Polly Adlers Kolumne: So arm, so hübsch und so hilflos

Partnerschaften mit Blaulicht-Mütze

Der Lieblingssatz in der Crowd meiner Tochter bezüglich eines potenziellen Herzens-Herren, der jedoch von roten Flaggen übersät scheint, ist ein Zitat der "Sex and the City"-Miranda: "Achtung, der Typ hat das Wort Projekt in Balkenlettern auf seinem ganzen Körper blinken."
 

Es geht aber auch umgekehrt: Mein Freund K zum Beispiel, im Leben fest als Kardiologe verankert, hat das Rettersyndrom: Mit der Zielsicherheit eines Weißkopfadlers greift er sich verlässlich Frauen, die das Transparent "Die Welt ist so ungerecht und ich bin so arm, so hübsch und so hilflos" vor sich herschwenken. Der Opfer-Status wirkt bei ihm wie ein  Aphrodisiakum. Dann setzt er die Blaulichtmütze auf. 

Sein aktuelles Projekt heißt Alina, ist scheidungsgeschädigt und hat das Finanzamt am Hals, weil sie ("Huch, ich wusste gar nicht, dass man das machen muss") die letzten drei Jahre vergessen hat, ihre Umsatzsteuer abzuführen. Sie wirkt nämlich als Energiearbeiterin, was angesichts ihrer sorgfältig kultivierten Weltfremdheit so absurd wie paradox scheint.

Klar, dass K mit den Finanzlern verhandelt, Alinas Buchhaltung neu aufstellt und sie zwischendurch wie ein Findelkätzchen mit Vitamincocktails auffüttert. 

"Schätzchen", versuchte ich ihn auf die Vernunftspur zu bringen, "weißt du, was meine Therapeutin zu solchen Konstellationen sagt? Irgendwann wird der Retter, der versucht, die Jungfrau vor dem Drachen zu bewahren, checken, dass er den Drachen und nicht die Jungfrau gerettet hat. Denn kaum ist die eine Baustelle trocken gelegt, tut sich schon die nächste auf.

So funktionieren diese Opfertypen: genug ist nie genug." "Deine Therapeutin weiß aber nicht, wie wahnsinnig lieb sie schauen kann", seufzt er, "sie hat diesen Reh-auf-der-Autobahn-Blick, der mich schwach macht."

Ich verabschiedete mich mit den Worten: "Jeder ist der Architekt seines eigenen Unglücks." Leere Kilometer stehen nicht mehr auf meiner Erledigungsliste. Und schon war er beleidigt. 

Das Polly-Adler-Muttertagsspecial mit Mavie Hörbiger & Tania Golden im Rabenhof: 11. Mai, 11 Uhr

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

Kommentare