeln von Schmuck ist für mich wie das Sammeln von Erinnerungen", erklärte Bassey vor der Auktion.
Die Erinnerung an vergangene Zeiten wollen auch viele Schmuck-Affecionados aufleben lassen.
Nicht nur in der Mode gibt man sich derzeit der Nostalgie hin und setzt für neue Kollektionen auf Vorlagen aus vergangenen Jahrzehnten, auch im Juwelier-Bereich erlebt Schmuck wie von anno dazumal ein großes Revival.
Feine, grazile Kettchen und zarte Ringe, die in den letzten Jahren für Furore sorgten, sind Schnee von gestern. Jetzt wird opulenten Stücken Platz gemacht.
Das Motto "Mehr ist mehr" wird wieder großgeschrieben. Auffällige Statement Pieces werden nun sogar zusammengetragen.
Anleihen nimmt man sich gerne aus den glamourösen Siebzigern und Achtzigern als Gina Lollobrigida, Sophia Loren oder Liz Taylor gerne mit ihren Brillanten um die Wette strahlten.
Ganz dick aufgetragen
Aber auch die Neunziger sind mit massiven Ringen und skulpturalen Designs zurück. In jedem Fall wird dick aufgetragen und auch von Farbe nicht zurückgeschreckt.
Selbst scheinbar ausgediente Schmuckstücke wie Siegelringe erleben eine Renaissance. Und Armreifen, die in den letzten Jahren im Schmuckkästchen verbringen musste, werden hervorgeholt. Der Handschmuck ist wieder populär.
Tubogas neu interpretiert
Viele High Jewelry-Marken durchforsten ihre Archive, um ikonische Designs zeitgemäß neu aufzulegen. So wie Bulgari mit ihrer neugestalteten Tubogas-Kollektion. Die Linie, ursprünglich in den 1940er-Jahren entwickelt, erlebte ihre Blütezeit in den Siebzigerjahren und kehrt nun mit moderner Interpretation zurück.
Auf der Jagd nach besonderen Stücken
Beim italienischen Edeljuwelier geht man in Sachen alte Kollektionen so weit, dass ein Heritage Director die alten Schätze sammelt. Gislain Aucremanne ist Experte für Schmuckgeschichte und Kulturerbe-Verantwortlicher bei Bulgari.
Sein Job: rund um den Globus nach besonderen Stücken der Marke Ausschau halten und sie zurückkaufen.
"Ich gehe auf Auktionen oder wir sind in Kontakt mit Privatpersonen. Wie mit einer Frau, die das Erbstück ihrer Oma lieber uns verkauft hat, als jemand Unbekanntem, dem es vielleicht nur um eine Investition geht." Im Museum in Rom, das dieser Tage neu eröffnet wurde, sind die Raritäten dann für alle zugänglich – kostenlos.
Der Schmuck-Jäger gerät vor allem bei Colliers aus den Siebzigern ins Schwärmen: "Sie waren durch das Zusammenspiel mit Edelsteinen die Basis für vieles."
Verklärte alte Zeit
Warum die Sehnsucht nach Retro-Design gerade jetzt aufflammt? "In einer Zeit von großer Unsicherheit ist es immer angenehm, zurückzuschauen. Man verklärt die Vergangenheit dann aber gerne und macht sie zu einer Projektion."
Für Aucremanne ist die aktuelle Nostalgie-Welle nicht weiter verwunderlich. Er zieht Parallelen zur Ölkrise der Siebziger, die die Postmoderne prägte – es war die Zeit, in der der Glaube an stetigen Fortschritt schwand und die Geschichte nicht mehr als linearer Prozess gesehen wurde. Waren die Sechzigerjahre noch von positivem Zukunftsdenken geprägt, schätzte man die Vergangenheit nun in Form von kulturellen Referenzen.
Ein Phänomen, das sich heute scheinbar wiederholt.
Gislain Aucremanne ist Franzose, hat Kunstgeschichte studiert und sich auf Schmuckhistorie spezialisiert.
Nach seiner Ausbildung an der École du Louvre hat Aucremanne mit unterschiedlichen Museen zusammengearbeitet, bevor er 2023 Heritage Director von Bulgari wurde.
Er kuratiert Ausstellungen (derzeit in Dubai und Miami) und die wechselnden Sammlungen im neuen Museum in Rom.
Kommentare