Benching und Bombing

Warum üppiges Pathos zu Beginn einer Liebe stutzig machen sollte

Es war der blanke Himmel. Nächte in den besten Schuppen von Paris und Rom. Als meine im Adrenalin schwebende Freundin C am späten Abend in Schwechat nach einem Businesstrip gelandet war, stand schon ein mit opulenter Botanik wedelnder Chauffeur beim Ausgang, der sie zu einem Mitternachtspicknick auf den Kahlenberg entführte. Dort ließ der entfesselte Liebes-Pathetiker dann sofort die Champagnerkorken und Liebesschwüre knallen. Ich bekam schon bei den puren Erzählungen dieses „Lovebombings“ Kitsch-Sodbrennen. Meine Tochter hätte nur lakonisch angemerkt: „Red Flag Territory.“

Champagner-Freddi wurde bei all diesen Inszenierungs-Salti natürlich nicht müde, meiner Freundin zu versichern, dass es nur mehr eine Frage der Zeit sei, wann er seine Ehefrau verlassen werde. Die Ehe sei sowieso schon seit Jahren emotionales Karstgebiet. Ein paar rein administrative Dinge seien noch zu klären, dann stehe dem Pas de deux in eine Deluxe-Zweisamkeit nichts, gar nichts mehr im Weg. Das „Benching“, so der Fachjargon für das Warten auf der Ersatzbank, bis man endlich aufs offizielle Beziehungsspielfeld dürfe, zog sich über Monate.

Uns allen schwante schon Übles, aber wir wollten C die Hoffnung nicht mit sauertöpfischem Pessimismus zertrampeln. Dann wurde aus Champagner Sekt: aus „Ich will keine Sekunde mehr ohne dich sein“ ein „Ich muss morgen früh raus, ein wichtiges Meeting“ und irgendwann trudelte nur eine karge WhatsApp-Nachricht ein, wo sich der Teilzeit-Romantiker mit dem schönen Satz „Ich möchte meiner Ehe noch eine Chance geben“ verabschiedete. „After he took from you everything he could steal …“ heißt es in meiner Hymne, Dylans „Like A Rolling Stone“. Eine betagte Freundin, Veteranin im „Benching“, hatte mir einmal zugeraunt: „Ich bin die Schutzheilige aller freudlosen Ehefrauen. Weißt du, wie viele Ehen ich durch eine Affäre mit dem jeweiligen Gatten gerettet habe?“ Eine Jobdescription, die nicht jederfraus Sache ist.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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