Polly Adlers Kolumne: Kein Plus One für einen Grillabend

"Immer mehr Männer gehen weit in den Dschungel, um dort in Höhlen zu leben und zu meditieren", erzählte mir mein Sri-Lanka-Landlord äußerst besorgt. "Es sind oft reiche Unternehmer, die alles von sich werfen. Sie wollen auch keinen Besuch, keinerlei Ablenkung, nur zu Vollmond dürfen ihnen die Frauen Essen vorbei bringen."

Und den Rest der Zeit haben die wahrscheinlich mehr Spaß, denke ich mir auf meiner Sonnenliege, auch eine Form einer Fernbeziehung, und lese weiter. 

Ich lese wie besessen. Zuerst Trash-Krimis. Dann Weltliteratur: "Die Vegetarierin" der koreanischen Nobelpreisträgerin Han Kang. Ich habe selten ein deprimierenderes Buch gelesen. 

Es endet damit (Achtung Spoiler), dass die Protagonistin vereinsamt in einer psychiatrischen Anstalt auf dem Kopf steht, weil sie glaubt, ein Baum zu sein. Die Komitee-Truppe in Stockholm muss auch eigenartig drauf sein.

Dann der Roman der Hipster-Queen Miranda July "Auf allen vieren": Erfolgreiche Autorin lebt und isst makrobiotisch mit erfolgreichem, total einfühlsamen Musikproduzenten und non-binärem Kind in Kalifornien, und all das produziert ein unendliches Leeregefühl. 

Woraufhin die Superpromi-Autorin eine halbe Stunde weiter eine heiße Affäre mit einem simplen, aber muskulösen Hertz-Autozusteller und Hobby-Breaktänzer beginnt und sich den Spielplatz in einem Motelzimmer von dessen ahnungsloser Deko-Ehefrau zum Liebesnest gestalten lässt. 

Aber eine Weisheit habe ich mir auch aus diesem endlosen First-World-Problems-Lamento rausgezogen: In jeder Liebesbio muss es eine absurde, nie im Alltag lebbare Geschichte geben, je unmöglicher, desto leidenschaftlicher. 

Mit so einem Typen, den man unter gar keinen Umständen zu einem Grillabend bei Freunden mitnehmen, dort mit den Worten "Hallo, ihr Lieben. Das ist der Karli/Kurti/Whatever" einführen würde. 

Eine Freundin hatte so eine Geschichte mit einem Schlafwagenschaffner, sie fuhr 178 Mal die Südstrecke. Und möchte kein einziges Mal missen.