Guido Tartarotti

Guidos Kolumne: Ich kam keine drei Sätze weit, und wir küssten uns bereits

Der Sommer schien ewig zu dauern. Wir sahen viel, erlebten viel, lernten viele Menschen kennen.

Es ist viele Jahre her, da fuhr ich mit meinen drei engsten Freunden nach Griechenland. Wir nahmen den Zug von Wien nach Athen, ich schlief im Gepäckträger des Abteils. Wenn man eine Isomatte über diesen legte, konnte man wunderbar schlafen.

Einen Monat lang waren wir unterwegs, wir fuhren mit der Fähre von Insel zu Insel. Wir hatten wenig Geld, für Hotels reichte es nicht, wir übernachteten im Schlafsack am Strand – oder auf Dächern von Pensionen. Das kostete fast nichts.

Uns machte das nichts aus. Der Sommer war warm und wir waren sehr jung. Wir aßen wenig, um Geld für Bier zu sparen. So wurden wir immer dünner. Auf Milos taten wir einem Wirten so leid, dass er uns auf ein köstliches Essen einlud. 

Die Zeit verging wunderbar langsam, der Sommer schien ewig zu dauern. Wir sahen viel, erlebten viel, lernten viele Menschen kennen. Die letzten Tage des Urlaubs verbrachten wir auf der kleinen Insel Antiparos, die neben Paros liegt. Damals gab es dort noch nicht viel Tourismus. Aber es gab einen Wirten, er hieß Pavlos, der buk hervorragende Pizzen. Wir gaben unser letztes Geld bei ihm aus. 

Einzige Attraktion der Insel war damals eine Diskothek, die in und um eine alte Windmühle gebaut war. Ich glaube, sie hieß "Disco-Mill". Dort waren wir jeden Abend. Der DJ spielte Hardrock, und das liebten wir. Eines Abends sah ich dort ein wunderschönes Mädchen an der Bar stehen. Ich blickte hin, sie sah her. Ich blickte wieder hin, sie sah wieder her. Plötzlich begann sie zu lächeln.

Also ging ich hinüber und sprach sie an. Ich kam keine drei Sätze weit, und wir küssten uns bereits, leidenschaftlich, als wäre es der letzte Kuss unseres Lebens. Dann flüsterte sie mir ins Ohr "You are so beautiful" und lief davon. Ich habe sie nie wiedergesehen, aber ich denke noch oft an sie.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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