Vivat süßer Unsinn!

Warum kermitgrüne Caprihosen auf die Reise müssen und andere Trennungsverfahren.

Ich wate durch einen Kleiderberg. Meine Freundin B tremoliert in einer Marie-Kondō-Ekstase.  Das ist diese quietschfidele Japanerin, die Menschen mit Entsorgungsdefiziten unter ihre Fittiche nimmt. „In dieser Bluse habe ich damals mit ihm Schluss gemacht“, seufzt C und fischt eine Alexander McQueen-Extravaganza aus dem Gebirge, „mein Revenge-Teil. Wir saßen in der Bristol Bar und ich trank einen farblich abgestimmten Negroni sbagliato. Zwei Wochen später war er mit meiner Energieberaterin in der Kiste. Und ich auf der via dolorosa von diversen Online-Kupplern. Ich wollte einen Winzer oder einen Psychiater und bekam ständig ÖBB-Beamte oder Versicherungsmakler vorgeschlagen, die alle affige Kappen auf ihren Fotos trugen, um ihre Glatzen zu tarnen, und gerne Genesis oder Michael Bolton hörten.“

Sie drückte mir die Bluse in die Hand: „Nimm sie, sie hat mir nur Unglück gebracht. Kondō meint, man sollte Dinge mit einer Anti-Talisman-Funktion sofort frei geben.“ Gesegnet sei Kondō, denn das Rache-Stück gefiel mir, aber tatsächlich entwickelten wir an diesem trübseligen Nachmittag ein neues Tauschkreis-Modell: Dinge mit Patina, von denen wir die Schnauze voll hatten, sollten bei uns zugetanen Menschen einen neuen Lebensabschnitt antreten. Kermitgrüne Caprihosen anyone? Oder einen Porzellan-Spaniel mit Klobürsten-Halterfunktion? 

Es sammelt sich ja viel „süßer Unsinn“ in so einem kleinen Menschenleben an. Das war das Codewort zwischen meiner damals vierjährigen Tochter und mir, wenn wir durchgeknallte Impulskäufe tätigten. „Mama, bitte süßen Unsinn“ pflegte sie flehenden Blickes zu wimmern und hatte ihn schon, den 101-Dalmatiner-Bleistiftspitzer. Shopping hat inzwischen für uns beide komischerweise seinen Sexappeal verloren. Unsere Sammlerleidenschaft hat sich auf gute Momente transferiert. Süßer Unsinn Do-it-yourself quasi. Und der kommt nie aus der Mode.

Die Polly-Xmas-Specials: 7.12. Schloss Perchtoldsdorf, 4. & 18.12. Rabenhof. Mit Sigrid Hauser & Petra Morzé.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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