Die Anziehungskraft der Müllabfuhr

Warum sich die coolen Kids heutzutage über alles freuen, auf das man sich verlassen kann

Manche Familien haben Hobbys wie Radfahren oder Kino. Meine kleine Familie ist vernarrt in die Müllabfuhr. Naht sie, rastet der Hund aus. Am liebsten würde er ausbüxen und aus seiner Liebe zu starken Männern und noch stärkeren Gerüchen eine Karriere als Mistplatzmaskottchen verfolgen.

Bambino wiederrum ist ein Bambino und welcher Bambino findet Funktionsfahrzeuge, die etwas tolles können, nicht faszinierend? Der Dottore Amore und ich lieben die Müllabfuhr, weil unsere Garage in den ersten Monaten, die wir im Haus verlebten, aussah wie ein neapolitanischer Hinterhof: Es türmte sich der Abfall.

Wir hatten gewisse Häuslbewohner-Anlaufschwierigkeiten, zu verstehen, wann wir welchen Container hinausstellen mussten. Sich an den Nachbarn zu orientieren, fruchtete nicht, denn links wohnt niemand und rechts ist man oft auf Urlaub. Wir rollten also den Müll hinaus, wenn ihn die Nachbarn auf der anderen Straßenseite hinausrollten, bis wir lernten: die andere Straßenseite hat einen anderen Abholrhythmus. Als wir endlich eruiert hatten, welcher Container an welchem Wochentag dran ist, kamen Feiertage, die die Abholzeiten veränderten – was uns ohnehin überforderte Jungeltern erst Recht überforderte. Es wurde Winter und der Biomüll nur noch alle zwei Wochen abgeholt, ohne dass wir verstanden, in welcher Woche. Dann vergaßen wir natürlich auch noch oft, die Container rauszubringen.

Zusammengefasst: Zwischen unseren Müllbergen sitzend fühlten wir uns wieder wie Teenager, die als einzige nicht auf eine richtig geile Party eingeladen sind. Aber mittlerweile haben wir den Dreh raus und freuen uns jede Woche aufs Neue, wenn aus den Containern die Leere zu uns spricht: „Gratulation! Ihr gehört jetzt zu den coolen Kids“. Und abseits dessen: Auf was kann man sich in diesen unsicheren Zeiten so sehr verlassen wie auf die Müllabfuhr?
 

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

Kommentare