Guido Tartarotti

Guidos Kolumne: Ich wollte ihr heute einfach einmal Danke sagen

Meine Cousine und ich sind einander vorher nie begegnet. Die jeweiligen Teile der Familie verstehen sich nicht sehr gut.

Als ich etwa fünfzig war, trat plötzlich meine Cousine in mein Leben. Wir waren einander vorher nie begegnet. Die jeweiligen Teile der Familie verstehen sich nicht sehr gut. Fragen Sie nicht, warum – so genau weiß das niemand mehr, es ist kompliziert.

Wie wir einander gefunden haben, kann ich nicht mehr sagen. Jedenfalls beschlossen wir, auf ein Konzert eines ukrainischen Gitarristen zu gehen, der sich gerne als Indianer gibt. Der Gitarrist wird kultisch verehrt, wir fanden ihn aber eher lustig als toll. Meine Cousine und ich mochten einander sofort.

Wir erinnern uns gerne an unsere gemeinsame Großmutter. Wobei sich lustigerweise manche Erinnerungen gleichen – die Mannerschnitten! – andere wiederum gar nicht. Wir haben ja nie gemeinsam die Oma gesehen, sondern nur jeder für sich. Meine Cousine stammt aus einer Ärztefamilie, ging aber selbst einen anderen Weg. Sie wurde Biologin und arbeitet heute eng mit Bauern und Bäuerinnen zusammen.  

Das ist ihr großes Glück: Sie hat einen Beruf, der sie wirklich erfüllt: Sie ist leidenschaftlich davon überzeugt, dass es die Landwirte sind, welche unsere Landschaften erhalten. Meine Cousine ist auch eine große Musikexpertin: Sie weiß unglaublich viel über amerikanische Rockmusik, aber eigentlich weiß sie eh alles.

Sie ist unerschrocken. Sie fürchtet nichts und niemanden. Obwohl sie von sich selbst behauptet, Angst vor der Angst zu haben. Sie ist ein Familienmensch: Ihre Kinder und ihr Mann bedeuten ihr alles. Ich wollte ihr heute einfach einmal Danke sagen: Claudia, du bist da, wenn die Sonne scheint, und wenn es ganz finster wird. Du stehst zu mir, egal, was gerade passiert. Dass wir einander so viele Jahre nicht begegnet sind, ist eine Schande. Auf dich will ich nicht mehr verzichten!

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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