Guido Tartarotti

Guidos Kolumne: Das Weihnachtswildschwein und andere Krippen-Tiere

Ich kann mich nicht daran erinnern, an das Christkind geglaubt zu haben. Aber ich glaubte an das Weihnachtswildschwein.

Getan habe ich es sicher, alle Kinder glauben eine Zeit lang an das Christkind, und das ist gut so. Ich weiß daher auch nicht mehr, wann und wie ich den Glauben an das Christkind verlor. 

Es hatte vermutlich etwas damit zu tun, dass ich mir die Christkind-Logistik kompliziert vorstellte – wie sollte man Geschenke für alle Kinder organisieren und ausliefern? Aber wer weiß, vielleicht habe ich den Glauben daran ja nie verloren und glaube immer noch an das Christkind?

Gäbe es das Christkind, würde es so viele Mitarbeiter beschäftigen, es wäre ein wichtiger Faktor in der Arbeitsplatzsicherung. 

Was ich noch weiß: Irgendwann begann ich, an das Weihnachtswildschwein zu glauben. Irgendwann wünschte ich mir zu Weihnachten ein großes, dickes Stoffwildschwein. Keine Ahnung, warum, aber Wildschweine erschienen mir damals als die wahren Könige der Tiere. Strafverschärfend für meine Eltern wünschte sich meine kleine Schwester natürlich umgehend auch ein Wildschwein, und meine Eltern mussten zwei möglichst identische Wildschweine auftreiben.

Zu Weihnachten saßen sie dann unter dem Baum, zwei große, graue, freundlich dreinblickende Wildschweine. Ich nannte meines Wildi, meine Schwester nannte ihres absurderweise Bildi, und die Wildschweine wurden sofort ein Paar und übernahmen die Regierung über unser stattliches Stofftiervolk. 

Ich stellte mir damals vor, Wildi wäre neben Ochs, Esel und Schafen an Jesu Krippe gestanden und hätte dem Jesuskind mit seiner angenehmen, tiefen Stimme freundlich zugeraunt: Mach dir keine Sorgen, ich beschütze dich und werde dir helfen, die Welt zu erobern. Und das Jesuskind hätte Wildi milde angelächelt und gesagt: Ich weiß nicht, ob ich das will, aber du bist mir herzlich willkommen.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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