Polly Adlers Kolumne: "Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Schas!"

Was der Mount Everest, Haie und Eisbären gemeinsam haben.

Wenn mir sowas wie Selbstmitleid aus meist echt banalen Gründen den Nacken hochkriecht, habe ich eine einfache Neutralisierungsmethode entwickelt. Ich sehe mir auf Instagram Menschen in Situationen an, die mir mein eigenes Leben wie eine Pavlowa mit einer "Meine Sorgen möchte ich haben"-Beerenmischung erscheinen lassen.

Sehr wirksam zeigt sich der Account jenes Naturfotografen, den eine wild gewordene Eisbärin mit blutrünstigem Brummen über Stunden aus seinem Glaskäfig klopfen möchte. 

Im Vergleich dazu nimmt man doch gerne eine absurde Gasrechnung, Regierungsbildungsintoleranzen, jenes Faltenaufkommen, das hart in Richtung Bernhardinerlefzen brettert, oder die Funkstille eines Herren in Kauf. 

Als hocheffizient, um sich die Schönheit des eigenen Daseins ins Bewusstsein zu fetzen, erweisen sich auch diese Konten von lebensmüden Hochalpinisten, die sich mit letzter Kraft am Mount Everest über Gletscherspalten und bedrohliche Grate, wo jeder Fehltritt tödlich sein kann, schleppen und sich dabei auch noch filmen. 

Das erinnert mich an das herrliche Telegramm eines jüdischen Alpinisten: "Damit ich meinen Körper schon’, nehm ich mir einen Sherpa – euer Cohn." 

Und richtig wohlig wird es einem auch bei den vielen Hai-Reels, wo Taucher von so einem Killermonster anvisiert werden und der kolportierte Trick, Schauen-Sie-den-Fisch-so-finster-Sie-können-an, definitiv bei dieser Art von Hai unter der Rubrik Langweil'-bitte-wen-anderen läuft. 

Kürzlich kam ich der Nacht gegen zwei nach Hause und gegenüber auf der Busstation legte sich gerade ein Mann unter einen Berg von Decken auf die Wartebank. Ich fasste mir ein Herz und fragte, ob ich vielleicht das Kältemobil der Caritas kontaktieren soll. 

Er sah mich an wie einen Alien aus einer fremden Hemisphäre und sagte: "Gnädigste, kümmern Sie sich bitte um Ihren eigenen Schas." Ich gehorchte ihm erleichtert und schämte mich später dafür. 

Pollys Valentins-Special am 14. 2. um 20 Uhr im Rabenhof: mit Sigrid Hauser & Petra Morzé.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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