Polly Adlers Kolumne: U2, der Himalaya und Wellenwände

Warum man seine Menschen-Vorurteile abbauen sollte.

Vorsatz: Ich räume mir den Menschen-Snobismus runter. Die Vorurteils-Arroganz

Als ich in der Sri-Lanka-Oase angekrochen kam, wollte ich mit niemandem reden, außer mit meinen Freunden aus Wien. Im Zuge der Nachrichten vom heimischen Polit-Chaos verstummten wir sowieso zunehmend. Nach ihrer Abreise beäugte ich die verbliebenen Ayurvedistas.

Sicher alle eher fad, dachte ich mir, und schloss mit mir eine Wette ab: Wenn du es schaffst, aus jeder eine spannende Geschichte herauszukitzeln, darfst du einen Espresso trinken gehen. Ein sündiges Highlight bei so einer Kur. 

Ich begann mit Holly, einer blassen Londoner Versicherungsangestellten. Vorurteils-Einschätzung: Yogamatten-Opfer, vegan, Leidenschaft: Meditationsapps. Daneben! Im letzten Jahr war sie im Himalaya-Gebirge mit ihrer besten Freundin auf einen Sechstausender gestiegen. Ein Mädchentraum, getrübt durch die Tatsache, dass die Freundin dort oben den ersten epileptischen Anfall ihres Lebens bekam.

Und Insurance-Holly checkte bei eisigen Stürmen einen Helikopter – in letzter Minute. James-Bond-Level

Dann war da Karin, eine resolute Pharmamanagerin: Sie hielt den Weltrekord in U2-Konzerten, hatte mehr als vierhundert auf dem Tachometer, zuletzt verbrachte sie eine Woche in Las Vegas, um sieben Mal hintereinander "die letzte große Liebe meines Lebens zu sehen". Und der Sehnsuchtsmotor tuckert dennoch weiter. 

Und dann saß da noch Erika, eine Botschaftsangestellte in Kiew. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass ihre Wände bei Raketenangriffen immer so seltsame Wellenbewegungen machten. Und in den Familien in ihrem Bekanntenkreis "irgendwo immer ein Bein oder ein Arm fehlt". Bei den Warnsirenen ging sie nachts schon längst nicht mehr in die Metro. Begründung: "Ich brauche einfach meinen Schlaf, sonst bin ich mürrisch." 

Eindeutig: Verglichen damit war mein Leben von kränklicher Blässe. Die Storys der Damen waren zwei Espressi wert. Mindestens.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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