Guido Tartarotti

Guidos Kolumne: Mein Großvater wäre stolz auf mich gewesen

Als ich im Kindergarten war, war mein Traumberuf: Kirchenerbauer.

Ich saß alleine in einer Ecke mit meinen Bausteinen und entwarf Kirchen. Stundenlang überlegte ich mir: Wie sollte die Kirche aussehen? Welche Form sollte der Turm haben? Sollte das Kirchenschiff elegant sein oder eher grob?

Im Endeffekt sahen alle meine Kirchen aus, wie die Wotruba-Kirche in Wien-Mauer, die es damals noch gar nicht gab. Ich war also in Wahrheit ein Wegbereiter des Brutalismus: Übereinander geschichtete Blöcke, zwischen denen das Licht einfällt. Etwas anderes als Kirchen aus Bausteinen zu errichten, interessierte mich im Kindergarten nicht. 

Die anderen Kinder waren damit beschäftigt zu raufen, und das übte keinen Reiz auf mich aus. Gewalt fand ich blöd. Am schlimmsten aber war das Spiel "Mein rechter, rechter Platz ist leer", weil sich nie jemand mich neben sich wünschte.

Ich ging damals in einen Klosterkindergarten. Für die Kinder zuständig waren etwas gelblich aussehende Klosterschwestern, und die waren mit der Betreuung von Kindern ziemlich überfordert. Warum mich Kirchen damals so faszinierten, weiß ich nicht mehr. 

Es muss mit meinem Großvater zusammenhängen.

Mein Großvater war sehr gläubig, er war eigentlich den ganzen Tag mit Beten beschäftigt. Und er ging unglaublich gerne in Kirchen, und oft nahm er mich mit. Ich glaube, sein heimlicher Traum war, dass ich Priester werde, aber diese Freude konnte ich ihm nicht machen. 

Mir fehlt das Talent zum Glauben: Ich fände es schön, würde es Gott geben, aber ich habe da meine Zweifel. 

Ich habe meinem Großvater nie eine meiner Baustein-Kirchen gezeigt. Mein Großvater mochte barocke Kirchen, für den Brutalismus hatte er, glaube ich, wenig übrig. Aber als Kirchenarchitekt hätte ich ihn sicher stolz gemacht, auch wenn er die Wotruba-Kirche scheußlich fand.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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