
Polly Adlers Kolumne: Niedlichkeits-Sodbrennen
Die Playmobil-Herzogin als Symbolfigur unserer Zeit
Ich habe Niedlichkeits-Sodbrennen, untermischt mit wachsender Gewaltbereitschaft. Meghan Markle, pardon Sussex (wie sie ihre Fake-Bestfreundin korrigiert) provoziert mit ihrer neuen Kochshow auf Netflix solche Gefühle. Punkt eins: Die Frau kocht so, wie ich Ballett tanze. Die Rezepte entsprechend raffiniert: Spaghetti (sie sagt "Nudeln"!) mit Tomaten.
Wahnsinn! Jeder zweite Satz beginnt mit "Mein Mann mag dies oder jenes lieber". In der ersten Folge holt sie sich die Plakette für die Dekadenz-Beauftragte des Monats, indem sie ihrem langjährigen Visagisten und Hausgast ein Willkommenstablettchen richtet: Blumen, Trüffelchips, "Pretzel-Cracker", die liebevoll aus der Verpackung in ein Zellophansäckchen rieseln, das mit so einem affigen handgeschriebenem Etikett versehen ist, damit auch wirklich alle schnallen, dass es sich um bescheuerte Pretzel-Cracker handelt. Er soll sich doch wohlfühlen, der Visagist.
In einer anderen Folge arrangiert sie Rohkost in Form und Farben eines Regenbogens, was Frauen, die nicht in 100-Millionen-Dollar-Anwesen mit Personal im Grinzing Kaliforniens, Montecito, residieren, möglicherweise als einen Faustschlag in Sachen Empathie und natürlich auch als eine Attacke auf ihre Lebenszeit empfinden.
Das ganze Blümchen-&-Bienchen-Spektakel erinnert einen an die Farm-Spielchen der später kopfgekürzten Marie Antoinette, die in Versailles die Schafbäuerin in hellblauer Seide gab, während ihr Volk verhungerte. De facto ist diese Playmobil-Herzogin quasi wie eine Symbolträgerin für das Krankheitsbild unserer Zeit: durch und durch Fake und entsprechend gespenstisch.
Sogar die Küche, in der sie ihren Tradwife-Komplex auslebt, ist angemietet. Dass Harry, der ab und an durchs Bild huscht, den Eindruck vermittelt, als ob er eben von einer schief gelaufenen Wurzelbehandlung vom Zahnarzt heimgekehrt sei, ist nachzuvollziehen. Unser Mitleid wächst mit jeder Folge.
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