Vea Kaiser

Vea Kaisers Kolumne: Ende der enterischen Einsamkeit

Warum es gut ist, wenn die Parkplätze vor dem Haus weniger werden und man nicht mehr nackt auf die Terrasse gehen kann.

Fast ein Jahr lang waren wir allein zuhaus, denn die an unser Grundstück angrenzenden Häuser standen leer. Meinem Mann war das egal. Er hatte früher ein großstädtisch-wienerisches Verhältnis zu seinen Nachbarn gepflegt: Wenn man nicht vermeiden konnte, einander zu begegnen, dann grüßte man sich eilig und kontrollierte danach die Sauberkeit der eigenen Schuhspitzen. 

Ich jedoch bin als Landkind gewohnt, links und rechts Ansprache zu bekommen. Kurz fand ich den nachbarschaftslosen Zustand interessant, als ich jedoch wegen eines Teelöffels Backpulver ins Auto steigen musste, irritierte er mich. 

In den kalten dunklen Winternächten erinnerte ich mich an ein Wort, mit dem meine Oma abgeschiedene Bauernhöfe des Waldviertels bezeichnete, wo sie aufgewachsen war – Höfe, die sich einsam in Nebelsenken schmiegten, als müssten sie sich vor der Welt verstecken: ENTERISCH.

Falls Sie dieses Wort nicht kennen, es beschreibt die Stimmung, die in Horrorfilmen erzeugt wird, bevor das Monster zuschlägt. Zwei der umliegenden Häuser sind nun endlich wieder bewohnt, noch dazu von sehr lieben Familien. Die Nachbarsmädchen kommen manchmal in unseren Garten, wenn ihre Hausübungen erledigt sind, aber noch Zeit bleibt bis zum Abendessen. Meine Bambini sind stets höchst erfreut. 

Das Konzept der Nachbarschaftspflege kam gesamtgesellschaftlich ein wenig aus der Mode. Heutzutage ist oft beliebter, am Sofa verschanzt mit der Cousine in Mistelbach zu whatsappen oder via Instagram die Leben fremder Leute zu beobachten. Aber die können nicht bei Backpulverengpässen aushelfen. 

Und als ich die Kinder miteinander beobachtete, erinnerte ich mich an die beste Begleiterscheinung einer guten Nachbarschaft: Man muss nicht erst ein Playdate vereinbaren oder geduscht in die Lieblingsbar fahren, um Leute zu treffen. Sondern bloß winken und Hallo rufen.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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