Guido Tartarotti

Guidos Kolumne: Der Frühling kommt schneller als man posten kann

Warum ich die Pulsatilla vulgaris so gern sehe, obwohl ich erst googlen musste, was sie ist.

Mein lieber Freund G., der ein ebenso erfolgreicher Manager wie ein erfolgreicher Schutzengel ist, schickt mir jeden Morgen ein Foto vom Sonnenaufgang, aufgenommen auf seiner Hunderunde auf der Perchtoldsdorfer Heide. Ich revanchiere mich mit einem lächelnden Selfie, was, zugegeben, kein guter Tausch für G. ist. Aber er hat sich noch nie beschwert.

Dazu wünschen wir einander immer einen guten Morgen, oft verbunden mit dem Wunsch nach einem guten, erfolgreichen Tag. Aber unlängst war alles anders. 

G. schickte mir ein Foto von Blümelein, die gerade die Köpfchen aus der Erde reckten, und schrieb dazu: Pulsatilla vulgaris. G. ist nämlich außerdem höchst gebildet, ich nehme an, er könnte auch erfolgreicher Herzchirurg sein.

Ich schlug natürlich sofort nach – besser gesagt, ich googelte – und stellte fest: Pulsatilla vulgaris ist die gewöhnliche Kuhschelle

Wie Sie natürlich wussten, ist das eine Pflanzenart aus der Familie der Hahnenfußgewächse. Sie ist in West- und Mitteleuropa verbreitet und bevorzugt kalkreiche Böden sowie "Magerrasen", was auch immer das ist. 

Und, was das Wichtigste ist: Sie gilt als Frühlingsbote. Wenn die Kuhschelle sich zeigt, wird es warm. Und das finde ich doch sehr nett von ihr, weswegen ich sie gern sehe. Ich mag die Kuhschelle daher, denn ich mag es warm

Ich mag den Frühling, noch mehr mag ich den Sommer. Mir kann es gar nicht warm genug sein. 

Jedenfalls kommt jetzt wieder die herrliche Zeit, da man sich einen Tag lang auf die Perchtoldsdorfer Heide setzen und ein Buch lesen kann. 

Falls man nicht doch lieber Pulsatilla vulgaris beim Wachsen zusieht. Dafür muss man sich natürlich Zeit nehmen, andererseits: Diese Pflanze wächst und sprießt schneller, als man "Guten Morgen" posten kann. Man muss nur ihren lateinischen Namen richtig aussprechen, und schon wächst sie.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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