Mode von der KI

Die Künstliche Intelligenz als Mode-Assistent

Heute entwerfen Designer mithilfe Künstlicher Intelligenz Kollektionen und verändern damit die Modeindustrie. Werden wir uns bald selbst Luxustaschen aus dem 3D-Printer drucken können?

Es gibt Mode, die ist fast zu schön, um wahr zu sein – geschaffen von der KI, der Künstlichen Intelligenz. Wie etwa die Luxus-Accessoires des jungen Modedesigners Niels Nijman Diffre, die heuer bei der Dutch Design Week vorgestellt wurden. Er zeigte Luxus-Hybride von Taschen, Kappen und Schuhen, die wie echte High-Fashion-Stücke aussahen und die Grenzen zwischen Original und Replikation verwischten. Dafür fütterte Diffre einen KI-Bildgenerator mit Namen hochkarätiger Marken, die in den Pariser Vororten angesagt sind, etwa Gucci, Louis Vuitton, Lacoste und Air Max. Dann wurden die Bilder im 3D-Printer gedruckt, lackiert und ausgestellt.

 

Mode aus dem 3D-Drucker?

Fast sahen sie aus wie die Luxusprodukte der begehrten Labels. Wäre es nicht praktisch sich in Zukunft Taschen oder sogar Geschenke für die Liebsten, gleich im Print-Shop nebenan aus dem 3D-Drucker zu holen?

Luxusmode aus dem Drucker zwischen Original und Kopie: Die Handtaschen von Niels Nijman Diffre wurden auf der Dutch Design Week gezeigt

©anwyn howarth

Billig wäre das nicht, denn selbst Taschen der Designer Vicki Tsang und Di Yi, die echte Mode aus dem 3D-Drucker entwickeln und nach neuen Materialien forschen, kosten mehr als 600 Euro. Außerdem wäre es bis dahin noch ein weiter Weg, obwohl die KI in der Modeindustrie längst eingesetzt wird.

Die  Designer Vicki Tsang und Di Yi von Gnastiy experimentieren mit neuem Material für Taschen aus dem 3D-Drucker, ca. 650 €

©Gnastiy

„Seit Jahren gibt es die Vision, dass wir in Zukunft bei Modemarken ein File kaufen und dann am 3D-Drucker ausdrucken. Aber allein die Materialauswahl wäre dafür viel zu komplex, um sich als Massenprodukt durchzusetzen“, sagt etwa Anne-Liese Prem von tomorrowstories. Die Trendforscherin und Expertin für das web 3.0 meint aber, dass KI in Zukunft zwar neue Designs entwickeln kann, aber Designern nur als Tool dienen wird, um Techniken, etwa bei der Haute Couture zu vereinfachen. „Die Einzigartigkeit und das handwerkliche Können der Haute Couture bleiben wertvoll, KI kann aber dabei helfen“, sagt Prem. Und weiter: „Designer bleiben unersetzlich für ihre kreativen Visionen und ihr Verständnis für Ästhetik und die Übersetzung des aktuellen Zeitgeists.“

Die KI sei ein Werkzeug, das Designern helfe, ihre Ideen effizienter umzusetzen. So wenden etwa die Modepionierinnen Iris van Herpen  oder die Österreicherin Flora Miranda, die bei van Herpen studierte, längst KI bei ihren Modeentwürfen an. Sie setzen dabei die neuesten Technologien, sogenanntes generatives Design, vom 3D-Print bis zu spezieller Software für logistische Herstellungs- und Produktionsprozesse und computergesteuerte Schnitttechniken ein.

Mode von der KI

Iris van Herpens aktuelle Kollektion Architectonics

©Gamma-Rapho via Getty Images/Victor VIRGILE/Getty Images

Iris van Herpen arbeitet seit 2010 mit KI, um maßgeschneiderte Kleidungsstücke, passend in Stil und Farbe, nach Wunsch zu produzieren. Und je besser KI mit Informationen und Daten gefüttert wird, desto persönlicher und kreativer ist das Ergebnis. Auch Beyoncé oder Lady Gaga lieben van Herpens feinen futuristischen Look, den kürzlich auch Königin Maxima von Schweden würdigte, indem sie in einem Iris-van-Herpen-Kleid die Ausstellung der Designerin „Sculpting the Senses“ im Pariser Musée des Arts Décoratifs eröffnete. 

Die Londoner Designerin Raya Khalifeh setzt KI-Technologien ein, um alte handwerkliche Muster ins Heute zu bringen

©RAIYA

Die Londoner Designerin Raya Khalifeh vermittelt wiederum in „Craftnology“-Frameworks traditionelles Handwerk an die nächste Designergeneration und entwickelt ihre Kollektion Seven by Raiya mit Hilfe generativen Designs – einen Avatar gibt es zu jedem gekauften echten Modell digital dazu. Raya studierte am London College of Fashion, zeigte ihre Arbeiten im Victoria and Albert Museum in London und war im Team von Alexander McQueen. „Wir verwenden nachhaltige Materialien, zum Beispiel bei T-Shirts eine Mischung aus Bambus- und Bio-Baumwolle und besticken sie dann.“ Dazu werden die neuesten KI-gesteuerten Techniken eingesetzt.

Zu jedem echten Kleidungsstück von Raya Khalifeh gibt es einen digitalen Avatar dazu

©RAIYA

„Die Einbeziehung von KI in meinen Arbeitsablauf hat ihn wirklich revolutioniert. Ich kann mit ihrer Hilfe das Design traditioneller Stickmuster sogar erweitern. Damit wird mein persönlicher Stil zur maßgeschneiderten Couture.“ Raya sieht in der KI Vorteile für schnellere wie nachhaltigere Produktion und Visualisierung. 

Nachschneidern der KI-Entwürfe 

Wäre es also jetzt schon möglich, sich noch schnell vor einer Party von der KI ein Kleid designen zu lassen, um es dann nachzuschneidern? Einige Designer und Modelabels haben das bereits ausprobiert. Erst ließen sie mittels KI-Programmen Mode entwerfen, danach wollten sie diese realisieren. Dabei zeigte sich, dass KI-generiertes Modedesign gar nicht so leicht nachgeschneidert werden kann. Etwa bei einem Modell von G-Star. 

 Erst KI-Entwurf, dann Mode zum Tragen von G-Star

©G-STAR RAW

Das Designteam des niederländischen Denim-Labels fütterte erst ein KI-Tool mit markenspezifischen Informationen, das daraufhin zwölf futuristische „Raw-Denim-Couture-Stücke“ mit Ballonärmeln und komplizierten Applikationen  entwarf. Die hauseigene Schneiderei musste das Cape-Modell anschließend in ein einfacheres, tragbares Stück übersetzen, denn KI denkt (noch) nicht praktisch. 

Das Denim-Label G-Star schneiderte ein „Raw-Denim-Couture-Stück“ nach und musste die KI-Entwürfe abändern

©G-STAR RAW

Auch die Online-Plattform Revolve machte diese Erfahrung. Sie wirbt zwar mit digitalen Modekampagnen, die komplett von KI generiert wurden, wollte daraus aber ein Outfit in reale Mode übersetzen.

Die Online-Plattform Revolve realisiert und vertreibt KI-Mode der Gewinner ihres KI-Wettbewerbs, hier von x Paatiff

©REVOLVE

Als die digitalen Schnittmuster nachgeschneidert wurden, zeigte sich, dass die von KI entworfenen Schnitte nicht umsetzbar und auch nicht tragbar waren und sogar von den Designern per Hand nachgezeichnet werden mussten.

KI als Geschenk- und Typberater

Also wieder nichts mit einem schnellen, stylischen Geschenk vom Label „KI“. Dafür funktioniert KI als Tool im Onlinehandel schon länger.

Die Online-Plattform Revolve realisiert und vertreibt KI-Mode der Gewinner ihres KI-Wettbewerbs

©REVOLVE

Modelabels wie etwa Zegna setzen auf digitale Avatare als Typ-Berater, mit denen man seinen persönlichen Modestil ausprobieren kann. „KI hilft bereits vielen Firmen im Ready-to-Wear-Segment, Trends zu antizipieren und die Produktionseffizienz zu steigern und gilt schon jetzt als neuer Standard. Gepaart mit 3D-Druck, virtuellen Fittings und Stores verändert sich die komplette Wertschöpfungskette vom ersten Design bis hin zum Marketing im Geschäft“, sagt Expertin Prem. 

So werden dank KI zukünftig auch die Modemüllberge kleiner, denn produziert wird nur das, was gekauft wird. Und wir können unseren persönlichen Style oder die Looks von Stilikonen via Avatar ausprobieren und nachstylen. Wer das schon einmal ausprobiert hat, wird bemerken, dass die KI nicht nur nicht praktisch denkt, sondern auch ein bisschen einfallslos ist. Bei einem Versuch die jährliche Geschenkefrage an die KI abzuwälzen, spuckte sie zum Thema Weihnachtsgeschenke für die Familie folgendes aus: 

Schenken Sie ihrem betagten Vater eine warme Decke. Ihrer Schwester (einer Ärztin) ein Stethoskop, Medizinschmuck oder einen Massage-Geschenkgutschein. Für den sportlichen Bruder eine Hochleistungssportausrüstung oder ein Ticket zu einem Sportevent. Der Nichte (einer angehenden Anwältin) schenken Sie einen ledergebundenen Notizblock oder eine professionelle Aktentasche sowie Bücher zum Thema Recht und eine stilvolle Bürodekoration. Na dann, frohe Weihnachten!

Florentina Welley

Über Florentina Welley

Mag. Florentina Welley schreibt seit 2006 als Lifestyle-Autorin über ihre Lieblingsthemen: Mode, Reise, Design und Kunst. Darüber hinaus konzipiert sie Shootings, kuratiert auch Kunst- und Designevents. Auch Film-Erfahrung hat sie, etwa als Co-Produzentin für den Spielfilm „Die toten Fische“, darüber hinaus ist sie in Werbung und Medien bekannt für Konzepte, Textierungen jeden Genres und Modeproduktionen samt Styling, Regieassistenz, Ausstattung und Kostümbild.

Kommentare