Alles in die Hermi

Der Sommer heißt bei mir Scheuklappen-Saison. Scheuklappen sind diese Dinger, die Pferde kriegen, damit sie ihre Nerven nicht angesichts des Autoverkehrs wund scheuern. Ich verpasse mir also seelischen Scheuklappen und blende die Alltags-Herausforderungen knallhart aus. Man muss ein bisschen üben, bis man in diese buddhistische Lethargie driftet, aber irgendwann bricht sich das süße, so kostbare Mir-ist-eigentlich-eh-alles-ein-bisserl-sehr-wurscht-Gefühl dann doch Bahn und man denkt nicht mehr an die Mieterhöhung, die mysteriösen Kreditkarten-Abbuchungen von exotischen Adressen, den Fortpflanz-Zoff undundund.

Man ist sich sein eigener Planet. Und hat entsprechend mehr Energien für die wirklich wichtigen Dinge. Zum Beispiel den verschwundenen Spritzschutzaufsatz der „Hermi“. Die Hermi ist das neue Thermomix-Gerät meiner Vöslauer Kabanen-Nachbarin N und quasi der Porsche der Menschen, die talentbefreit für Kochvorgänge sind. Man wirft alles hinein und  ein fertiges Gericht kommt heraus. Behauptet zumindest die Thermomix-Sekte. Wir telefonieren im Zehn-Minuten-Takt mit der in der mit Engelsgeduld einbalsamierten Thermomix-Susi, die  N das Teil vercheckt hat und für Fragen unvorsichtigerweise „erne und jederzeit“ zur Verfügung stehe. Denn auch die Abwesenheit des Gareinsatzdeckels und des Schmetterling-Rühraufsatzes bringen uns (aus Solidarität bin ich auch verzweifelt) in tiefe emotionale Abgründe.

Was Loriot für den Mops vermeldete, gilt auch hier: Ein Leben ohne Rühr-Schmetterling ist möglich, aber sinnlos. De facto waren alle gesuchten Objekte sicher im Hades des Thermomixers verstaut. Da hatte unser IQ ausgelassen. Hitzebedingt. Wir holten uns zur nervlichen Beruhigung fette Pommes mit Mayo im Badrestaurant, die Thermomix-Defloration wurde verschoben, denn die Mir-doch-alles-egal-Scheuklappen wirken auch gegen Besorgnis bei Cholesterinwerten, Transfetten und bösen, bösen Carbs. Schönes Loslassen!