Richtig scheiden lassen: Tipps und Infos von einer Rechtsanwältin
Im Interview gibt euch Mag. Susanna Perl-Lippitsch nützliche Ratschläge, wie ihr Überraschungen bei der Scheidung vermeiden könnt.
Manchmal ist es für das eigene Wohl besser, mit dem Ehepartner getrennte Wege zu gehen. Wie man bei der Scheidung unangenehme Überraschungen vermeidet, verrät Mag. Susanna Perl-Lippitsch im Interview. Sie ist Rechtsanwältin für Ehe- und Familienrecht und weiß genau, worauf man bei der Trennung vom Ehepartner achten sollte.
Welche Voraussetzungen müssen für eine Scheidung erfüllt werden?
Die Ehe muss unheilbar zerrüttet, sprich eine Wiederherstellung dieser muss ausgeschlossen sein. Beide müssen für die einvernehmliche Scheidung den Scheidungswillen haben. Das Gericht legt einen Versöhnungsversuch meist nochmals nahe. Kommt es nicht mehr in Frage, gibt es die Möglichkeit der einvernehmlichen Scheidung. Hier muss die eheliche Gemeinschaft mehr als sechs Monate aufgehoben sein. Man kann dabei zwar noch zusammen unter einem Dach wohnen, aber nicht mehr als Paar.
Unter diesen sechs Monaten geht die Scheidung nur, wenn einer der Ehepartner einen Scheidungsgrund vorlegt. Hier oder bei Uneinigkeit geht man mit einer Scheidungsklage vor. Nach drei getrennten Jahren – wenn die Ehe nur mehr auf dem Papier existiert – kann man ebenfalls Klage erheben, um die Scheidung zu erzwingen. In diesen drei getrennten Jahren muss die eheliche Gemeinschaft sprich die Wohnungsgemeinschaft, die Wirtschaftsgemeinschaft und die Geschlechtsgemeinschaft durchgängig aufgelöst gewesen sein.
Ab wann sollte man einen Anwalt kontaktieren?
Oft kommen Leute, bei denen es nur kriselt und die sich einfach mal informieren wollen. Sich einen gewissen frühzeitigen Informationsvorsprung einzuholen, ist aus meiner Sicht die gescheiteste Vorgehensweise. Wenn die Entscheidung zur Scheidung schon gereift oder gefallen ist, dann wird mit dem Anwalt besprochen, ob es die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung gibt oder nicht.
Welche Rechtsberatung sollte man wählen?
Ich würde einen auf Scheidungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt aussuchen. Sehr oft geht das über Empfehlung – allerdings kaum im Freundeskreis, da wenige darüber sprechen möchten, dass es in der Ehe kriselt. Man wird im Internet gut fündig. Dann sollte man sich überlegen, ob man lieber von einer Frau oder einem Mann vertreten wird. Für viele ist das ein wichtiger Punkt und eine hoch emotionale Geschichte, wie etwa die Wahl des Gynäkologen. Sympathie spielt auch eine Rolle.
Was überrascht Sie bei Mandanten, worüber oft vorweg nicht nachgedacht wird?
Ganz viele glauben, Fremdgehen ist kein Scheidungsgrund. Das Gerücht hält sich hartnäckig. Auch, dass viele nicht wissen, was der Partner verdient oder wovon man eigentlich lebt und was im Alltag wie viel kostet. Man hat bei aufrechter Ehe einen Anspruch darauf, dass der Partner sein Einkommen offenlegt. Wird das nicht getan, wäre das auch eine Ehe-Verfehlung. Ich bin auch oft sehr erstaunt, wie schnell und voreilig Leute aus der Ehewohnung ausziehen. Das ist ein Kapital-Fehler.
Wann ist der beste Moment auszuziehen?
Man sollte abwarten, bis die Scheidung offiziell kommuniziert wurde. Es gibt die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen und sonst kann es einem als böswilliges Verlassen angelastet werden.
Ab wann "darf" man offiziell einen neuen Partner haben?
Ich bin da sehr streng und sage immer, nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Scheidungsverfahrens. Die Treue gilt nämlich eigentlich bis zur rechtskräftigen Scheidung. Weigert man sich gegen die Scheidung, aber hat währenddessen selbst einen neuen Partner, liefert man selbst einen Scheidungsgrund und der andere kann dadurch Klage einreichen.
Ganz viele glauben, Fremdgehen ist kein Scheidungsgrund. Das Gerücht hält sich hartnäckig.
Mag. Susanna Perl-Lippitsch
Beauftragter Detektiv, gehackter Computer, Überwachung - was gilt vor Gericht?
Detektive sind kein Problem, wenn diese im Rahmen der Berufspflichten ordnungsgemäß arbeiten. Systematische Überwachung wie GPS-Tracker ist problematisch. Ebenfalls schwierig, aber sehr im Kommen, sind Handy-Aufnahmen. Das ist zivilrechtlich verboten. Man darf jemanden nicht aufnehmen oder filmen, wenn der andere seine Zustimmung nicht erteilt. Mit dem Weitergeben macht man sich dann sogar selbst strafrechtlich belangbar.
Auch wenn man die Aufnahmen dem eigenen Anwalt zeigt?
Strenggenommen, ja. Die Weitergabe ist strafrechtlich relevant und das Anfertigen an sich ist zivilrechtlich verboten. Hier nehmen wir auch öfter Unterlassungsklagen vor, um zu verhindern, dass solche Aufnahmen im Verfahren als Beweis vorgelegt werden. Das wäre grundsätzlich nämlich schon möglich. Es ist aber heikel und man muss eine Risiko-Nutzen-Abwägung machen. Der Richter würde es aber als Beweismittel akzeptieren, da es in Österreich kein Beweismittelverbot gibt.
Klären wir etwas auf: Es gibt seit eh und je das Gerücht, dass das Sorgerecht in den meisten Fällen automatisch an die Mutter geht.
Das stimmt nicht und ist komplett überholt. Früher war das so, dass die alleinige Obsorge an die Mutter ging. Mittlerweile ist es eigentlich so, dass selbst in hoch strittigen Fällen der Oberste Gerichtshof die gemeinsame Obsorge anordnet bzw. sie nach der Scheidung aufrecht bleibt. Alleinige Obsorge zu erstreiten ist sehr, sehr schwierig geworden. Nur in Ausnahmefällen – bei Gewalt, Suchtverhalten, unberechtigter Anzeigen, keiner Kommunikation. Streit zwischen den Eheleuten ist kein Grund.
Kann das Kind mitentscheiden?
Kinder ab zehn Jahren müssen gehört werden und ab 14 Jahren können Kinder selbst entscheiden, wo sie leben möchten – auch wenn sie nur bei einem Elternteil bleiben möchten. Das Kind wird aber vom Gericht darüber belehrt, was das bedeuten würde. Trifft ein Kind diese Entscheidung trotzdem, können die Eltern nicht einschreiten.
Gibt es beim Thema Unterhalt Unterschiede zwischen Mann und Frau?
Mann oder Frau ist egal – Unterhalt zahlt der Besserverdiener, wenn er mehr Schuld hat an der Scheidung. Der gesetzliche Unterhalt bemisst sich bei einkommenslosen Geschiedenen auf etwa 33% vom Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen. Wenn es Kinder gibt, werden pro Kind 4% abgezogen. Bei der einvernehmlichen Scheidung richtet sich der Unterhalt nach Parteivereinbarung. Hier kann man sich auf eine Dauer einigen, wie zum Beispiel, bis die gemeinsamen Kinder die Schule abgeschlossen haben oder eine nichtarbeitende Person eine Vollzeit-Beschäftigung gefunden hat. Das ist alles Vereinbarungssache.
Beim Kindesunterhalt gibt es durch Prozentsätze gesetzliche Unterhaltsvorgaben, die dann auch so eingehalten werden müssen?
Tatsächlich muss man da genau aufpassen, wenn Kinder involviert sind. Denn wenn der Unterhaltspflichtige das gemeinsame Kind öfter oder länger als vereinbart sieht, dann kann es zu Zahlungs- und Kontaktrechtsstreitigkeiten kommen. Je mehr sich in die gemeinsame Betreuung eingebracht wird, desto weniger muss Unterhalt gezahlt werden. Da werden dann im Kalender die Zeiten notiert, um mit halben Stunden, die sie mehr Zeit mit den Kindern verbracht haben, Wünsche zur Unterhaltskürzung zu argumentieren. Das kann ein Problem werden, wenn man vom Unterhalt abhängig ist und um jeden Cent kämpfen muss, damit man sich zum Beispiel die Miete leisten kann.
Was muss bei einer Scheidung aufgeteilt werden?
Alles, was während der Ehe erwirtschaftet wurde. Auch wenn es nur mit dem Verdienst einer Person finanziert wurde. In der Regel wird 1:1 aufgeteilt. Alles, was ich von dritter Seite geschenkt bekomme, sowie Erbe, das muss nicht geteilt werden. Eine Ausnahme besteht, wenn es sich um die Ehewohnung handelt, in der man gemeinsam gelebt hat. Wenn der Ex-Partner mit den Kindern dort ein dringendes Wohnbedürfnis hat bzw. auf die Nutzung der Wohnung angewiesen ist, dann muss man eine Möglichkeit geben - entweder der Ex-Partner darf noch eine Zeit lang bleiben oder man gibt Geld für eine Ersatzwohnmöglichkeit.
Wenn man geheim eine Wohnung nebenbei hatte – hat der Ex-Partner dann Anspruch darauf?
Wenn man sie vor der Ehe schon gehabt hat, nicht. Wenn sie während der Ehe gekauft wurde, auch wenn es mit Kredit bezahlt wurde, der während der Ehe zurückbezahlt wird, dann steht dem Ex-Partner die Hälfte vom Wert zu.
Der Partner leert während der Scheidung das gemeinsame Konto oder räumt die gemeinsame Wohnung aus - was kann man tun?
Die Wohnung auszuräumen, stellt eine Besitzstörung dar. Selbst wenn ich jetzt sage, der Tisch ist ein Erbstück der Oma. Wenn der Ehepartner den Tisch mitbenutzt hat, dann unterliegt das der ehelichen Gebrauchsordnung. Objekte dürfen erst weggebracht werden, wenn alles offiziell aufgeteilt wurde. Wenn es dennoch gemacht wird, dann kann man binnen 30 Tagen mit einer Besitzstörungsklage vorgehen. Beim Konto ist wichtig, alle Kontoinformationen zu haben. Dann kann man eine einstweilige Verfügung beantragen, damit nichts abgehoben werden kann. Es kann auch bei der Scheidung bis zu zwei Jahren rückblickend hineingerechnet werden, um zu verhindern, dass Geld über einen Zeitraum verbracht wurde. Sollte dennoch unerlaubterweise Geld abgehoben worden sein, ist der jeweilige Ex-Partner dazu verpflichtet, eben diesen Betrag mit einer Zahlung wieder auszugleichen.
Wie sieht es mit gemeinsamen Schulden aus, die während der Ehe aufgebaut wurden?
Auch die werden bei der Scheidung 1:1 aufgeteilt. Hier ist aber auch wichtig, worauf die Schulden laufen – Unternehmensschulden interessieren bei der Scheidung zum Beispiel niemanden. Ein gemeinsamer Kredit für das gemeinsame Auto oder den Wohnsitz sind eheliche Schulden beider, auch wenn nur einer der beiden im Kreditvertrag steht.
Dass Mandanten ehrlich mit ihrem Anwalt sind. Lügen Sie ihn nicht an. Das kommt sehr oft vor und man schneidet sich damit nur selbst. Ein Anwalt kann schwer reagieren, wenn er von anderen Dingen ausgegangen ist. Es ist immer besser, der Anwalt ist gut vorbereitet.
Und es gibt auch eine Schweigepflicht, oder?
Ja, genau. Neben Ärzten haben wir Anwälte die strengste Verschwiegenheitsverpflichtung.
Noch ein letzter Tipp?
Es gibt bei uns Anwälten die goldene Regel: Das erste Angebot ist meistens das beste Angebot. Oft sind Mandanten noch so in ihren Emotionen, dass sie am Anfang finden, das erste Angebot ist zu wenig. Später sind sie dann enttäuscht, dass sie noch weniger erhalten haben. Man sollte sich auch nicht zu viel von anderen hineinreden lassen. Maximal zwei oder drei Berater wählen. Eine gute Freundin, die Mutter oder so. Das sollte reichen. Zu viele Einflüsterer sorgen nämlich eher für Verunsicherung und die Ausgangssituationen sind oft zu unterschiedlich, um sich an den Scheidungen im Freundeskreis zu richten.
Zur Person
Mag. Susanna Perl-Lippitschist Rechtsanwältin für Ehe- und Familienrecht. Ihre Beratungsschwerpunkte beziehen sich auf Ehe- und Scheidungsrecht, internationales Familienrecht, Erbrecht sowie allgemeines Zivilrecht.
Während einer Scheidung muss kein Kontakt zwischen den sich scheidenden Personen aufrechterhalten werden. Das Verfahren kann auch nur über die Anwälte geführt werden. Bei den gerichtlichen Terminen ist die Anwesenheit beider Parteien jedoch verpflichtend. Die Einvernahme selbst kann separat vorgenommen werden. Empfehlenswert ist das jedoch nicht, da man dadurch nicht rasch auf eventuelle Anschuldigungen reagieren kann.
Verpflichtende Therapie
Bei der einvernehmlichen Scheidung ist eine therapeutische Beratung verpflichtend, wenn minderjährige Kinder involviert sind. Dabei wird belehrt, wie man die Situation mit den Kindern kommunizieren soll. Die Beratung kann auch getrennt voneinander erfolgen. Bei der strittigen Scheidung ist eine solche Beratung nicht verpflichtend.
Erbrecht
Bei Todesfall des Ex-Partners behält man nach der Scheidung keine Ansprüche, außer man wird danach ins Testament eingetragen.
Im strittigen Scheidungsverfahren trägt der die Kosten, der das Verfahren verliert. Bei der einvernehmlichen Scheidung ist es Verhandlungssache. Meistens wird vereinbart, dass beide jeweils ihren eigenen Anwalt bezahlen und man sich die Gerichtsgebühren aufteilt. Diese betragen etwa 600 €.
Kann man sich keinen Anwalt leisten und ist die Rechtslage kompliziert, kann man einen Verfahrenshilfeantrag stellen und bekommt einen Rechtsanwalt vom Staat beigestellt.
Scheidung ohne Anwalt
Eine Scheidung ist auch ohne Anwälte möglich. Dafür kann man sich beim zuständigen Bezirksgericht, das für den Wohnsitz zuständig ist, informieren lassen. Dort gibt es alle Formulare für die Durchführung der einvernehmlichen Scheidung. Vor Ort kann man auch eine Scheidungsklage zu Protokoll geben.
Namensänderung
Es ist nicht möglich, bei der Scheidung eine Namensänderung von der anderen Partei zu verlangen. Möchte man selbst den eigenen Namen ändern, läuft das klassisch über das Standesamt oder Magistrat.
Mediator
Ein Mediator ist bei der Scheidung nicht verpflichtend, kann aber bei sehr verfahrenen Konflikten konstruktive Hilfe bieten.
(freizeit.at, AGut)
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Über Alexander Gutmaier
Redakteur bei freizeit.at. Der gebürtige Wiener mit dem Spitznamen "Lex" studierte Werbung & Marktkommunikation und machte sich danach auf seinen beruflichen Weg in die großen Redaktionen Österreichs. Dabei war er bereits für Lifestyle- & Mode-Magazine als auch im TV-Bereich tätig. Zu seinen Leidenschaften zählen Musik, Kochen sowie jegliche Art, sich selbst herauszufordern - besonders, wenn er dadurch Dinge zum ersten Mal machen kann.
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