Legendäre Mode-Rebellen und ihr Kampf gegen Fast-Fashion
Eine Ausstellung in Hamburg erinnert daran, dass Vivienne Westwood bis Martin Margiela mit nachhaltiger Mode Statements setzten, als es noch nicht trendig war.
Sie galten und gelten immer schon als schwierig, fallen durch exzentrische Inszenierungen und öffentliche Proteste auf und wollen damit doch nur eines erreichen: das Umdenken in der Modeindustrie – und bei den Konsumenten.
Trotz der Fridays-for-Future-Bewegung und einer konsumbewussteren Gen Z, der Nachhaltigkeit immer wichtiger wird, wachsen die Umsätze von Fast-Fashion-Labels wie Mango, H&M oder dem Inditex Konzern stetig weiter. Schnelllebige Mode ist nach wie vor der Renner und überholt den Trend, in Vintage-Geschäften einzukaufen.
Aber Schönheit und Schnelllebigkeit als Ausdruck eines Modestyles waren rebellischen Modedesignern wie Vivienne Westwood oder Martin Margiela zu wenig.
Mit politischen Statements und dekonstruierten Schnitten kämpften engagierte europäische wie japanische Modeschöpfer bereits in den 1980er-Jahren gegen gängige Modeideale an.
Die Hamburger Ausstellung "I.M POSSIBLE – Alles ist erlaubt!" will das in Erinnerung rufen und zeigt Arbeiten der besten avantgardistischen Modedesigner des 20. Jahrhunderts sowie visionäre Entwürfe der Next Generation. Diese kämpft mit ihren Statements gegen Textilriesen, die jährlich unzählige Kollektionen unter schlechten Produktionsbedingungen auf den Markt bringen, geschredderte Neuware internationaler Luxuslabels und die Zerstörung von Ökosystemen durch Produktion und Abfall.
Andererseits wollen auch sie die Mode auf den Kopf stellen, die Vorstellung von Schönheit revolutionieren und eine neue Beziehung zwischen Körper und Kleid herstellen. Ihr Modecredo: "Kaufe weniger, wähle gut!"
Rebellische Vorreiter
Vivienne Westwood, die Londoner Moderebellin, machte mit ihren Outfits für die Punk-Band "Sex Pistols" 1976 den Anfang für dekonstruierte Mode. Mit aufgenähten Zipps, Sicherheitsnadeln und zerrissenen Stoffen kämpfte sie gegen die spießbürgerlichen Kleidungsvorschriften an und prägte mit ihrem ikonischen Schottenkaro die Mode einer Generation, die sich als antikonform verstand.
Anfang der 1980er-Jahre rockten die japanischen Designer Yohji Yamamoto und Rei Kawakubo, sowie die Belgier Martin Margiela oder Ann Demeulemeester, die Pariser Laufstege. 1982 schockierten Kawakubo, Gründerin des Labels Comme des Garçons, und Yohji Yamamoto die Modewelt mit schwarzen Kollektionen aus gewickelten Stoffen und Militärzitaten, mit denen sie sich dem damals modernen Schlankheitsideal widersetzen wollten.
Von ihnen ließ sich wiederum die Antwerpener Modeszene mit Walter Van Beirendonck, Ann Demeulemeester und Martin Margiela inspirieren. Van Beirendonck inszenierte mit seinen bunt zusammengewürfelten Stoffen pop-folkloristische Buntheit und spielte mit "schlechtem Geschmack".
Demeulemeester verhüllte zwar elegant, aber schwarz und konturlos die Körper der Models. Und Martin Margielas frühe Stoffcollagen waren dem Punk verpflichtet.
Die Maison, damals Vorreiter, blickt auch heute wieder engagiert in die Zukunft: Auf der heurigen Paris Fashion Week wurde das Couture-Defilee des Modedesigners John Galliano für Maison Margiela eine Million Mal auf YouTube geklickt. Ein Beweis, dass das Enfant terrible der Modeszene, John Galliano, der nach seinen antisemitischen Äußerungen gecancelt wurde, in den Modezirkus zurückgekehrt ist.
In der Ausstellung werden die antikonformen Modeansichten der damaligen Zeit mit dekonstruktivistischer Mode, die die Herstellungsprozesse der Kleider sichtbar machen will, gezeigt: Kunstvolle handgemachte Fertigung macht sie nachhaltig. Durch avantgardistische Schnitte werden sie zeitlos und von Trends unabhängig. Und durch komplizierte Fertigungstechniken, die manchmal auf Traditionen von Urgroßmüttern oder alten Kulturen beruhen, wie etwa selbstgewebte Garne, handvernähte Säume oder feine Stickereien, werden sie zu Zeugen von alten Kulturtechniken.
Kritische Next Generation
Das alles ist in der Hamburger Ausstellung "I.M POSSIBLE – Alles ist erlaubt!" im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen. Ergänzt wird sie laufend mit Entwürfen von zeitgenössischen Modedesignern, wie Marina Hoermanseder oder Flora Miranda-Seierl. Designerinnen, die mit KI-Techniken neue Materialien und Ideen entwickeln, um Mode nachhaltig, ohne Überproduktion, zukunftsfit zu machen, Kleidungsstücke auf persönliche Bedürfnisse zuzuschneiden und weniger produzieren.
Dass man sich Gedanken darüber machen sollte, welchen Wert unsere Kleidung heute hat, zeigen die Entwürfe der Salzburgerin Miranda-Seierl, deren Kleider auch schon in der Ausstellung Critical Consumption im Wiener MAK zu sehen waren. Mit futuristisch anmutender Haute Couture zeigte die Mode-Wissenschaftlerin, wie sie in Zukunft mit eigens entwickelter Software für Designsysteme Produktionen automatisieren will, um Überproduktionen zu vermeiden.
Ihrer Cyber Crack-Kollektion entstammt auch das Crinkle Dress (2020), das sie in Zusammenarbeit mit der Wiener Künstlerin Esther Stocker entwickelte, das jetzt in der Hamburger Ausstellung zu sehen ist. Das Grid, die Gitterstruktur, die das Kleid überzieht, soll als Metapher für die allgegenwärtige Vernetzung des Internets stehen und auf eine Art unsichtbar machen, was durch das Verdecken des Gesichts erreicht wird.
Flora Miranda-Seierl, die bei Iris van Herpen studierte, deren visionäre Ki-basierte Kleider auch Teil der Ausstellung sind, meint: "Es geht mir um virtuelle Entwürfe, die Erforschung neuer Stoffe. Mit den Kleidern will ich dazu anregen, über die Zukunft der Mode nachzudenken."
Für die Kuratorin und Leiterin der Sammlung Mode und Textil am Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, Bisrat Negassi, ist vor allem Nachhaltigkeit das Thema der Zukunft. "Mode ist nicht nur ein Stück Stoff oder ein Trend, sie ist die tägliche Geschichtsschreibung unseres Daseins. Sie bietet Schutz und Kraft, sie verleiht Identität und bedeutet für jeden einzelnen noch viel mehr. Die Direktheit der Mode, die Seelen berührt, Menschen bestärkt und Gesellschaften verändert, die interessiert mich."
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