Narzissmus in der Beziehung: So geht man damit um

Im Interview gibt Mag. Katharina Schuldner nützliche Ratschläge, wie man mit einer narzisstischen Person in einer Partnerschaft umgeht.

Am Anfang scheint alles perfekt. Plötzlich findet man sich in einer Beziehung gefangen, in der man sich selbst aufgibt. Betroffene Personen haben das Gefühl, sie müssen ihr Gegenüber in der Partnerschaft zufriedenstellen und ihre eigenen Bedürfnisse hintanstellen. Mag. Katharina Schuldner ist klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin mit dem Schwerpunkt auf Narzissmus. Im Interview gibt sie Tipps, worauf man beim Umgang mit narzisstischen Personen achten sollte.

Anmerkung: Wenn im Interview von "Narzisst" die Rede ist, sind immer beide Geschlechter gemeint. Sowohl Frauen als auch Männer können narzisstische Persönlichkeitsstrukturen aufweisen und sowohl Opfer als auch Täter sein.

Wieso wirken Narzissten anfangs so anziehend?
Sie sind zu Beginn sehr charismatisch. Sie sind redegewandt, sie wirken selbstbewusst und sie versprühen einen gewissen Charme, der anziehend wirken kann.
Wodurch wickeln Narzissten ihre neuen Partner so leicht um den Finger?
Der Narzisst überschüttet das Gegenüber mit Liebesbekundungen und mit Komplimenten. Dabei verspricht er, eine einzigartige gemeinsame Zukunft. Es kommt zu einer gegenseitigen Aufwertung und Bewunderung. Ein bisschen zu schön, um wahr zu sein. Oft ist es so, dass sich Personen sehr schnell, mit so jemanden in eine Beziehung einlassen wollen und ihr Gegenüber nicht ausreichend prüfen. Die Bewunderung wird oft mit Liebe verwechselt.
Gibt es Warnsignale vorweg?
Selbst wenn am Anfang alles perfekt wirkt, merken Betroffene mit der Zeit, dass sie die eigenen Bedürfnisse immer öfter hintenanstellen müssen. Man richtet sich verstärkt danach, was den Narzissten zufrieden stellen könnte, was dieser braucht und was man ihm geben muss. Betroffene müssen ihre Wünsche immer mehr aufgeben, um dem Narzissten zu genügen oder um möglichst wieder diesen Urzustand der Anfangsphase, herzustellen. Dabei geht die Autonomie immer stärker verloren und sie werden in ihrer psychischen Integrität verletzt. Es kommt vermehrt zu Drohungen, Einschüchterungen, Liebesentzug, Demütigungen, Entwertung oder ähnlicher psychischer Gewalt. Ein weiteres Warnzeichen ist, wenn der Täter das eigene Verhalten verharmlost. Es finden Schuldzuweisungen an das Opfer statt, bis dieses mit der Zeit denkt, es macht alles falsch.
Ab wann spricht man von "narzisstischem Missbrauch"?
Von Missbrauch spricht man, wenn psychische Gewalt über einen längeren Zeitraum stattfindet und ein regelmäßiges Muster von verbalen Angriffen, Entwertungen oder Manipulation bemerkbar wird. Diese sind systematisch und werden häufig eingesetzt, um Macht und Kontrolle auszuüben. Ein normales Streitgespräch würde zu einem konstruktiven Ausgang führen, an dem die Beziehung wächst, aber in einer narzisstischen Beziehung werden Konflikte nicht gelöst. Eher führen sie zur psychischen und physischen Erschöpfung der Betroffenen.
Was tun, wenn man sich in einer Beziehung mit einem Narzissten wiederfindet?
Das Erkennen ist der erste und wichtigste Schritt. Dann kann man eine gewisse Distanz zur Situation herstellen. Kommt man aufgrund emotionaler oder finanzieller Abhängigkeiten nicht aus der Beziehung heraus, sollte man gewisse Verhaltensweisen berücksichtigen. Es ist unerlässlich, dass man wiederholt und nachdrücklich Grenzen setzt, auch "Nein" sagt sowie sich vom Narzissten nicht alles gefallen lässt. Man darf sich nicht verunsichern lassen und immer die Schuld bei sich selbst suchen. Es ist ein Beziehungsgeschehen, bei dem man auch auf die eigenen Wünsche und Bedürfnisse achten sollte, um dann entsprechend zu handeln.
Wie kann man im Streit oder in einer Konfrontation vorgehen?
Kritik sollte man sehr gut verpacken und das Gegenüber dabei loben oder eine Gemeinsamkeit hervorheben – die gemeinsamen Kinder, das gemeinsame Haus, gemeinsame Erinnerungen. Damit kann man Aggressionen entgegenwirken und diese eventuell verhindern. Man sollte sich auch nicht in sehr lange Diskussionen verwickeln lassen, sondern kurze und klare Ansagen machen. Macht einem der Narzisst Druck, ist es wichtig Zeit zu gewinnen, um darüber nachdenken zu können. Dafür kann man sich einen gewissen Zeitpunkt ausmachen, um über den Diskussionspunkt zu sprechen.
Zur Person

Zur Person

Mag. Katharina Schuldner ist klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin (Gestalttheoretische Psychotherapie) in Wien. In ihrer Praxis hilft sie Betroffenen, die Folgen narzisstischer Gewalt zu bewältigen und zu überwinden. Ihr Anliegen ist es, über psychische Gewalt aufzuklären und ein Setting anzubieten, in dem Betroffene über den erlebten Missbrauch sprechen können.

Mehr Informationen findet ihr auf ihrer Website.

Worauf sollen Betroffene bei sich selbst besonders achten?
Wichtig ist, seine eigenen Interessen zu wahren, sich nicht sozial isolieren zu lassen, seine Freundschaften zu pflegen, mit anderen Personen im Kontakt zu sein und auch mit Freunden oder Familie über die Probleme zu sprechen. Grundsätzlich geht es darum, dass man nicht sein ganzes Leben für den Narzissten aufgibt und aufopfert.
An wen kann man sich wenden, um Hilfe zu bekommen?
Man kann psychologische Beratung oder Psychotherapie in Anspruch nehmen. Ziel ist es unter anderem, über die Erkrankung aufzuklären und die Gefühle der Betroffenen klar aus- und anzusprechen, damit diese eingeordnet werden können. Dem zugrunde liegt der Wunsch der Betroffenen nach Anerkennung und Verständnis. Auch können eigene Anteile geklärt werden, wieso man überhaupt so lange in so einer Art von Beziehung verharrt oder sich nicht trennen kann. Es wird daran gearbeitet, die eigene Selbstliebe und das Selbstwertgefühl wieder zu stärken.
Eine Alternative wäre eine Selbsthilfegruppe, wo man über das Erlebte sprechen kann und mal Worte dafür finden kann. Man findet auch ganz viel Material mittlerweile im Internet, in Podcasts und in Foren, wo man sich mit anderen Betroffenen austauschen kann. Darüber hinaus gibt es Notrufnummern, Frauenhäuser sowie Rat auf Draht für Kinder und Jugendliche, an die man sich bei Missbrauchsbeziehungen wenden kann. Es ist ganz wichtig, Hilfe zu suchen und nicht zu schweigen.
Was ist Narzissmus?

Im Duden findet man als Definition, eine übersteigerte Selbstliebe oder eine Ichbezogenheit. Unterschieden muss man zwischen Narzissmus und narzisstischer Persönlichkeitsstörung. Darunter versteht man eine tief verwurzelte, anhaltende Veränderung des Verhaltens. Narzisstische Personen zeigen deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und auch in der Beziehung zu anderen. Sie weisen ein anhaltendes Muster von Großartigkeit auf, entweder in der Fantasie oder im Verhalten. Dabei haben sie auch ein Bedürfnis an Bewunderung sowie ein Mangel an Einfühlungsvermögen.

Alexander Gutmaier

Über Alexander Gutmaier

Redakteur bei freizeit.at. Der gebürtige Wiener mit dem Spitznamen "Lex" studierte Werbung & Marktkommunikation und machte sich danach auf seinen beruflichen Weg in die großen Redaktionen Österreichs. Dabei war er bereits für Lifestyle- & Mode-Magazine als auch im TV-Bereich tätig. Zu seinen Leidenschaften zählen Musik, Kochen sowie jegliche Art, sich selbst herauszufordern - besonders, wenn er dadurch Dinge zum ersten Mal machen kann.

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