Guido Tartarotti

Guidos Kolumne: Sie dachte tatsächlich, starke Sonneneinstrahlung wäre gesund

Ich denke dieser Tage oft an meine Großmütter.

Ich denke dieser Tage oft an meine Großmütter. Beide sind schon lange nicht mehr zu Gast auf dieser Erde.

Meine Großmutter väterlicherseits war dick und rund und gemütlich. Ihre Lieblingstätigkeiten waren Kochen und Essen. Wobei Kochen für sie bedeutete: Lebensmittel mit viel Butter zu vermischen. Dementsprechend großartig hat ihr Essen geschmeckt, aber man musste sich nachher immer hinlegen und ein wenig schlafen.

Meine Großmutter väterlicherseits konnte wunderbar Mundharmonika spielen, sie sang gerne und ging gerne spazieren, aber meistens war sie damit beschäftigt, sich Sorgen um ihre Lieben zu machen.
Sie hatte auch eine ziemlich amüsante Verhaltensoriginalität: Sie bildete sich ein, an Dauerverstopfung zu leiden, weswegen sie Abführmittel schluckte. Meistens überfiel sie der Drang dann beim Spazierengehen im Wald, weswegen sie  häufig hinter dem nächsten Baum verschwand. Einmal fand sie dabei, ich schwöre, ich lüge nicht, eine Schildkröte, die sie uns Kindern als Haustier mitbrachte.

Meine Großmutter mütterlicherseits war seit einer Magenoperation mager, aber immer dunkelbraun gebrannt. Sie dachte tatsächlich, starke Sonneneinstrahlung wäre gesund. Dabei war sie von Beruf Ärztin. Sie war eine strenge Oma und eine strenge Ärztin, Wehleidigkeiten ließ sie niemandem durchgehen. Ihr Medikament für und gegen alles waren Mannerschnitten, die sie immer bei sich führte und mit denen sie Verwandte, Patienten oder auch Tiere fütterte.

Einmal waren wir auf Urlaub auf Rhodos und besuchten die Stadt Lindos. Meine Großmutter wollte uns Kindern einen Eselsritt auf die Akropolis bescheren und fragte jeden Griechen, der nicht rechtzeitig fliehen konnte: „Where are the monkeys?“ Dass Esel auf Englisch nicht monkeys, sondern donkeys sind, wusste sie nicht. Und Affen gab es nicht auf Rhodos. Ich glaube, wir haben einen nachhaltigen Eindruck gemacht.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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