Polly Adler: Gute Reise, Tac-Tac!
Über den Verlust einer familiären Tragsäule.
Als kleines Kind nannte ich sie „Tac-Tac”, weil die Pflastersteine von ihren Stöckelschuhen so laut widerhallten. Sie war weit mehr als eine Tante, eigentlich eine Zweitmutter und für unsere Kindeskinder eine passionierte Mit-Oma. Wenn die Wogen bei uns zu Hause hoch brandeten, wurde sie zur empathiegeladene Beschwichtigungsakrobatin . Sie überschüttete uns alle mit dem Gold für jede Persönlichkeitsentwicklung, der „unconditional love”.
Auf der Weltkarte, die in ihrer mit antiken Teddybären überbordenden Wohnung an der Wand hing, waren alle Orte, die sie schon bereist hatte, mit bunten Wimpeln versehen. Viele Leerflächen waren da nicht übrig geblieben. Sie war unaufgeregt unkonventionell. Kein Ehemann und unser Glück, dass sie keine eigenen Kinder hatte. Ein Job, der ihr viel abverlangt hatte: Zuletzt leitete sie ein Heim für von der Spur gekommene Jungmütter. Wenn ich als Kind in der Nase bohrte (habe ich mir inzwischen abgewöhnt, doppelschwöre) gab es keinen Kommandoton, das zu unterlassen, sondern ein „Wenn du oben angekommen bist, schickst du mir bitte eine Postkarte?”
Erst kürzlich, bei einem Familienessen hatte sie so eine solche Postkarte aus „Nasenland” aus ihrem akribischen Erinnerungsfundus mitgebracht. Alles, was ich später gemacht habe, wurde mit Lob überschüttet – wurscht ob verdient oder nicht. Vergangenen Samstag ist sie auf dem Weg zu einem Kinderfaschingfest ihrer „Beute-Enkelin” für immer abgereist: schnell und unkompliziert, wie sie immer war. Das ist unser Trost. Der bunte Blumenhut liegt noch im Auto.
Ich wollte sie am Sonntag nach einer Rückkehr von einer Reise in aller Ruhe anrufen. Schmerzender Warnhinweis:Verschiebt eure Wie-geht’s-Telefonate oder Besuche nicht auf den nächsten Tag! Warum verdammt noch einmal, merkt man erst mit voller Wucht wie wichtig ein Mensch in einem Leben ist, wenn er nicht mehr da ist? Welcher Idiot hat sich das so ausgedacht? Gute Reise, Tac-Tac! Wenn es einen Himmel gibt, dann kriegst du dort einen Logenplatz.
„Knietief im Glamour” am 4. Februar im Wiener Rabenhof: Mit Petra Morzé & Sona Macdonald
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