Polly Adlers Kolumne: Face-ID, du Luder!

Die wunderbare Lauren Bacall und ihre Aversion gegen den Jugendkult.

Mich quälte eine existenzielle Frage, die alle geopolitischen Querelen ins Schattenreich der Bedeutungslosigkeit verbannte: Funktioniert die Face-ID meines iPhones nicht mehr, weil 

A) zunehmende physiognomische Germknödelähnlichkeit

B) dramatisch vermehrtes Furchenaufkommen 

C) pure Launenhaftigkeit des Geräts? 

"Ist das dein Ernst?", fragte F, "dich mit solchem Schwachsinn zu beschäftigen? Ich war gestern im Kino, in 'Babygirl', und musste zwei Stunden lang in die durch Schlangengift in alienhafte Ausdruckslosigkeit überführte Fresse von Frau Kidman starren. Grauenhaft!" 

Ich hatte den Film auch gesehen, es war schwierig gewesen, sich an Kidmans Weltklasse-Schauspielkunst zu erfreuen, weil einem beständig die Frage durch das Hirn fegte: "Warum tut sich eine Frau, die in dieser Liga mitspielt, diese Form der Verunstaltung an?"

Und natürlich regte sich in mir auch ein Quäntchen feministische Solidarität. Denn: Die Kidman kann fantastisch sein, wie sie will, aber das wird nüsse erwähnenswert bleiben – denn alle werden sich vorrangig hämisch über ihre verzweifelten Versuche, sich gegen den eigenen Reifungsprozess zu stemmen, amüsieren und delektieren.

Denn Faktum ist, dass die Botox- und Hautverzurrungs-Streberin nach all den Torturen nicht wie prächtige 42 aussah, sondern wie eine Art Stepford Wife und jemand, der ein ernsthaftes psychisches Problem hat.

Kürzlich stolperte ich über einen Videoclip von Lauren Bacall (die noch immer coolste Beauty der Filmgeschichte), sie war damals in ihren Achtzigern, sexy verknittert und sagte in ihrem nikotingepolsterten Timbre: "Diese Besessenheit mit der Jugend macht mich krank. Jedes Gesicht erzählt doch vom Leben, das man führte. Und du solltest stolz auf dieses Leben sein und dich dazu bekennen." 

"Oh maybe just whistle", wie sie Bogey in "To Have and Have Not" anordnete. Sie war der einzige Mensch, den ich je um ein Autogramm gebeten habe.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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