„Nehmen Sie a so zua?”

Wenn man in Gesprächs-Geiselhaft von Unbekannten mit rosa Frisur gerät.

Die Frau hatte sich bei ihrer Haarfarbe für ein Barbiepuppenrosa entschieden und war von knallhartem Mitteilungsbedürfnis.  Ich saß, in einer Tussi-Postille schmökernd, in der menschenleeren Stille eines Bahnsteigs in Bad Aussee und wartete auf den Zug nach Wien. Sie kannte keine Gnade und platzierte sich  neben mich.  Die Wahl ihres Konversations-Eisbrechers fiel auf ein „Nehmen Sie a so zua nach dem Wechsel?“ Ich zuckte mit den Achseln, um mondänes Desinteresse an diesem Gespräch zu signalisieren, und vertiefte mich wieder in Storys über Brad Pitts Dresscode und Amber Heards Schuldengrab. Sinnlos.

Die Radikalrosane textete mich jetzt erbarmungslos mit ihrer Bauchfettproblematik, ihrer Zumba-Offensive und  ihrem Lactose-Larifari zu. Als sie auf ihr Blähungs-Aufkommen schwenken wollte, unterbrach ich ihre Tirade: „Haben Sie keine Freunde, mit denen Sie das besprechen können?“  Ihre ungerührte Antwort:„Ohja, scho, aber die können des nimmer hören. Ich bin geschieden seit 28. Juni, 14 Uhr 30 ... aber es geht ma guart, sehr guart. Endlich kann i essen, wann i wüll ...“

Ich gratulierte dem mir unbekannten Eheflüchtling innerlich und schaltete mein Hirn auf Durchzug, sie monologisierte weiter. Es war eine Art Selbstgespräch in wehrloser Begleitung. Wahrscheinlich versuchte sie gegen die Einsamkeit, die in ihr hochkroch, anzureden.  Im Zuge einer empirischen Analyse war mir später klar:  Die meisten Menschen reden nur über sich selbst (gerne im Kontext von Schnäppchenjagden, medizinischen Problemen, himmelschreienden Ungerechtigkeiten, denen sie unschuldig zum Opfer fielen, vor allem im Tretminenfeld gescheiterter Beziehungen) und bemühen sich nicht einmal, einen echten Dialog mit Interesse am Gegenüber zu triggern. Alles solche egomanische Langweiler! Die Definition des amerikanischen Schriftstellers Ambros Bierce in seinem „Wörterbuch des Teufels“ vom Egoisten lautet übrigens: „Ein unfeiner Mensch, der für sich mehr Interesse hat als für mich.“ 

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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