Der Welt ein Schnäppchen schlagen
Leute, begrüßen wir die neue Kargheit mit Stil: Es bleibt uns nichts anderes übrig.
Vorauseilende Verarmungs-Panik, die sich wie ein Schimmelpilz in unseren Gemütern absetzt. Bei einfachen Gerichten (tschüss nachhaltiges Thunfisch-Steak, hallo Karfiol mit Bröseln!) und den Weißwein-Beständen aus einem sorgenfreien Leben überlegen meine Freunde und ich, wie wir der Welt ein Schnäppchen schlagen. Für Flix-Busreisen sind wir tatsächlich zu alt, aber das Auto kommt in Bälde weg. Zugfahren ist außerdem extrem entspannend, man kann dort in aller Ruhe die alten Russen lesen – wenn nicht von barrierefreier Pädagogik verseuchte Kleinkinder gerade die Grenzen ihrer Bezugspersonen austesten.
An sich bin ich von einer Listenphobie getragen, aber neuerdings führe ich eine, um abzuchecken, wie viele Lebensmittel, weil man zu enthusiastisch eingekauft hat, in den Müll wandern. Brennend rotes Schamgefühl: Es sind einfach zu viele. Der Dauerbrandofen in meinem Wohnzimmer, den ich seit 25 Jahren nicht benutze, entwickelt das Charisma eines malerischen Mahnmals. Ich rufe circa 30 Ofenmeister durch, die sich nahezu in machtherrlichen Lachkrämpfen kringeln, als man mit Piepsstimme versucht, einen Wartungstermin im Oktober zu bekommen.
Weil Jupiter gut drauf ist, erwische ich dann doch einen Hafner-Gott, dem ein roter Teppich in Form von frischen Mandelcroissants, devoter Dankbarkeit und geschäumtem Kaffee aufbereitet wird. Ich denke an die Jahre, in denen ich mit Scheuklappen im Überfluss geschwommen bin und an meine Oma, die für ihre zwei Kinder aus alten Kartoffelschalen während des Krieges Suppen zaubern musste; an den Christkindlbrief meiner Tante, die sich nichts als drei Orangen und ein paar Buntstifte wünschte. Das Fazit des Dialogs mit mir selbst: Hab’ dich nicht so! Und proklamieren wir die Kargheit 2.0 einfach als neuen Lifestyle-Trend, einem öko-herzigen Minimalismus. Wenn ich den Ofen erstmal anwerfe, wird es eine Premieren-Party geben: Vorglühen im doppelten Sinn.
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