Schimpanse, Hund, süßes Menschenfleisch

Warum einen Menschen, die man liebt, nicht immer sympathisch sind.

Ich watete wieder einmal durch alte Briefe toxischer Lieben, ein kleines Hobby von mir. „Gleißnerischer Hund, listiger Schimpanse, süßes Menschenfleisch ...“ – eine Fundgrube an Verherrlichungs- und Erniedrigungsvokabular und ein Bilderbuch-Beispiel an apokalyptischem Macht-Pingpong stellt der Briefwechsel zwischen dem Egomaniac Arthur Schnitzler und der exaltierten Histrionikerin Adele Sandrock dar. Ihr Part ist, zu bilanzieren mit dem Gewinsel „Ich hasse dich, aber verlass’ mich bloß nicht“.

Er fand ihr Geklammer recht bald überschaubar spannend und bot ihr die „Freundschaft“ an, um irgendwie aus der Nummer rauszukommen. Das Freundschaftsangebot eines Liebhabers, den sie eigentlich noch nicht ziehen lassen wollen, bringt solche Prinzessinnen des gehobenen Nervenzusammenbruchs erst recht in Rage. Und ich weiß, wovon ich rede. Der Subtext ist doch: „Dein Begehrenswert ist auf Smartie-Niveau geschrumpft.“ Und glauben Sie bitte nie, aber auch wirklich nie einem Mann, der sie mit so Abreißkalendersprüchen wie „Du bist eine so starke Frau, du hast soviel Besseres verdient“ oder „Ich muss ganz viel nachdenken, eine Beziehung passt gerade nicht in meinen Plan“ zutextet. Diese Lügen haben meist sehr lange Beine. Es ist eine der vielen Weisheiten von Miranda aus der Frühphase „Sex and the City“, lange bevor die Manolo-Agers in die verkitschte Belanglosigkeit drifteten: „Maybe he just is not into you.“

Ungefähr so zu verstehen:„Nimm’ es mit Grandezza, Schwester, er steht einfach nicht auf dich.“ Im Rückblick betrachtet: Mit Liebhabern, die mich dazu gebracht hatten, meine Leidensfähigkeit über ihre Grenzen auszutesten, wollte ich tatsächlich weder vorher noch nachher befreundet sein. Ihr Charakterkostüm wies nämlich meist tiefe Löcher auf. Warum man Menschen lieben kann, die man eigentlich nicht sonderlich mag, muss ich demnächst einmal mit einem Psycho-Interpreten bemurmeln. Die Rätselrallye des Lebens hört einfach nie auf.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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