Polly Adlers Kolumne: Ja eh!

Durch Smalltalk in einem Rinnsal der Lebensenergie

Hochsaison für Smalltalk: "Und, wie geht’s dir?" – Klassische Antwort: "Ja eh." Eigentlich ist mit diesen zwei Silben, deren vielschichtige Bedeutung nur für uns Ösis völlig auf der Hand liegt, alles abgedeckt: Stagnation, Turbulenzen, Katastrophen aus dem Blauen, schroffe Alltagsklippen, eben alles, außer "Alles gut". Meine Lieblings-Hassphrase übrigens. 

Machen Sie einen großen Bogen um Menschen, die dieses "Alles gut" in jeder, aber vor allem jeder unpassenden Situation zum Einsatz bringen. Aus rauchenden Trümmern, in einem Rinnsal ihrer Lebensenergie, trällern dir diese Optimismus-Desperados noch ein verlogenes "Alles gut" zu. Kürzlich sagte mir ein trocken gelegter Suchtmensch: "Früher habe ich geraucht wie die Voest, gesoffen bis zum Filmriss. Heute lüge ich nur mehr." 

Ein hübsches Hobby und ein soziales Gleitmittel, das natürlich in der Phase ausufernder Zusammenrottungsritualen an überzuckerten Heißgetränken eine wichtige Zutat darstellt. Was wäre wohl, wenn man bei diesen Kleinkonversationen auf die Frage nach der werten Befindlichkeit einen Wahrheitsorkan losließe, in etwa so (alles fiktiv): "Ich schramme knapp an Diabetes 2. Aber so viel krank, wie die SVS Nachzahlungen von mir will, kann ich in diesem Leben nicht werden. Ab und an kriecht mir das Gespenst der Einsamkeit den Nacken hoch, und dieser Kretin, dessen Vornamen mein zukünftiger Bypass tragen wird, ist glücklich. Und das ohne mich. Aber danke der Nachfrage. Und bei dir so?" 

Wenn Sie wie jeder normale oberflächliche, egozentrierte Cortisol-Junkie ticken, haben Sie ohnehin nicht zugehört und ziehen jetzt gedankenverloren eine Leerphrase aus ihrem Binsen-Baukasten in der Art von "Schön, das zu hören" oder "Super, dass es so gut läuft." Dann passt wieder ein herzhaftes "Ja eh", um der Dürre dieses Gespräches zu entfliehen. Oder einfach nur "Meine Füße sind bereits eingeschlafen. Würde es dich stören, wenn ich mich ihnen anschließe?" Alles gut? 

Pollys Xmas-Special, 15. 12., 20 Uhr, Rabenhof Wien 

Pollys Silvesterspecial: 31.12., 11 Uhr, im Rabenhof. Mit Maria Happel & Petra Morzé

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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