Guido Tartarotti

Guidos Kolumne: Den Herbst brauche ich nicht

Das Ende des Sommers hat mich immer traurig gemacht, besser gesagt: Verärgert.

Der Herbst war früher für mich immer die Gelegenheit, mir eine gemütliche kleine Herbstdepression zu gönnen. Wobei Depression zu viel gesagt ist. Es handelte sich eher um eine formschöne Melancholie, um Herbstblues – eigentlich um eine Eitelkeit. Nichts Ernstes, nur eine kleine Verstimmung.

Das Ende des Sommers hat mich immer traurig gemacht, besser gesagt: Verärgert. Ich wollte nicht einsehen, dass die Tage der Sonne, der Wärme, des Lichts nun vorbei waren. Zu sehr habe ich es geliebt, die Zeit im Freien zu verbringen, im Freibad oder im Biergarten oder einfach in der Wiese sitzend. Den Herbst dagegen brauche ich nicht.

Ich finde fallende Blätter nicht romantisch, sondern deprimierend. Ich finde Gatsch nicht lustig, sondern nur ... gatschig. Und ich mag es nicht, dass es am Abend früh dunkel und kalt wird. Weintrinker bin ich auch keiner, und von Sturm lasse ich überhaupt die Finger – er erzeugt Sturm im Gedärm.

Und plötzlich war heuer alles anders. Plötzlich erschien mir die Herbstmelancholie wie Luxus. Das Wetter hat zugeschlagen und Ostösterreich unter Wasser gesetzt. Der Sturm hat die Bäume reihenweise entwurzelt oder geknickt. Es gab Straßensperren, Stromausfall, Zugausfälle. Tausende Existenzen wurden vernichtet, Menschen kamen ums Leben. Und man war nur noch froh, dass man nur am Rande oder gar nicht betroffen war.

Das Wetter hat uns etwas Besonderes gelehrt, etwas, das wir schon vergessen hatten: Demut. Dass das alles mit dem Klimawandel zu tun hat, wird kaum jemand leugnen. Und solche Ereignisse werden sich häufen. Und wir werden gut zusammenhalten müssen, um das alles zu bewältigen. Und damit sind keine Politiker gemeint, die in Gummistiefeln vor Kameras aufmarschieren und Mitgefühl darstellen. Ich rede von echter Solidarität, von Menschen, die zusammenhalten und einander helfen.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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