Selbst wenn am Anfang alles perfekt wirkt, merken Betroffene mit der Zeit, dass sie die eigenen Bedürfnisse immer öfter hintenanstellen müssen. Man richtet sich verstärkt danach, was den Narzissten zufrieden stellen könnte, was dieser braucht und was man ihm geben muss. Betroffene müssen ihre Wünsche immer mehr aufgeben, um dem Narzissten zu genügen oder um möglichst wieder diesen Urzustand der Anfangsphase, herzustellen. Dabei geht die Autonomie immer stärker verloren und sie werden in ihrer psychischen Integrität verletzt. Es kommt vermehrt zu Drohungen, Einschüchterungen, Liebesentzug, Demütigungen, Entwertung oder ähnlicher psychischer Gewalt. Ein weiteres Warnzeichen ist, wenn der Täter das eigene Verhalten verharmlost. Es finden Schuldzuweisungen an das Opfer statt, bis dieses mit der Zeit denkt, es macht alles falsch.
Ab wann spricht man von "narzisstischem Missbrauch"?
Von Missbrauch spricht man, wenn psychische Gewalt über einen längeren Zeitraum stattfindet und ein regelmäßiges Muster von verbalen Angriffen, Entwertungen oder Manipulation bemerkbar wird. Diese sind systematisch und werden häufig eingesetzt, um Macht und Kontrolle auszuüben. Ein normales Streitgespräch würde zu einem konstruktiven Ausgang führen, an dem die Beziehung wächst, aber in einer narzisstischen Beziehung werden Konflikte nicht gelöst. Eher führen sie zur psychischen und physischen Erschöpfung der Betroffenen.
Was tun, wenn man sich in einer Beziehung mit einem Narzissten wiederfindet?
Das Erkennen ist der erste und wichtigste Schritt. Dann kann man eine gewisse Distanz zur Situation herstellen. Kommt man aufgrund emotionaler oder finanzieller Abhängigkeiten nicht aus der Beziehung heraus, sollte man gewisse Verhaltensweisen berücksichtigen. Es ist unerlässlich, dass man wiederholt und nachdrücklich Grenzen setzt, auch "Nein" sagt sowie sich vom Narzissten nicht alles gefallen lässt. Man darf sich nicht verunsichern lassen und immer die Schuld bei sich selbst suchen. Es ist ein Beziehungsgeschehen, bei dem man auch auf die eigenen Wünsche und Bedürfnisse achten sollte, um dann entsprechend zu handeln.
Wie kann man im Streit oder in einer Konfrontation vorgehen?
Kritik sollte man sehr gut verpacken und das Gegenüber dabei loben oder eine Gemeinsamkeit hervorheben – die gemeinsamen Kinder, das gemeinsame Haus, gemeinsame Erinnerungen. Damit kann man Aggressionen entgegenwirken und diese eventuell verhindern. Man sollte sich auch nicht in sehr lange Diskussionen verwickeln lassen, sondern kurze und klare Ansagen machen. Macht einem der Narzisst Druck, ist es wichtig Zeit zu gewinnen, um darüber nachdenken zu können. Dafür kann man sich einen gewissen Zeitpunkt ausmachen, um über den Diskussionspunkt zu sprechen.
Worauf sollen Betroffene bei sich selbst besonders achten?
Wichtig ist, seine eigenen Interessen zu wahren, sich nicht sozial isolieren zu lassen, seine Freundschaften zu pflegen, mit anderen Personen im Kontakt zu sein und auch mit Freunden oder Familie über die Probleme zu sprechen. Grundsätzlich geht es darum, dass man nicht sein ganzes Leben für den Narzissten aufgibt und aufopfert.
An wen kann man sich wenden, um Hilfe zu bekommen?
Man kann psychologische Beratung oder Psychotherapie in Anspruch nehmen. Ziel ist es unter anderem, über die Erkrankung aufzuklären und die Gefühle der Betroffenen klar aus- und anzusprechen, damit diese eingeordnet werden können. Dem zugrunde liegt der Wunsch der Betroffenen nach Anerkennung und Verständnis. Auch können eigene Anteile geklärt werden, wieso man überhaupt so lange in so einer Art von Beziehung verharrt oder sich nicht trennen kann. Es wird daran gearbeitet, die eigene Selbstliebe und das Selbstwertgefühl wieder zu stärken.
Eine Alternative wäre eine Selbsthilfegruppe, wo man über das Erlebte sprechen kann und mal Worte dafür finden kann. Man findet auch ganz viel Material mittlerweile im Internet, in Podcasts und in Foren, wo man sich mit anderen Betroffenen austauschen kann. Darüber hinaus gibt es Notrufnummern, Frauenhäuser sowie Rat auf Draht für Kinder und Jugendliche, an die man sich bei Missbrauchsbeziehungen wenden kann. Es ist ganz wichtig, Hilfe zu suchen und nicht zu schweigen.
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