
Polly Adlers Kolumne: Emotionales ADHS
Im Würgegriff des "Cushion"-Syndroms
Es ist tatsächlich so, dass mein Freund D in den Seilen seiner narzisstischen Kränkung hängt, weil seine baldige Ex-"Meinige" eine Büro-Amour pfuuh angezettelt hat. Wie konnte dieses schambefreite Luder ihm das nur antun, zeterte er. Und dann dabei noch solche "Dienstmädchengefühle" zu entwickeln. Sie hatte sich nämlich verliebt.
Den herrlich altmodischen Ausdruck dieser Gefühlslage hatte D von seiner Oma, einer Frau mit einem Feldwebelgemüt, die damit jegliche Form von unnützen Sentimentalitäten kategorisierte. Wobei D null Grund zur Beschwerde hat.
Denn neben seinem offiziellen Ehegattinnen-iPhone besitzt er drei Wertkarten-Handys, um sein Gspusi-Management auch nur irgendwie unter Kontrolle zu kriegen. D ist ein Opfer des sogenannten "Cushion"-Syndroms, der letzte Schrei nach der Dating-Pathologie des Ghostings, des kommentarlosen Abtauchens ohne irgendwelchen "Du bist ein ganz toller Mensch, aber ..."-Schmus.
Cushionistas sind sowas wie Liebeswilderer, sprich Menschen, die auf sämtlichen Online-Datingplattformen sich potenzielle Objekte parallel klar machen, damit sie, sollte bei einer Legerität Worte wie "mühsam", oder "Beziehungsstreber" aufpoppen, sofort auf das restliche "Material" zugreifen können.
Ich stelle mir dieses emotionale ADHS wahnsinnig anstrengend vor. Ein Freund von D, der jetzt endlich, "diesmal für immer", angekommen war, erzählte mir, dass er an Cushionismus, also an der Installation eines Damen-Polsters, Jahre gelitten habe und sein Gefühlshaushalt sich irgendwann wie eingeschlafene Füße (minus dem Kribbeln) angefühlt habe.
Außerdem sei ihm auf Hinge seine damalige Frau drei Mal vorgeschlagen worden, was ihn ziemlich fertig gemacht habe. Nicht nur wegen ihrer Untreue-Absichten, sondern auch weil er fand, dass er optisch eigentlich in einer ganz anderen Liga mitspiele und sich Besseres verdiene. Komödie und Tragödie liegen eben oft nur eine Kolibrizungenlänge auseinander.
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