Mein Leben als Kaninchen
Was wir „Boomer-Normative” von den Jungen lernen können
Wie entzückend: 33 Jahre ist unsere geliebte Spielwiese. Wenn ich den Rewind-Button in meinem Leben drehe, war das eine Phase, in der ich permanent wie das Kaninchen in Alice im Wunderland „Ich bin zu spät!“ hechelte. Der Fortpflanz war zwei Jahre alt, sein Vater und ich hatten einander einvernehmlich verlassen, das Magazin, für das ich werkte, war gerade eingestellt worden, und ich tollte am freien Markt. Mehr Katastrophe ging eigentlich gar nicht.
Der Stress war mein ständiger Begleiter. Irgendwie brachte ich in diesem Dauermarathon noch einen Liebhaber unter, der sich nach dem Abebben der hormonellen Euphorie auch als durchaus betreuungsintensiv erwies. Wenn ich mir heute Fotos von damals ansehe, sehe ich ein dauererschöpftes Gesicht, dessen Lächeln eine zerquälte Note besitzt. „Warum hast du dir das alles angetan?“, fragt mich das Kind heute, das trotz dieser etwas unwirtlichen Heranwachsens-Umstände über jene Überlebensmittel verfügt, die in einer Psyche so unentbehrlich sind: Selbstvertrauen (ohne Selbstherrlichkeit) und Empathie. Es wohnt in einer Generation, die ein völlig anderes Work-Life-Konzept besitzt. „Ich muss mich jetzt wieder einmal mit mir selbst connecten“, flüstert eine seiner Freundinnen, die sich gerade aus „einem voll toxischen Arbeitsverhältnis, in dem die Vibes überhaupt nicht mehr gestimmt haben“ befreit hat.
Sie wirkt trotz einer Existenz ohne Netz beneidenswert gelassen. „Hast du keine Angst, wie es weitergeht?“, frage ich sie „boomer-normativ“ – so nennt das Kind eine konventionelle, „leistungsverpeilte“ Denkweise. „Meine Prada-Tasche ist Zeit“, erklärt mir die Freebaserin, „das Hamsterrad ist einfach eine ungesunde Adresse.“ Für diese Form von Gelassenheit habe ich einen Kleinwagen in eine mehrjährige Psychotherapie investiert. Aber es ist angeblich nie zu spät, um eine glückliche Jugend zu haben. Falten hin oder her.
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