Polly Adlers Kolumne: Una vita senza Kurti

Erste Hilfe nach einem Tinder-Burnout.

"Es geht nicht!“, sagte meine Freundin E, "dieser Kurti bestellt in seiner Pizzeria Italienisch, das Ganze noch dazu grammatikalisch völlig falsch und mit Meidlinger Llll, ich krieg einen Peinlichkeitsausschlag. Und dann wollte er noch mit mir die Rechnung teilen. Hilfe!" 

E zappelt voll in den Tretmühlen des emotionalen Kapitalismus, das ist schon ihr viertes Das-geht-gar-nicht-Date nach ausgiebigem Tinder-Shopping mit einem "Kurti", wie sie inzwischen alle Kandidaten durch die Bank nennt, weil man die vielen Stefans und Helmuts kaum mehr auseinanderhalten kann. 

"Vielleicht hast du ein allgemeines Kurti-Burnout, leg' einmal eine Weihnachtspause ein", versuchte ich, sie zu beruhigen. 

Einerseits bewunderte ich sie für ihren Mut, in unserem Alter ihre wertvolle Lebenszeit an wildfremde "random"-Männer mit einem Appendix an Schrullen und Traumata zu verschenken. Andererseits bekam ich beim bloßen Gedanken an diesen Energieaufwand bleischwere Müdigkeitsanfälle: Die Wahrscheinlichkeitskompatibilität mit so einem reifen Schatzi-Sucher aus Digitalien ist nahezu so sicher wie eine Signa-Aktie. 

"Ist es nicht wahnsinnig anstrengend, irgend so einem Kurti bei einem Zitronengrassorbet vorturnen zu müssen, dass man ein steiler, finanziell unabhängiger Feger ist, der auch eine gewisse Hobbyelastizität aufzuweisen hat?" 

E hatte sich in den letzten Monaten Kenntnisse in Schildkrötenbetreuung, Berghüttenhopping, Witwertrauerbegleitung und Kältekammerbesuchen erworben. Sie war der Meinung, dass man durch verlogen enthusiastische Anerkennung der Vorlieben eines neuen Kurtis schneller zum Hauptwohnsitz seines Herzens vordringen könne. 

"Ja, moltissimo anstrengend", musste sie zugeben, "ich muss immer an unseren lieben Ödön von Horváth denken und seinen Spruch "Eigentlich bin ich ganz anders, nur komm' ich so selten dazu." 

Wir tranken auf ein Tinder-Embargo und ein Leben "senza Kurtis".

Pollys Silvester-Matinée im Rabenhof, mit Maria Happel und Petra Morzé, pollyadler.at

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

Kommentare