Guidos Kolumne: Als Statist in der Oper "Aida"
Das Casting fand in der Stadthalle statt, als wir dort ankamen, herrschte Chaos.
Es ist lange her, ich hatte gerade die Matura bestanden und fühlte mich unbesiegbar, da erschien im KURIER ein Inserat. In der Wiener Stadthalle sollte drei Wochen lang die Oper "Aida" laufen, gesucht würden Statisten, die "großgewachsen und gutaussehend" sein müssten.
Kurz darauf rief mich mein Freund Bernhard an. Er, großgewachsen und gutaussehend, schlug vor, dass wir gemeinsam zum Casting gehen sollten.
Ich willigte ein, rechnete mir aber keine Chancen aus, da ich nicht ganz so großgewachsen und gutaussehend war wie Bernhard. Das Casting fand in der Stadthalle statt, als wir dort ankamen, herrschte Chaos. Mehrere Tausend junge Männer, alle mehr oder weniger großgewachsen und gutaussehend, standen herum und warteten auf ihre Chance.
Assistenten der Produktion versuchten, Ordnung in das Durcheinander zu bringen und ließen die Kandidaten in Zehnergruppen im Gleichschritt marschieren, während der italienische Regisseur Kommandos brüllte. Als ich drankam, war ich so aufgeregt, dass ich den Gleichschritt versemmelte. Der Regisseur aber sprang auf mich zu, rief "bella figura!" und ich hatte den Job.
Meine Aufgaben waren einfach: Beim Schlussbild, wenn Aida und Radames sterben, musste ich, den Speer in der Hand, Wache stehen. Und im dritten Akt, wenn Aida mit ihrem Vater flieht, gehörte ich zu den Soldaten, welche auf ein Stichwort eines Sängers ("verfolget sie") die Flüchtenden zu jagen hatten.
Bei der Premiere waren wir so nervös, dass wir lange vor dem Stichwort auf die Bühne stürzten, Aida und ihren Vater einholten, bevor sie von der Bühne laufen konnten, und der Sänger schließlich im allgemeinen Chaos resignierend "verfolget sie" sagte. Erstaunlicherweise durfte ich den Job behalten und bemühte mich, bei künftigen Vorstellungen langsam zu laufen, denn Aidas Vater war ziemlich dick.
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