Polly Adler: Ein Monster namens Darcy

Warum wir immer auf den Hard-to-get-Typen flogen.

Ich habe des Rätsels Lösung gefunden. In einem schmalen Bändchen mit dem Titel "The Darcy Myth”, verfasst von einer Professorin für englische Literatur in der US- Provinz namens Rachel Feder. Mr. Darcy ist der spröde Anti-Held aus Jane Austens Gefühls-Via dolorosa "Stolz und Vorurteil”: emotional verschlossen, desinteressiert am Charme unserer Heroine, in jedem Fall der klassische Narzisst, dessen Gefühls-Entkrustung ungefähr 300 Seiten in Anspruch nimmt. 

Mrs. Felder erläutert sehr schlüssig, warum dieser Typ  Hard-to-get-Mann die Popkultur seit Jahrhunderten erfolgreich bevölkert und dadurch  sein Begehrenswert in unserem Beuteschema fest zementiert wurde. All die Mister Darcys, egal, ob sie als Richard Gere in „Pretty Woman”, als Mr. Big in "Sex and the City” oder Simon Basset als Duke von Hasting im Netflix-"Bridgerton” auftreten – sie alle haben, so Frau Feder, "uns beigebracht, dass wir diese arroganten, narzisstisch verseuchten, sich immer wieder uns entziehenden, monströsen  Herzensbrecher zu lieben haben.” Die Songs von Sinead O’Connor, Taylor Swift, Amy Winehouse, Lady Gaga oder Billie Eilish gaben immer wieder Zeugnis davon, was für ein hartes Geschäft die Liebe in so einer Co-Dependency-Spirale sein kann. 

Und wie schwer dabei der Notausgang zu finden ist.Wenn ich Schürfarbeiten in meiner oder der Liebesbios meiner Freundinnen betreibe, muss ich feststellen, dass Mrs. Feder leider sowas von Recht hat. Und wir in der Regel die Männer, die sich auch dann gemeldet haben, wenn sie es in Aussicht gestellt haben, unsere Koffer geschleppt haben und nicht erstaunt waren, dass wir tatsächlich jährlich Geburtstag haben, mit Genuß mies behandelt haben.  Wir waren richtig gemein zu den Zweiten-bis-dritten-Blick-Typen. 

Möglicherweise ein Fehler, aber schön war’s.  „Ist nicht Unhöflichkeit generell die Essenz der Liebe?” lässt Jane Austen eine ihrer Sehnsuchts-Irrläuferinnen fragen. Sie selbst blieb übrigens lebenslang unverheiratet.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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