Chaos de luxe Kolumne: Neurosen-Gulasch

Warum sich die Psycho-Junkies soviele leere Kilometer ersparen.

Ein Hipster-Paar im "Chinacy":  Er Dutt, sie Bob-Frisur mit asymmetrischen Stirnfransen, er blau lackierte Fingernägel, sie weite Boyfriend-Jeans, also jenes Styling, in dem sich Individualist:innen uniformieren. So Böörlin trifft Kopenhagen. Das Lokal ist klein. Man wird gezwungen, zum Audiyeur zu werden. 

Scheinbar ein erstes Date, denn er erteilt jetzt eine Betriebsanleitung zu seiner Psyche: "Vorwarnung: ich habe eine leichte narzisstische Persönlichkeitsstörung." Sie: "Alles klar. Du erschlägst mich mit Zuwendung, um nach ein paar Tagen kommentarlos Offline zu gehen. Die übliche manipulative Taktik für ein toxisches Ringespiel" Sie bläst gelangweilt in ihre Fransen. 

Er: "Und du? Hast du keine sexy psychische Störung, mit der du mich fertig machen könntest?" – "Regelmäßige Spaziergänge auf der Borderline  plus Übersensibilität." Er köpfelt jetzt in seine Suppe, die Kombi ist ihm nicht geheuer. Sie: "Ich drehe gerne vorwarnungsfrei durch. Impulskontrollverlust olé." – "Physische Gewalt inkludiert?" – "Bislang nur Sachschäden." 

Er lacht erleichtert. Sie: "Und übersensibel, weil ich alles persönlich nehme. Das Wetter, den Dollarkurs, den ungetrennten Müll meiner Nachbarn..." – "Ich, ich und auch ich hingegen können überhaupt nicht mit Kritik umgehen..." ­– "Schon einmal eine Traumatherapie probiert? Vielleicht hat dich deine Mutter zuwenig gelobt."– "Die konnte mich nicht wenig loben, weil sie ständig unterwegs war." – Nach einer Pause er: "Vielleicht passen ja mein Narzissmus und deine niedliche Dauerkränkung irgendwie ganz gut zusammen..." 

Sie: "Maybe! Hauen wir unsere Neurosen in einen Topf und hoffen, dass sie sich neutralisieren." Die ersten Blitze von Verliebtheit flogen über das Rindfleisch, sehr scharf, und ich dachte, wie praktisch veranlagt diese Psycho-Junkies doch heute sind. Unsereins brauchte oft Jahre für solche Erkenntnisse und auch dann haben sie einen keine Kolibrizungenlänge weiter gebracht.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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