Emophilie: Süchtig nach dem Gefühl, verliebt zu sein

Wer in der Liebe ständig den Kick sucht und sich nicht langfristig monogam binden will, wird in der Psychologie neuerdings als "emophil" bezeichnet.

Endorphine rauschen durch den Körper, das Herz klopft und die ganze Welt erscheint plötzlich rosarot: Verliebt zu sein ist für viele Menschen das überwältigendste Gefühl der Welt. Doch während manche Schwierigkeiten damit haben, sich Hals über Kopf auf eine Person einzulassen, verlieben sich andere schnell, oft und heftig - mit allen Konsequenzen.

Diese Eigenschaft wird in der Psychologie als "Emophilie" bezeichnet, übersetzt etwa "verliebt in das Gefühl, verliebt zu sein". Der Begriff - zusammengesetzt aus den Worten "emotion" und dem altgriechischen "philia" für "Neigung" - geht auf den US-amerikanischen Psychologieprofessor Daniel Jones von der University of Nevada zurück und taucht seit einigen Monaten verstärkt in den (sozialen) Medien auf. 

Riskantes Verhalten

In einer Forschungsarbeit zum Thema warnte Jones, dass Emophilie zwar kein eigenes Krankheitsbild ist, jedoch riskantes Verhalten nach sich ziehen kann: wie etwa Red Flags bei potenziellen Partnern zu ignorieren, ungeschützten Geschlechtsverkehr in Kauf zu nehmen oder für den anderen zu lügen, obwohl man ihn noch gar nicht lange kennt.

"Es ist nicht so, dass emophile Personen Angst haben, alleine zu sein", präzisiert Jones in seiner Arbeit. "Stattdessen suchen sie den Rausch der romantischen Gefühle, schneller romantischer Verbindungen und der raschen Entwicklung romantischer Liebe."

Verschiedene Phasen einer Beziehung

Diese menschliche Neigung ist nicht neu, wird aber durch die Vielzahl an Kennenlernmöglichkeiten und Dating Apps verstärkt. Mit diversen Auswirkungen: Eine norwegische Studie kam vor Kurzem zu dem Schluss, dass Personen mit einem hohen Maß an Emophilie dazu neigen, mehr romantische Beziehungen einzugehen und dementsprechend auch öfter untreu sind.

Denn: "Je länger man mit jemandem zusammen ist, desto besser lernt man sich kennen und langsam treten auch die negativen Seiten zum Vorschein. Gleichzeitig ebbt der Hormoncocktail ab, der uns in der Verliebtheitsphase 'high' macht", weiß die Paarberaterin Tanja Pitzer. Menschen, die zur Emophilie neigen, könnten sich dann schon wieder nach dem nächsten Kick umschauen und ihre bestehende Beziehung in Gefahr bringen

"Ich vermittle den Menschen, die zu mir in Beratung kommen, gerne, dass Verliebtheit tatsächlich etwas ist, was uns passiert - Liebe hingegen ist eine Entscheidung", sagt Pitzer. Viele Menschen würden erwarten, dass eine Beziehung immer so "von selbst" funktioniert wie in der Verliebtheitsphase. "Hier wird dann tendenziell in der zweiten oder dritten Phase die Beziehung beendet oder es kommt zum Betrug, wenn man die Trennung scheut."

Was Betroffenen hilft

Auch ein geringes Selbstwertgefühl sowie genetische Veranlagungen können dazu beitragen, ein Emophilie-Suchtverhalten zu entwickeln, erklärt Pitzer. "Durch den Hormoncocktail und die unglaubliche Aufmerksamkeit kann ein geringer Selbstwert in der Verliebtheitsphase gut kompensiert werden. Es kann aber auch durch Kindheitsprägung ein unsicherer Bildungsstil vorliegen, wodurch es jemandem extrem schwer fällt, sich auf langfristige Bindungen einzulassen."

Dies wiederum führt bei den Betroffenen zu einem hohen Leidensdruck. Daniel Jones empfiehlt ihnen, "ein Tagebuch zu schreiben, mit vertrauten Personen oder Therapeuten zu reden, um Entscheidungen bewusster zu treffen und zu reflektieren. Und bei aller Euphorie ein, zwei Monate zu warten, bevor man sich zu einer Beziehung bekennt". So kann aus einer aufregenden Verliebtheit dann irgendwann doch beständige Liebe werden. 

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